"Es ist nicht zu spät". Jean Asselborn au sujet du déplacement du président américain George W. Bush au Proche-Orient

Elke Durak: Heute bricht der amerikanische Präsident zu einer mehrtägigen Nahostreise auf, von der es im Vorfeld aus dem Weißen Haus hieß: Es werde kein Treffen zwischen Israelis und Palästinensern geben, keines mit der Hamas und auch keine konkreten Zugeständnisse von irgendeiner Seite. Man wolle keine Schlagzeilen machen, hieß es. Die Frage ist: Was will Bush dann dort? Nun reißt der Präsident nicht nur nach Israel und in die Palästinensergebiete, zum ersten Mal übrigens, entgegen seiner bisherigen Überzeugung durch einen solchen Besuch nicht so sehr in den Konflikt hineingezogen zu werden. Bush besucht auch Kuwait, Bahrain, Abu Dhabi, Saudi-Arabien und Ägypten. Bleiben wir beim Naheliegenden, dem Besuch bei den Israelis und den Palästinensern. Was will Bush also plötzlich dort? Und die Frage gebe ich weiter an Jean Asselborn. Er ist Außenminister und Vizepremier von Luxemburg. Guten Morgen, Herr Asselborn!

Jean Asselborn: Guten Morgen, Madame Durak!

Elke Durak: Was will Bush dort? Was denken Sie?

Jean Asselborn: Ja, Madame Durak, es gibt ja viele negative Entwicklungen auf der Welt. Denken Sie an Pakistan und Kenia. Manchmal darf man auch ein wenig Optimist sein und das Positive in diesem Friedensprozess zwischen Israel und Palästina trotzdem hervorheben. Ob das sein soll, als Journalist jetzt, was Ihre Frage angeht, oder sein muss, wenn man als Außenminister redet in der Europäischen Union. Ich jedenfalls versuche, trotzdem nicht auf der Seite derer zu stehen, die nur das Negative versprühen. Was Bush da will? Gut. Zuerst: Es ist das Vermächtnis von Präsident Bush, sieben Jahre ist er jetzt im Amt. Irak hat seine Periode geprägt. Ich glaube auch, die größten Freunde von Bush sehen das global gesehen kaum als erbaulich an. Zweitens aber auch, und das ist das Allerwichtigste, ist trotzdem in der politischen Mentalität in den USA eingesehen worden, dass der Kampf gegen den Terrorismus andere Dimensionen hat als die Zusammenarbeit der Sicherheitsdienste oder digitale Pässe ausstellen oder die militärische Ebene. Politisch gesehen ist der Friedensprozess, ist der Streit zwischen Israelis und Palästinensern eine Wurzel des Übels. Und da muss man anpacken. Und dass er das jetzt macht, sehe ich trotzdem, im Prinzip jedenfalls, als etwas Positives an.

Elke Durak: Für Bush sei es jetzt zu spät, über den Frieden zu sprechen, hat Syriens Präsident Assad gesagt. Das kann ja sein für Bush, aber doch nicht für die anderen Beteiligten, oder?

Jean Asselborn: Nein, Abbas ist wirklich seit zehn Jahren der erste Präsident, der im palästinensischen Gebiet ist. In diese Sache muss man ja Vertrauen schenken, wenn er sagt, es ist eine historische Reise. Es ist eine Reise, die Kapital sein kann für den Friedensprozess. Wenn Präsident Bush es fertig brächte, dass der Siedlungsstopp akzeptiert werden könnte von den Israelis, wäre das schon ein großer Fortschritt. Sie wissen, das ist eine Entwicklung, die wirklich blockiert. 270.000 Israelis leben in der Westbank. 200.000 leben in den zwölf Bezirken Ostjerusalems. Präsident Abbas hat Jassir Rabbo nach Washington geschickt und dass Pression auf Israel gemacht wird, um diese Siedlungspolitik einzudämmen, um auch die Barrieren, die Hürden, abzubauen in der Westbank. Auch mit Gaza, das ist ja auch eine Frage, die Tony Blair ganz oben auf seine Prioritätsliste gestellt hat im Namen des Quartetts. Es ist nicht zu spät. Es kann nicht zu spät sein. Dieser Konflikt ist 60 Jahre alt. Es ist, glaube ich, selbstverständlich für einen amerikanischen Präsidenten, der ein Freund Israels ist, reichlich spät, wo er kommt, aber es ist nicht zu spät.

Elke Durak: War es denn falsch, solange nicht direkt dorthin zu fahren? Immerhin hat ja Clinton mit den Shakehands, den berühmten, zwar nicht vor Ort, aber doch die beiden Kontrahenten zusammengebracht, einiges wenigstens symbolisch erreicht. War es falsch, von Bush so lange nicht dorthin zu fahren?

