Jean Asselborn au sujet du référendum irlandais sur le traité de Lisbonne

Deutschlandfunk: Soweit der Bericht von Doris Simon. Um 7 Uhr 20 begrüße ich am Telefon Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn, den Gastgeber des Ministerrates. Guten Morgen Herr Asselborn.

Jean Asselborn: Guten Morgen Herr Sprenger.

Deutschlandfunk: Wird es die Parole sein heute in Luxemburg, erst einmal in allen anderen 26 EU-Staaten den Vertrag ratifizieren und dann am Ende des Jahres kucken wir mal weiter?

Jean Asselborn: Also zuerst eine kleine Korrektur. Ich mache das nicht gerne, aber Luxemburg ist nicht das kleinste Land in der Europäischen Union, das ist Malta.

Deutschlandfunk: Entschuldigung. Da hatte ich die Erweiterung vergessen. Es war es mal.

Jean Asselborn: Ok Herr Sprenger. Also zuerst: wir werden in Luxemburg keine Zauberformel finden, auch nicht in Brüssel am Ende der Woche, sondern wir müssen uns jetzt um einen Prozess bemühen um aus der Situation herauszukommen. Dazu gehört, wie Sie sagen, dass wir in allen Ländern die Prozedur, die Ratifizierungsprozedur, weiterführen, aber mit dem Ziel, Lissabon in Kraft treten zu lassen. Dieser Wille muss ein politischer Wille sein, es muss eine politische Solidarität der 27 Mitgliedsstaaten bestehen -- nicht nur von 26 Ländern oder weniger, sondern von 27. Wir müssen auch wissen, dass der Lissabon-Vertrag nun nicht am 1.1.2009 in Kraft treten kann. Es besteht auch die Vorgabe, dass wir kein drittes Mal ratifizieren müssen. All das werden wir in Luxemburg diskutieren.

Deutschlandfunk: Herr Asselborn, nun hat der 27. ja gerade nein gesagt. Zählt das Nein der Iren?

Jean Asselborn: Ja, da möchte ich ganz klar sagen: Das Nein der Iren ist auf derselben Augenhöhe anzusiedeln wie das Nein damals der Franzosen und der Holländer im Jahre 2005. Was die Konsequenz angeht, müssen wir auch den Iren helfen, so wie wir es mit Frankreich und Holland gemacht haben, damit wir wieder zusammen auf eine gemeinsame Schiene kommen.

Deutschlandfunk: Das Nein der Franzosen und der Holländer, das war das Aus für die Verfassung. Ist jetzt das Nein der Iren das Aus für den Vertrag von Lissabon?

Jean Asselborn: Das glaube ich nicht. Wir müssen -- darum sind wir ja heute und auch Ende der Woche zusammen – mit den Iren reden. Die Iren werden uns heute bestimmt nicht sagen können, was sie wollen oder was für sie notwendig ist. Aber man könnte zum Beispiel anfangen Ansätze aufzubauen, um eine Erklärung für Irland aufzustellen. Man müsste erklären, dass sich die Europäische Union in Sachen Abtreibung zum Beispiel, nicht einmischt, dass sie die Neutralität Irlands respektiert, dass in Fiskalfragen weiterhin die Einstimmigkeit bestehen wird. All das sind Elemente wo wir für Irland und für die irische Bevölkerung, wie ich glaube, eine Erklärung abgeben können. Dann kommt natürlich die Frage, ob und wann es möglich ist, ein zweites Referendum in Irland zu organisieren. Sie wissen, dass in Dänemark und Irland schon einmal eine ähnliche Situation bestand und damals waren zwischen 18 und 24 Monate zwischen dem ersten und dem zweiten Votum.

Deutschlandfunk: Also Sie sagen, wir machen jetzt nicht einfach weiter so als wäre nichts geschehen, sondern Sie sind durchaus bereit Zugeständnisse den Iren zu machen, den Vertrag möglicherweise zu ändern oder Zusätze da hinzuzufügen?

Jean Asselborn: Nein, Herr Sprenger das habe ich so nicht gesagt. Ich habe gesagt, wir sind bereit eine Erklärung aufzubauen; eine Erklärung, die man in allen Staaten selbstverständlich dann auch zur Kenntnis bringt. Aber wir können nicht zu einem weiteren Ratifikationsprozess kommen. Das müssen wir vermeiden und ich glaube das verstehen auch die Irländer. Aber eine Erklärung über sehr sensible Fragen, die die irische Bevölkerung vielleicht am meisten bewegt, wo wir Garantien geben können, ist möglich.

Deutschlandfunk: Müsste man nicht aus dieser Abstimmungsniederlage in Irland den Schluss ziehen, dass man in Europa so nicht weiterkommen kann?

