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Jean-Claude Juncker au sujet de la situation économique dans la zone euro
Jean-Claude Juncker: Ich habe die Reise mit Herrn Trichet nach China unternommen, um über Wechselkurspolitik zu reden, und nicht, um Fragen zu beantworten über das Verhältnis zwischen Euro-Gruppe und Europäischer Zentralbank. Das funktioniert im Moment mehr als zufriedenstellend. Alle Problemchen, die es gab, wurden ausgeräumt.
Börsenzeitung: An der Reise nahm auch EU-Währungskommissar Joaquin Almunia teil. Ist der Troika-Auftritt nicht eine Schwächung der Eurozone in sich, um global mit einer Stimme aufzutreten?
Jean-Claude Juncker: Nein, wenn es um Wechselkurspolitik geht, muss die Außenvertretung der Währungsunion die Vertragsrealität reflektieren. Diese ist, dass sich die Finanzminister der Euro-Staaten und die EZB die Verantwortung über die Wechselkurse teilen. Und die Euro-Gruppe ihrerseits kann allgemeine Orientierungen über Wechselkursregime nur auf Vorschlag der Brüsseler Kommission und unter Berücksichtung der EZB-Meinung formulieren. Die Eurozone tritt zu dritt auf, spricht aber mit einer Sprache.
Börsenzeitung: Die EZB hält seit Monaten die Zinsen wegen der Subprime-Krise und der Turbulenzen an den Finanzmärkten stabil. In der Zwischenzeit droht die Inflation aus dem Ruder zu laufen. Die Teuerung im November war deutlich höher als erwartet. Droht die EZB mit ihrer abwartenden Haltung die Preisstabilität aus den Augen zu verlieren?
Jean-Claude Juncker: Erstens: Ich kommentiere die Geldpolitik der EZB nicht. Zweitens: Es gibt ein erkennbares Dilemma, sowohl für die Geldpolitik als auch für die Wirtschaftspolitik, nämlich einerseits auf Preisstabilität zu achten und andererseits mögliche Einflüsse zu vermeiden, die zu einer konjunkturellen Verlangsamung führen. Die Risiken - steigende Ölpreise, die nicht ausgestandene amerikanische Hypothekenkrise, ein global langsameres Wachstum und potenzielle Zweitrundeneffekte bei den Löhnen - sind bekannt. Die EZB muss aus diesen Elementen heraus ihre Geldpolitik gestalten, und das ist kein einfaches Unterfangen. Ich stimme der EZB, wie diese die Zinspolitik steuert, zu.
Börsenzeitung: Für die Finanzkrise ist noch kein Ende absehbar. Die großen Notenbanken, darunter Fed, EZB und Bank von England, haben zuletzt in einer seltenen konzertierten Aktion erneut Milliarden in die Märkte gepumpt, um die Liquidität der Banken zum Jahresultimo zu sichern. Begehen die Notenbanken nicht den Fehler, die Finanzkrise, die billiges Zentralbankgeld in den USA ausgelöst hat, künstlich zu verlängern?
Jean-Claude Juncker: Ich bin der Auffassung, dass die konzertierten Notenbankaktionen im Sommer und auch aktuell die richtige Antwort auf die Vertrauenskrise der Banken sind. Ich glaube nicht, dass man den Notenbanken, auch der EZB, heute oder in Zukunft vorwerfen kann, sie würden Unvorsicht belohnen und Untugendhaften Trostpreise verteilen. Die Notenbanken handeln im Interesse der gesamten Finanzmärkte. Täten sie dies nicht, wäre die Krise deutlich ausgeprägter.
Börsenzeitung: Wann rechnen Sie mit dem Ende der Turbulenzen?
Jean-Claude Juncker: Da befinden wir uns im Reich der Mutmaßungen. Ich gehe davon aus, dass die Krise uns noch ein gutes Stück im Jahr 2008 begleiten wird.