Jean Asselborn: Ich glaube, die Frage, die Sie journalistisch ganz klar stellen, will ich auch politisch ganz klar beantworten mit Ja. Allerdings zu spät, ich wiederhole das noch einmal, ist es nicht. Amerika hat jetzt Verantwortung übernommen in Annapolis. Wenn das schlecht läuft, ist das ein Debakel selbstverständlich für die USA, aber darüber hinaus ein Debakel für die ganze internationale Gemeinschaft. Vieles auf dieser Welt hängt am Friedensprozess zwischen den Palästinensern und den Israelis. Und wir müssen alle mitwirken, auch die Europäische Union, damit wir diesen Prozess wieder in den Griff bekommen, nach sieben Jahren, wo der jetzt eingeschlafen war.

Elke Durak: Hat der Präsident der USA genug Unterstützung durch die Europäer gehabt?

Jean Asselborn: Ich glaube, wenn man an Europa denkt im Zusammenhang mit dem Friedensprozess, denkt man an Geld. Wir haben effektiv 1,5 Milliarden Dollar in Paris gegeben. Das ist mehr als ein Fünftel der Summe, die für 2008 zusammengekommen ist. Das ist sehr, sehr viel. Wir sind allerdings nicht nur, und wir dürfen nicht nur ein Geldgeber sein. Wir sind ein Freund der Israelis, und wir sind ein Freund der Palästinenser. Das wissen die Amerikaner. Das weiß Bush. Das wissen aber auch, glaube ich, die beiden Seiten. Wir müssen den Israelis ganz genau sagen, speziell auch von den Ländern, die eben eine Last der Geschichte zu tragen haben, dass Israel zwar noch keinen Krieg verloren hat seit Ende des Zweiten Weltkrieges, aber gesehen hat, glaube ich, spätestens im Sommer 2006, dass sein Überleben nicht auf militärischer Ebene zu sichern ist. Und die EU hat auch auf derselben Ebene die Aufgabe, den Palästinensern zu sagen, dass Gewalt außer Gegengewalt überhaupt nichts Positives bewirkt. Und Bush weiß ganz genau, dass ohne Europa, ohne das Mitwirken Europas, auch wenn Europa jetzt im Quartett, wo es ja vertreten ist, irgendwie auf den zweiten Rang zurückgestellt wurde, weil Amerika die Verantwortung übernommen hat. Ich sage noch einmal: Verantwortung übernehmen, heißt natürlich auch, eine sehr große Last auf seinen Schultern haben. Aber Amerika allein wird das nicht schaffen. Da muss die Europäische Union, und sie bleibt mit der Last seiner Geschichte vor allem, ich sage es noch einmal, ein kapitaler Partner für beide Seiten, der unverzichtbar ist in den nächsten Monaten.

Elke Durak: Herr Asselborn, das ursprüngliche Ziel des amerikanischen Präsidenten im Nahen Osten, also nicht nur zwischen Palästinensern und Israelis, sondern weit darüber hinaus, war ja, Frieden durch Demokratisierung zu schaffen, im Zweifel allerdings auch mit Gewalt. Woran ist das gescheitert?

Jean Asselborn: Ja, Demokratie. Man kann das auf zwei Ebenen schauen. Eine Demokratie ohne Wahlen besteht ja nicht. Das wissen wir seit der Französischen Revolution, den ganzen Entwicklungen, mit einigen Ausnahmen, die wir kennen. Nun wissen wir ja auch, dass in Palästina Wahlen waren. Und bei diesen Wahlen 2006 hat Hamas gewonnen. Nun, Hamas hat Israel nie anerkannt, will auch Israel nicht anerkennen. Und Sie wissen, welche Blockade dann aufgebaut wurde, zu Recht oder Unrecht, dies soll man nicht diskutieren. Aber die Europäische Union konnte, und da bin ich auch fest von überzeugt, dass das richtig war, keinen anderen Weg einschlagen. Ägypten, wenn morgen Wahlen wären, wissen wir, dass die Moslembrothers die Macht ergreifen könnten. Darum, da müssen die Amerikaner noch ein wenig an ihren Rädern auch vielleicht drehen, dass die Überlebensgrundlage, oder sagen wir, dass die Lebensgrundlage des Systems Demokratie Funktion des Anspruches des Menschen ist, auf Dignität, auf Würde, in Würde leben zu können. Wenn das nicht ist, werden Wahlen immer instrumentalisiert und führen in die falsche Richtung.

Und man kann auch als eine zweite Ebene sagen, dass wirklich, wenn sie den Iran jetzt einbauen in das ganze Gefüge, kann man davon ausgehen, dass eine positive Seite der negativen Entwicklung im Iran bewirkt, dass Palästinenser und Araber sich viel mehr solidarisieren, und dass beide Seiten oder beide Parteien mit den Israelis zusammen eigentlich die Notwendigkeit einer Einigung einsehen unter dem massiven indirekten Druck, wenn ich so sagen darf, auf politischer Ebene des Irans.

Elke Durak: Jean Asselborn, Außenminister und Vizepremier von Luxemburg. Herr Asselborn, besten Dank für das Gespräch!

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