François Biltgen: "Positiver Trend muss sich noch bestätigen". Le ministre du Travail et de l'Emploi au sujet de la situation sur le marché du travail

Dani Schumacher: Herr Biltgen, die Wirtschaft brummt, die Zahl der Beschäftigten insgesamt steigt und trotzdem ist die Arbeitslosenquote unverändert hoch. Wie erklären Sie sich dieses Phänomen?

François Biltgen: Wir leben in einer postindustriellen Gesellschaft, in der es immer weniger unqualifizierte Arbeitsplätze gibt. Es sind also vor allem unqualifizierte Arbeitnehmer, Behinderte oder Leute, die mit irgendwelchen sozialen oder familiären Problemen zu kämpfen haben, die keinen Job mehr finden. Die Arbeitslosigkeit in Luxemburg ist strukturell bedingt, und nicht konjunkturell. Hinzu kommt, dass der luxemburgische Arbeitsmarkt auf die Großregion ausgerichtet ist. Unsere Wirtschaft ist nun einmal auf die Grenzgänger angewiesen. Wir haben etwa 150.000 Arbeitsplätze mehr als noch vor 20 Jahren, aber nur etwa 10.000 zusätzliche Luxemburger Arbeitnehmer. Und die Grenzgänger sind zum Teil sehr gut ausgebildet. Außerdem haben wir in Luxemburg eine recht starke Zuwanderung. Die Arbeitslosen hierzulande stehen zu all diesen Leuten in direkter Konkurrenz. Die Hauptursache der Arbeitslosigkeit in Luxemburg ist und bleibt aber die unzureichende Ausbildung.

Dani Schumacher: Und wie sieht es mit den Jugendlichen aus?

François Biltgen: Bei den Jugendlichen wird dies besonders deutlich. Insgesamt waren im September 1.815 Jugendliche bei der Adem als arbeitslos gemeldet, das sind 19,7 Prozent aller Erwerbslosen. Beunruhigend ist dabei, dass es sich bei drei Vierteln der arbeitslosen Jugendlichen um Schulabbrecher handelt. Allerdings kann man feststellen, dass die Zahl seit vergangenem Jahr leicht rückläufig ist. Im September 2006 waren noch 2.026 Jugendliche arbeitslos gemeldet.

Dani Schumacher: Sie haben vorhin erwähnt, dass vor allem Menschen mit Problemen nur noch schwer einen Arbeitsplatz finden ...

François Biltgen: Das stimmt. Wenn man die Arbeitslosigkeit im engeren Sinn berücksichtigt, kann man über die letzten Monate einen Rückgang feststellen. Wenn man nämlich die Personen mit eingeschränkter Arbeitsfähigkeit nicht berücksichtigen würde, wenn wir dieses Gesetz nicht angewandt hätten, dann wäre die Quote sogar deutlich gesunken. Bei diesen Arbeitslosen handelt es sich größtenteils um ältere Personen mit geringer Qualifikation, die seit längerem erwerbslos sind. Ein ähnliches Problem haben wir bei den Einwanderern, die wir vor zwei bis drei Jahrzehnten ins Land geholt haben. Damals wurden Arbeitskräfte ohne höhere Qualifikation gebraucht. Wenn diese Leute heute ihren Job verlieren, sind sie nur noch schwer zu vermitteln. Bei den Luxemburgern liegt die Arbeitslosenquote bei drei Prozent, bei den Nicht-Luxemburgern hingegen bei sieben Prozent. Da spielen u.a. auch Sprachprobleme eine Rolle. Aus diesem Grund bin ich auch der Meinung, dass die Kritik der DP einfach zu kurz greift. Die Liberalen fordern, dass wir aus der Adem eine Bildungsagentur machen. Das ist alles schön und gut, aber angesichts der Voraussetzungen, die z.B. diese Leute mitbringen, unrealistisch.

Dani Schumacher: Wie sieht denn nun die Entwicklung bei der Arbeitslosenquote im weiteren Sinn aus?

François Biltgen: Wir müssen selbstverständlich auch die Personen berücksichtigen, die von einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme profitieren. Auch hier können wir seit einiger Zeit einen recht starken Rückgang beobachten. Dies liegt vor allem daran, weil wir beschlossen haben, gut ausgebildeten Jugendlichen keine CAT-Verträge mehr zu geben. Vor allem die CAT's im öffentlichen Bereich sind stark rückläufig. Wir mussten nämlich feststellen, dass wir durch solche Maßnahmen in erster Linie nicht den Jugendlichen geholfen haben, sondern den Verwaltungen. Die Beschäftigungsmaßnahmen müssen in Zukunft für solche Jugendlichen reserviert bleiben, die auf dem Arbeitsmarkt wirklich keine Chance haben. Trotz des Rückgangs bei den Beschäftigungsmaßnahmen ist übrigens die Jugendarbeitslosenquote nicht angestiegen!

Dani Schumacher: Wo sind die vielen Jugendlichen, die bis vor kurzem noch von einer Maßnahme profitiert haben, denn nun geblieben? Haben alle eine Stelle gefunden?

