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Jean-Claude Juncker au sujet du Non irlandais au référendum sur le traité de Lisbonne
Jean-Claude Juncker: Guten Morgen.
Alexander Krahe: Sie haben schon manche Krise der Europäischen Union erlebt. Oft ging’s ums Geld, oder ums Kleingedruckte eines Vertrages. Geht es diesmal doch um mehr, um ganz Grundsätzliches?
Jean-Claude Juncker: Es geht diesmal um die grundsätzliche Frage, ob - und das werden wir hier in Brüssel testen müssen - alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die den Lissabonner Vertrag noch nicht ratifiziert haben, dies vor Ende des Jahres tun werden. Und, aufbauend auf der, hoffentlich positiven, Antwort aller wird man versuchen müssen, mit unseren irischen Freunden ein Auskommen zu finden.
Die Iren haben per Referendum Nein gesagt. Es geht jetzt nicht darum, die Iren auf die europäische Ersatzbank zu setzen, es geht darum, gemeinsam mit Irland, einen Weg aus der Krise zu finden.
Alexander Krahe: Die europäische Ersatzbank, damit deuten Sie an, dass es zum Beispiel die Idee eines Kerneuropas gibt, was als Avantgarde vorangeht, die anderen kommen dann hinterher. Aber sehr viel häufiger wird jetzt in den Zeitungen das dänische Modell diskutiert, das bedeuten würde, die Ratifizierung dauert etwas länger, man verhandelt erneut mit den Iren, und man lässt die Menschen dann dort, auf einer anderen Grundlage, vielleicht erneut abstimmen. Mit welcher Haltung gehen Sie in die Gespräche heute? Ist das auch Ihre Idee?
Jean-Claude Juncker: Ich bin bereit, dem irischen Premierminister intensiv zuzuhören. Er wird uns erklären müssen, wieso und weshalb seine Landsleute Nein gesagt haben, zu diesem Vertrag. Und er wird erste Wege aufzeichnen können, wie wir Irland wieder mit ins Schiff kriegen. Welchen Weg wir dann genau einschlagen werden, wird sich mit Sicherheit am Ende des Brüsseler Gipfels nicht sagen lassen.
Wir werden uns diese Frage im Oktober neu stellen, und sie dann auch im Oktober, mit einem Zeitplan in der Hand, endgültig beantworten. Im Übrigen bin ich kein grosser Anhänger dieser Idee des Kerneuropas, mir ist es lieber, wir marschieren gleichgewichtig und mit gleichen Rechten ausgestattet, zu 27 in die europäische Zukunft. Sollte sich allerdings eines ferneren Tages herausstellen, dass sie das nicht alle können, dann müssen die voran schreiten können, die es wollen. Aber meine Idealvorstellung ist das nicht. Avantgardisten sind sehr oft Leute, die nicht wissen, wo sie hinwollen, sie wollen nur als erste da sein.
Alexander Krahe: Bei vielen Bürgern der Europäischen Union hat die Situation jetzt vielleicht einen faden Beigeschmack. Die Menschen haben gesehen: da haben die Iren klar mit Nein gestimmt, zum Lissabonner Reformvertrag, dann wird verhandelt - es gibt also kurze Zeit Sand im Getriebe der Europäischen Union - aber dann wird verhandelt, und schliesslich rollt der europäische Zug doch weiter. Verliert die Europäische Union mit jedem Referendum, was verloren wird, mit jeder Krise dieser Art, ein stückweit Legitimität, ein stückweit Glaubwürdigkeit?
Jean-Claude Juncker: Verlorene Referenden stellen uns vor grosse Schwierigkeiten, lösen aber nicht unbedingt eine andauernde Legitimierungskrise aus. Die Iren hatten ihre guten oder schlechten irischen Gründe; die sind nicht transportabel nach Deutschland, nach Frankreich, nach Belgien oder nach Luxemburg. Man kann von einem negativen Votum in einem Land nicht auf negative Grundhaltungen in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union schliessen.
Wir hatten in Luxemburg im Juli 2005 ein Referendum - ein gewonnenes Referendum - zum europäischen Verfassungsvertrag, und die Luxemburger haben 3-4 Wochen nach den Franzosen und nach den Niederländern Ja gesagt. Es gibt keine Negativ-Automatismen in der Europäischen Union.
Alexander Krahe: Aber es gibt doch zahlreiche, auch prominente, europäische Politiker oder Intellektuelle, die sagen: okay, wenn das gelingt, die Ratifizierung des Lissabon Vertrages - auch mit den Iren zusammen - dann soll man trotzdem hinterher den Weg zu den Bürgern gehen, und sie abstimmen lassen, ein gesamteuropäisches Referendum machen, quasi einen Neustart des Projektes Europa - was ja einmal eine Idee war, die auch positiv besetzt war. Was halten Sie davon?
Jean-Claude Juncker: Im jetzigen Moment nicht sehr viel, weil wir keine Vertragsgrundlage haben, um ein europaweites Referendum abzuhalten. Wir kennen die Regeln nicht, nach denen abgestimmt werden würde. Muss jedes Land zustimmen, oder reicht es, dass es eine Gesamtmehrheit in Europa gibt? Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, dass man, via europaweites Referendum, ein negatives Votum eines Mitgliedstaates der Europäischen Union würde ausheben können.
Ich halte dies für keinen sofort gangbaren Weg; hielt ihn allerdings, falls wir uns die Vertragsgrundlage dazu gäben, für einen denkbaren Weg, damit ein für allemal Klarheit darüber besteht, ob die Europäer mehr oder weniger Europa wollen. Ich möchte mehr.
Alexander Krahe: Ich danke Ihnen für das Gespräch. Jean-Claude Juncker, der luxemburgische Premierminister, vor dem heutigen, europäischen Gipfel in Brüssel.