Jean Asselborn: Herr Sprenger, wir sind ja wieder in einer Krise, das stimmt. Das ist weniger eine Krise der Institutionen. Aber was schlimm ist für mich, ist, dass dieses Stocken wieder eintritt, diese Stehen bleiben, dieses sich mit sich selbst beschäftigen. Und das gerade in einer Zeit wo die Energiepreise hoch sind, wo die Lebensmittelpreise hoch sind, wo wir strategische Positionierungen von der Europäischen Union brauchen, nachdem Russland, nachdem Amerika am Ende des Jahres neu aufgestellt ist... In Brüssel sollen vielleicht am Donnerstag, wie ich gehört habe, hunderttausende Menschen demonstrieren. Die werden nicht demonstrieren für den Lissabonner Vertrag, sondern die werden demonstrieren für Antworten der Europäischen Union auf die großen Fragen die sie sich im täglichen Leben der Menschen in Europa jetzt stellen und das ist genau der Punkt. Ich glaube Europa kann es sich nicht leisten, jetzt wieder in der Ecke zu stehen und sich wieder 2-3 Jahre mit sich selbst zu beschäftigen. Die Welt wird nicht auf Europa warten. Da muss es zügig gehen. Ideal wäre es natürlich, wenn wir es fertig brächten, vor den Europaparlamentswahlen im Juni 2009 mit den Iren wieder auf eine gemeinsame Linie zu kommen. Ich weiß, dass das sehr schwierig ist, aber wenn das nicht der Fall ist, sind wir wieder bei Nizza und dann haben wir 2 Probleme. Das erste Problem ist die Zahl der Europaparlamentarier, die jetzt bei 736 ist, und die Zahl der Kommissare. Die Zahl der Kommissare, nach Nizza, muss im Jahre 2009, wenn Nizza noch immer in Kraft ist, weniger sein, die Zahl muss kleiner sein als die Zahl der Mitgliedstaaten.

Deutschlandfunk: Herr Asselborn, ich verstehe das schon was Sie sagen, Sie sagen Europa muss zügig vorangehen, wir können es uns nicht leisten, aber es ist doch offenkundig so, dass die Völker da nicht mitmachen wollen.

Jean Asselborn: Das kann man generell nicht sagen. Wenn Sie sich z.B. Osteuropa ansehen: Da sind die Völker alle für viel mehr Integration in die Europäische Union und dabei haben wir einige Regierungen in Osteuropa die skeptischer sind, während hier im Westen die Regierungen wie die Parlament ja alle, pro europäische, pro Integration eingestellt sind. Aber es gibt eine gewisse Skepsis in der Bevölkerung. Aber wissen Sie: mit dem Referendum, das muss man endlich einsehen, kann man nicht mit der direkten Demokratie ein politisches Gebilde von 500 Millionen regieren, auch nicht regional regieren. Wenn zum Beispiel am Anfang der Europäischen Union in den 50er Jahren, Belgien, Holland und Luxemburg ein Referendum gemacht hätte, mit der Frage ob Deutschland Mitglied der Europäischen Union werden sollte und an einem Tisch mit all den andern Ländern sitzen sollte, wäre der Ausgang bestimmt negativ gewesen. Also Politik muss ja auch führen können. Aber mit dem Instrument des Referendums, das es sehr einfach erlaubt, die Debatte zu verfälschen, mit diesem Instrument kommen wir nicht voran. Das müssen wir einsehen. Das stimmt. Aber gut, man muss jetzt das respektieren was geschehen ist und versuchen herauszukommen.

Deutschlandfunk: Am Deutschlandfunk-Telefon ist Jean Asselborn, der luxemburgische Außenminister. Herr Asselborn das Grundproblem ist doch, dass die EU aus Staaten und aus Völkern besteht, von denen einige offenbar mehr Europa wünschen, wie Sie so voranschreiten wollen und andere offenbar weniger Europa oder es reicht ihnen was wir jetzt haben. Warum soll man nicht die Völker darüber abstimmen lassen, auch über die Konsequenzen? Klar und deutlich, nicht mit so einem verschrobelten Vertrag.

Jean Asselborn: Also ich glaube, dass die Völker und die Regierungen, dass die Parlamente und die Europäer alle wollen, dass wir im 21. Jahrhundert ein Europa haben was strukturiert ist, ein Europa das so aufgestellt ist, dass es mitreden kann auf dem Planeten, weil die Europäer ja Werte zu verteidigen haben, die anders sind als die Werte der Amerikaner, der Russen, der Chinesen. Das ist das Erste. Das Zweite ist, meiner Meinung nach, ganz klar, dass wir jetzt in einer Phase sind, wo wir nicht wieder alles auf den Kopf werfen dürfen. Wir haben uns jetzt seit 2000 mit dieser Verfassung, die ein Vertrag geworden ist, beschäftigt. Diesen Vertrag brauchen wir, damit wir die Strukturen und die Politiken verbessern können und wir müssen jetzt alles unternehmen um den Irländern zu helfen. Vielleicht bringen wir es dann auch fertig in Irland diese Pollution, diese, sagen wir, diesen Populismus der in die Debatte hereingebracht wurde, wieder herauszunehmen. Es wurde ja über alles geredet, nur nicht über Europa in Irland. Da müssen wir es auch fertig bringen, den Irländern wieder zu helfen. Ich will, dass Europa in den nächsten Monaten zu 27 da steht und wir einen Vertrag haben, damit wir besser funktionieren können.

Deutschlandfunk: Dankeschön, das war Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn.