„Es geht nicht nur ums Auto". Lucien Lux au sujet d'une politique climatique efficace

Luxemburger Wort: War es ein weiter Weg vom engagierten Sozialpolitiker zum überzeugten Umweltpolitiker?

Lucien Lux: Auf den ersten Blick mag man annehmen, dass beide Bereiche wenig miteinander zu tun haben. Und doch, allein schon durch das in der heutigen Politikgestaltung so wichtige Prinzip der Nachhaltigkeit muss das Ökologische mit dem Sozialen und dem Wirtschaftlichen verknüpft werden. Über diese allgemeine, abstrakte Feststellung hinaus sehe ich eine große Parallele zwischen der Sozialpolitik und der Umweltpolitik: So wie die damalige Generation vor 100 Jahren für ein angemessenes soziales Sicherungsnetz gekämpft hat, muss sich die heutige Gesellschaft für eine effiziente energie- und klimapolitische Versicherung einsetzen. Die Sicherung des Planeten Erde vor den großen Gefahren, insbesondere im Zusammenhang mit dem Klimawandel, muss der Leitfaden unseres Handelns sein.

Luxemburger Wort: Einen Beliebtheitspreis darf man aber nicht erwarten, wenn man an lieb gewonnenen Gewohnheiten rüttelt und den Bürgern ins Portemonnaie greift.

Lucien Lux: Das stimmt. Es ist gewiss eine schwierige Sache, wenn man einen während Jahren und Jahrzehnten gültigen Lebenswandel konsequent und kontinuierlich in Frage stellt. Das nervt natürlich eine Reihe von Leuten. Aber ich kann Sie beruhigen: Mir geht es nicht darum, irgendjemanden zu piesacken. Mir geht es einzig und allein darum, dass wir die Umweltpolitik gemeinsam als eine positive Herausforderung annehmen und uns eine neue Lebensqualität aneignen.

Luxemburger Wort: Eine neue Lebensqualität ohne Auto ...

Lucien Lux: ... es geht doch nicht nur ums Auto. Und es geht nicht darum, den Individualverkehr gegen den öffentlichen Transport auszuspielen ...

Luxemburger Wort: ... wobei man bisweilen den Eindruck gewinnen kann, als ob der öffentliche Transport gefördert und die Autofahrer gefordert würden ...

Lucien Lux: ... und der Ausbau sowie die Verbesserung des Angebotes im öffentlichen Transport und auch die Förderung der sogenannten sanften Mobilität sowohl einer klimapolitischen als auch einer verkehrspolitischen Notwendigkeit entspringen. Sind wir uns eigentlich bewusst, dass 40 Prozent der Fahrten, die mit dem Auto zurückgelegt werden, über weniger als anderthalb Kilometer führen?

Luxemburger Wort: Fakt ist aber, dass die Autosteuer und besonders die Art der Umsetzung wenig Freude und viel Frust bereitet hat?

Lucien Lux: Ich gebe zu, dass die Informationsarbeit lückenhaft gewesen ist. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Anpassung der Autosteuer notwendig war. Rein finanzpolitisch gesehen war die Autosteuer in den zurückliegenden 24 Jahren vergessen und nicht mehr angepasst worden. Und dann mussten wir uns dem Umstand stellen, dass Luxemburg mit einem Durchschnittswert von 170 Gramm CO2 je Kilometer dem Spitzenpeloton der Emissionssünder angehört. Es gab also sehr wohl Handlungsbedarf.

Luxemburger Wort: Kritiker hielten Ihnen vor, mit der Autosteuer den Verbrauch nicht zu berücksichtigen.

Lucien Lux: Und das ist falsch. Das Konzept der Regierung besteht aus drei Elementen: die Autosteuer mit einer ökologischen Bemessungsgrundlage, der sogenannte Kioto-Cent, mit dem der Konsum in Rechnung gestellt wird, und die 750-Prämie als Anreiz, schadstoffarme Autos zu erwerben. Die ersten Ergebnisse lassen darauf schließen, dass unsere Politik ihre Früchte trägt: Das Segment der kleinen Autos nimmt nämlich zu.

Luxemburger Wort: Nun kommt als nächstes die Abschaffung der Steuervorteile bei Geschäftswagen. Beim ersten Versuch zum Jahresende 2007 war es nicht so gut gelaufen.

Lucien Lux: Das prinzipielle Einverständnis der betroffenen Akteure liegt jetzt aber vor. Man kann auch nicht einerseits den CO2-Emissionen den Kampf ansagen und andererseits das Verursacherprinzip durch steuerliche Ausnahmen aushebeln. Mit dieser Maßnahme wird der Kioto-Fonds mit weiteren vier bis fünf Millionen Euro gespeist. Es sei daran erinnert, dass der Verkehrsbereich für 54 Prozent der Emissionen verantwortlich ist. Da bedarf es eines gut durchdachten Gesamtkonzeptes, um gegenzusteuern.

Luxemburger Wort: Um beim Automobil zu bleiben: Kann Luxemburg mit der Biosprit-Regelung der Europäischen Kommission leben?

Lucien Lux: Ich warne eindringlich davor, von einem Extrem ins andere zu verfallen. Die Bestimmung der Zehn-Prozent-Beimischung ist ein Stück im Brüsseler Klimapuzzle. Wir sollten uns jetzt erst einmal über die Kriterien für Bio- bzw. Agrotreibstoff eins werden. Um wieviel mehr muss Agrosprit gegenüber herkömmlichem Kraftstoff zu CO2-Einsparungen führen? Wie sieht es mit sozialen Standards und dem Respekt der ILO-Konventionen in den Anbaugebieten von Energiepflanzen aus? Wir wollen die Diskussion abwarten, nehmen als luxemburgische Regierung aber eine skeptische Haltung ein.

Luxemburger Wort: Bei der Frühjahrsmesse wurde für die Tram und ihre Trasse geworben. Wie sicher ist die Verwirklichung des Projekts diesmal?

Lucien Lux: Sollte es uns noch einmal nicht gelingen, eine Tram zu bekommen, dann hat die Politik in Luxemburg definitiv den Norden verloren. Ich bin aber felsenfest davon überzeugt, dass das Projekt nicht mehr von den Schienen genommen wird, und dass es diesmal in die richtige Richtung geht. Was andere Städte längst hinbekommen haben, sollte Luxemburg auch gelingen. Das Plus an Lebensqualität ist dort, wo die Tram eine Renaissance erlebt hat, deutlich erkennbar. Wir müssen eines wissen: Allein mit dem Auto meistern wir eine stetige wachsende Einwohner- und Pendlerzahl nicht. Und täglich drei Stunden Stau sind wahrlich kein Standortvorteil.

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