Börsenzeitung: Auguren wie der Internationale Währungsfonds schrauben bereits die Konjunkturerwartungen für die Währungsunion 2008 zurück. Wie hoch wird das Wachstum in Euroland im nächsten Jahr sein?
Jean-Claude Juncker: Ich sehe es dort, wo die Kommission (2,2% d. R.) es festgemacht hat.
Börsenzeitung: Wie groß ist die Gefahr, dass Frankreich bei schwächerem Wachstum erneut in ein Defizitverfahren schlittert?
Jean-Claude Juncker: Wir haben die Regierung in Paris wiederholt darauf aufmerksam gemacht, dass die französische Haushaltslage Einsparungen zwingend erforderlich macht. Ich habe Grund davon auszugehen, dass diese Botschaft in Paris angekommen ist.
Börsenzeitung: Eine Frühwarnung an Paris ist also nicht nötig? Als Präzedenzfall hätte dies doch erhebliche Wirkung nach außen...
Jean-Claude Juncker: ... das ist Sache der Kommission und nicht des Rates. Aber Frankreich kennt das Instrumentarium, das die Europäische Kommission zur Verfügung hat.
Börsenzeitung: Sie stehen jetzt drei Jahre an der Spitze der Währungsunion. Was hat sich in dieser Zeit geändert?
Jean-Claude Juncker: Es hat sich vor allem die Gesprächsatmosphäre zwischen den Euro-Finanzministern verbessert. Heute wird intensiver und manchmal auch forscher miteinander debattiert als noch zu Zeiten des rotierenden Vorsitzes. Die Kollegen tauschen sich aus, weil sie sich auf die Diskretion der anderen verlassen können. Es passiert nicht mehr, dass ein Finanzminister aus der Zeitung erfährt, was ein Kollege in einem anderen Land auf den Weg gebracht hat.
Börsenzeitung: Und der Dialog mit der EZB?
Jean-Claude Juncker: Präsident Jean-Claude Trichet mischt sich sehr intensiv in die Gespräche der Euro-Gruppe ein. Ich selbst habe sehr häufige Kontakte mit ihm und nehme regelmäßig an den EZB-Tagungen in Frankfurt teil. Unsere China-Reise hat gezeigt, dass wir auch in der Außenvertretung langsame Fortschritte machen. Hier muss sich aber die Macht des Faktischen einfach eines Tages für alle erkennbar durchsetzen.
Börsenzeitung: Wo ist noch Handlungsbedarf?
Jean-Claude Juncker: Als Defizit erkenne ich, dass wir uns mit der Verbindlichkeit unserer Mehrjahresabstimmung auf Ebene der Eurozone noch schwertun. Wenn ich heute beschreiben müsste, wie in etwa die Haushaltslage in Euroland in vier bis fünf Jahren aussieht, dann müsste ich mich darauf verlassen, dass alle den Zielkorridor, den wir verabredet haben, auch einhalten. Da habe ich Zweifel.
Börsenzeitung: Ende nächsten Jahres steht der Wechsel an der Spitze der Euro-Gruppe bevor. Sie haben als einer der Väter des Maastrichter Vertrags die Gruppe als Routinier übernommen, aber als Luxemburger auch ohne echte Hausmacht. War das für Sie ein Handicap?
Jean-Claude Juncker: Ich glaube, die Bedeutung von Hausmächten hat in der Euro-Realität stark abgenommen. Wichtiger sind die Anerkennung und der Respekt der Kollegen.
Börsenzeitung: Trotzdem: Sollte der nächste Euro-Präsident nicht besser aus einem großen Land stammen, um per se mehr Schlagkraft, auch international, mitzubringen?
Jean-Claude Juncker: Ich habe, Hausmacht hin oder her, nie Probleme gehabt, Termine beim amerikanischen, japanischen oder chinesischen Finanzminister zu bekommen. Ich habe keine Probleme, mich mit dem amerikanischen Präsidenten in direkter Rede zu unterhalten. Das haben die wenigsten Finanzminister.