François Biltgen: Ich glaube schon, kann es aber im Moment noch nicht beweisen. Deshalb wird der Ceps künftig im Rahmen des 5611-Gesetzes ein Monitoring durchführen, um die weitere Entwicklung genau zu analysieren. Ein weiteres Instrument steht uns mit der Analyse des Statec "Les jeunes face au marché du travail" zur Verfügung. Diese Studie ist komplementär zu den Zahlen der Adem, da nicht alle Jugendlichen, die eigentlich auf der Suche nach einem Arbeitsplatz sind, sich auch wirklich beim Arbeitsamt einschreiben. Außerdem belegt die Statec-Studie erneut ganz klar, dass Personen mit einem Schulabschluss wesentlich schneller einen Job finden, als solche, die kein Diplom haben. Beispielsweise finden 81 Prozent der jungen Leute mit Meisterbrief innerhalb von zwei Monaten eine Stelle, in der Kategorie Bac + sind es immerhin noch 31 Prozent.

Dani Schumacher: Sie sagen, die Arbeitslosigkeit wäre hauptsächlich struktureller Natur. Heißt das, dass wir uns langfristig mit einer Erwerbslosenquote von über vier Prozent abfinden müssen?

François Biltgen: Wir haben in der Tat ein Problem, was die schwer vermittelbaren Arbeitsuchenden anbelangt. Mit dem Gesetz 5611 und dem Gesetzesprojekt 5144 gehen wir das Problem allerdings von zwei verschiedenen Seiten an. Ziel der 5611-Gesetzgebung ist es, den Arbeitsuchenden gezielt zu helfen. Hier geht es vor allem um Weiterbildungs- oder Umschulungsmaßnahmen, um mögliche Defizite auszugleichen. Das OECD-Audit bescheinigt uns übrigens, dass dieser Ansatz der richtige ist. Auch wenn es noch zu früh ist, eine definitive Bilanz zu ziehen, stellen wir aber jetzt schon fest, dass wir einige der Betroffenen mit den neuen Maßnahmen doch nicht erreichen. Und genau hier kommt das Gesetzesprojekt 5144 zu den Beschäftigungsinitiativen ins Spiel. Es wendet sich an solche Personen, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht in einem von Konkurrenz geprägten Arbeitsmarkt bestehen können. Ihnen stehen die Beschäftigungsinitiativen während zwei Jahren offen, älteren Arbeitsuchenden sogar länger. Des Weiteren könnten auch Hilfen für Betriebe vorgesehen werden, die solche Arbeitnehmer einstellen wollen, vorausgesetzt sie bieten die nötige Betreuung an. Entlastung verspreche ich mir auch von dem neuen Gesetz zum "Reclassement", das Sozialminister Di Bartolomeo und ich demnächst überarbeiten werden.

Dani Schumacher: Es ist zwar nicht Ihr Ressort, aber Sie werden nichtsdestotrotz den Erfolg oder den Misserfolg zu spüren bekommen. Wie bewerten Sie die Reform der Berufsausbildung von Ministerin Delvaux-Stehres?

François Biltgen: Ich habe mich immer für Bildungsreformen ausgesprochen. Auch wenn die Berufsausbildung in der Tat in den Zuständigkeitsbereich des Unterrichtsministeriums fällt, wurde ich in dem Dossier von Unterrichtsministerin Mady Delvaux-Stehres konsultiert und ich stehe auch voll hinter dem Reformprojekt. Ich begrüße vor allem die Reform des Technikerdiploms. Besonders das Diplom des "technicien commercial et administratif" bereitet mir nämlich große Sorgen. Zur Zeit ist dieser Bildungsweg stark theoretisch ausgelegt, damit die Jugendlichen im Anschluss an ihr Diplom eine Hochschule besuchen können. Die Ansprüche sind also recht hoch und die Rate der Misserfolge ebenfalls. Angesichts der mangelnden praktischen Ausrichtung finden Jugendliche mit diesem Diplom darüber hinaus nicht unbedingt einen Arbeitsplatz. Ich bin der Meinung, dass dieser Bildungsweg weitaus näher an der Berufswelt orientiert werden muss, so wie es im Gesetzesprojekt vorgesehen ist.

Dani Schumacher: Einer der Kritikpunkte, die angesichts der Reform der Berufsausbildung immer wieder laut wurden, ist die fehlende Berufsorientierung ...

François Biltgen: Im Bereich der Orientierung brauchten wir auch eine große Reform, die ebenfalls unter die Zuständigkeit den Bildungsministeriums fällt. Ich hab mich diesbezüglich allerdings schon mit Ministerin Delvaux-Stehres beraten und ihr meine Anliegen vorgebracht. Die berufliche Orientierung in den Schulen ist extrem wichtig. Dessen bin ich mir erneut während der Aufklärungskampagne zum 5611-Gesetz bewusst geworden. Wir müssen vor allem von staatlicher Seite mehr Hilfe anbieten. Bislang hängt die Orientierung sehr vom Engagement der Verantwortlichen in den einzelnen Schulgebäuden ab.

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