Börsenzeitung: Da wir beim Vorsitz europäischer Institutionen sind: Anfang 2009 tritt, wenn alles gut geht, der europäische Grundlagenvertrag in Kraft. Dann sind in der EU auf einen Schlag drei Spitzenposten - der Präsident des Europäischen Rates, der Chef der Brüsseler Kommission, der Hohe Repräsentant für die Außenpolitik - zu vergeben. Wie muss man sich, insbesondere zwischen Kommissionspräsident und Ratsvorsitz, den Auftritt der EU auf internationaler Bühne vorstellen?
Jean-Claude Juncker: Der Reformvertrag bringt hier nicht die Klarheit, die eigentlich nötig ist. Der slowenische Ratsvorsitz ist beauftragt, bis zum Juni-Gipfel 2008 die Spielregeln für das Zusammenwirken der verschiedenen Funktionsträger zu erarbeiten. Dies muss geklärt sein, bevor es an die personelle Besetzung geht. Ansonsten droht Europa ein stupider, höchst überflüssiger Guerilla-Krieg zwischen den einzelnen Amtsträgern. Und das wäre bedauerlich.
Börsenzeitung: Für den Präsidenten des Europäischen Rates werden bereits Namen gehandelt. Als heißester Anwärter gelten Sie. Haben Sie Interesse...?
Jean-Claude Juncker: ... erstaunlich, wenn man keine Hausmacht hat. Zuerst aber muss der Vertrag ratifiziert und das funktionale Tableau geklärt werden. Ich halte es für verfrüht, sich an Spekulationen zu beteiligen, zumal, wenn sie einen selbst betreffen.
Börsenzeitung: Auch hier die Frage: Sollte der erste Präsident des Europäischen Rates besser aus einem kleinen oder großen Land kommen?
Jean-Claude Juncker: Eine Funktion ist nur so stark, wie die Person ist, die sie bekleidet. Einflussreiche Personen gibt es nicht nur in großen Flächenstaaten.
Börsenzeitung: Die EU hat auf dem Gipfel in Brüssel eine Erklärung zur Globalisierung verabschiedet. Darin fordert Europa die wichtigsten Handelspartner auf, die Märkte stärker zu öffnen, und zwar zu gegenseitigem Vorteil. Kann man aus dieser Reziprozität im Umkehrschluss ableiten, dass, wenn Staaten wie China der Aufforderung nicht Folge leisten, sich die EU ihrerseits abschottet?
Jean-Claude Juncker: Ich habe in Peking alle Gesprächspartner, auch den chinesischen Premierminister, darauf hingewiesen, dass, wenn es nicht zu einer Marktöffnung und zu einer eurofreundlicheren Umorientierung der chinesischen Wechselkurspolitik kommt, dann protektionistische Stimmen in Europa immer hörbarer werden. Der Hinweis des Gipfels, dass wir von anderen mehr Entgegenkommen in Sachen Marktöffnung erwarten, wird diesen Eindruck in Peking bestärken.
Börsenzeitung: In diesen Kontext fällt auch der Berliner Vorstoß, Schlüsselindustrien in Europa vor ausländischen Staatsfonds stärker zu schützen. Die Bundesregierung will national das Außenwirtschaftsgesetz verschärfen. Muss auch die EU mit gesetzlichen Maßnahmen reagieren?
Jean-Claude Juncker: Das ist keine Frage, die nur die Eurozone betrifft, sondern die gesamte EU. Ich beobachte mit sehr viel Sympathie, was sich ordnungspolitisch in Berlin tut, und halte dies auch für einen gesamteuropäisch gangbaren Weg. Allerdings weiß ich, dass einige dies sehr misstrauisch beäugen. Trotzdem: Europa kann sich für strategische Sektoren nicht bedingungslos öffnen, wenn umgekehrt europäische Investoren in Staaten, in denen die Fonds beheimatet sind, ausgesperrt bleiben. Ich halte dies für eine absolut nachvollziehbare, weil im Kern richtige Politik.
Börsenzeitung: Wie aber soll das geschehen? Sehen Sie nicht die Gefahr, dass die Grundprinzipien des gemeinsamen Marktes mit freiem Kapitalverkehr und Niederlassungsfreiheit unterlaufen werden?
Jean-Claude Juncker: Ich sehe die Reibungsflächen, die hier aufeinanderstoßen. Ich sehe aber auch die Nachteile einer Nichtregelung. Man wird versuchen müssen, eine europäische Gesetzgebung so hinzubekommen, dass sie binnenmarktkonform ist.
Börsenzeitung: Noch mal zurück zur Euro-Gruppe. Sie haben dort verschiedene Male über Lohnentwicklung und soziale Gerechtigkeit beraten. In Deutschland ist eine Diskussion entbrannt, die Managergehälter zu kappen. Muss der Gesetzgeber tätig werden?
Jean-Claude Juncker: Ich habe von jeher ein Problem mit überzogenen Managergehältern und vor allem mit unerträglich hohen Abfindungssummen. Ich sehe, und das ist die aktuelle Diskussion in der Euro-Gruppe, eine Gerechtigkeitslücke, die sich zunehmend verbreitert, zwischen der Lohnzurückhaltung, die wir von den einfachen Arbeitnehmern verlangen, einerseits und der Einkommensentwicklung auf den Manageretagen andererseits. Wir denken in der Euro-Gruppe darüber nach, ob wir auf europäischer Ebene gesetzgeberisch tätig werden sollten. Das ist technisch schwierig, und mir wäre es lieber, die Manager einigten sich auf einen Ehrenkodex, der überprüfbar zur Anwendung kommt. Sollte es aber nicht zur Selbstverpflichtung kommen, wird man über den Gesetzesweg handeln müssen.
Börsenzeitung: Gehen wir zum unteren Ende der Lohnskala. Deutschland hat für den Postsektor den Mindestlohn verabschiedet. Die Diskussion zielt nun auf andere Sektoren. Hat Deutschland mit dem Mindestlohn den richtigen Weg eingeschlagen?
Jean-Claude Juncker: Franzosen, Niederländern, Belgiern, Luxemburgern und vielen anderen kommt die deutsche Debatte manchmal etwas gespenstisch vor, weil wir alle einen Mindestlohn haben. Auch der mittelständische Teil der Wirtschaft hat sich an die staatliche Lohnvorgabe gewöhnt. Das hat nicht dazu geführt, dass es eine Rückentwicklung der Gesamtbeschäftigungslage gegeben hat. Im Gegenteil. In Luxemburg wächst die Beschäftigung im Schnitt jährlich um 2 bis 3%, und wir haben den höchsten Mindestlohn in der gesamten Europäischen Union.
Börsenzeitung: Wäre für mehr soziale Gerechtigkeit ein europäischer Mindestlohn die Antwort?
Jean-Claude Juncker: Ich plädiere seit längerem dafür, im Rahmen eines Mindestsockels von Arbeitnehmerrechten auch die Frage des Mindestlohns so zu behandeln, dass jedes Land in der Europäischen Union diesen verbindlich akzeptiert. Aber es bleibt Sache der Tarifparteien in den einzelnen Staaten, den Mindestlohn festzulegen.
Börsenzeitung: Eine Frage zum Schluss: Sie haben 2006 den Aachener Karlspreis für Ihre Verdienste um Europa erhalten. 2008 bekommt die deutsche Kanzlerin Angela Merkel den renommierten Europa-Preis. Wann ist Nicolas Sarkozy an der Reihe?
Jean-Claude Juncker: Ich bin nicht Mitglied des Kuratoriums.