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"Wir dürfen uns nichts vormachen." Jean Asselborn au sujet du référendum irlandais sur traité de Lisbonne et du Conseil européen
Aachener Zeitung: Herr Minister, haben Sie sich vom irischen Schock erholt?
Jean Asselborn: Das Komische an der ganzen Sache ist, dass bis vor zwei Wochen der Trend in Irland ganz positiv war. Dann hat sich die Stimmung negativ verändert. Der irische Außenminister hat am Montag in Luxemburg gesagt, dass sehr reiche Leute hinter der Kampagne gegen die EU steckten, etwa der Medien-Gigant Murdoch. Den Leuten ist wie so oft bei Referenden Angst gemacht worden, zum Beispiel mit der irischen Neutralität, mit Steuerfragen oder mit einem Thema wie Abtreibung.
Aachener Zeitung: Hätte man im Nachhinein aus EU-Sicht mehr tun müssen, für und in Irland?
Jean Asselborn: Wir hatten immer noch gehofft, dass die Iren schon wissen, was sie tun. Und jede Einwirkung von außen ist in solchen Fragen tödlich. Es gibt keine positive Einwirkung, es gibt nur negative Einwirkungen. Nun sollen die noch ausstehenden Parlamente den Vertrag ratifizieren, und dann stehen die Iren trotzdem noch ratlos da.
Aachener Zeitung: Was müssen die Iren denn jetzt tun?
Jean Asselborn: So einfach ist das nicht überall mit dem Ratifizieren. Wir versuchen ja zu erreichen, dass man bis Ende des Jahres in allen Ländern ratifiziert hat. Es gibt Länder, die jetzt eine klare Aussage machen müssen, wie es mit ihrer Ratifizierung aussieht.
Aachener Zeitung: Wer ist das konkret?
Jean Asselborn: Das ist, wie man vom Präsidenten dort gehört hat, Tschechien. Es ist Polen, der Präsident unterschreibt zurzeit nicht, obwohl das Parlament zugestimmt hat. Dann gibt es Länder, in denen noch eine Diskussion stattfindet, wo es sich aber nach meiner Meinung zum Guten wenden wird: Italien, Spanien, Schweden und Zypern. Das Schwierigste scheint mir zurzeit Tschechien zu sein. Die Einstellung von Präsident Klaus der EU gegenüber ist äußerst negativ, das weiß man. Aber es gibt ja auch eine Regierung und ein Parlament in Tschechien.Und die wissen, was auf dem Spiel steht.
Aachener Zeitung: Bleiben trotzdem immer noch die Iren.
Jean Asselborn: Die Iren werden nicht im Stande sein, jetzt in Brüssel einen Vorschlag zu machen. Das ist zu früh. Aber im Rat im Oktober sollte man sich festlegen. Die Iren müssen selber entscheiden, ob sie ein zweites Referendum machen wollen. Das macht ja nicht die Europäische Union für sie.
Aachener Zeitung: Was kann die EU tun, damit dieses zweite Referendum erfolgreich wird?
Jean Asselborn: Beim Außenministerrat hat Irland gesagt, dass es im Herzen Europas bleiben will. Wir haben gesagt: Es ist nicht nur ein irisches Problem, es ist ein Problem der EU. Das heißt: Solidarität Europas mit Irland, aber auch Solidarität Irlands mit Europa. Also muss Irland klar sagen, wie geholfen werden kann, ohne dass wir an die Substanz des Vertrages gehen. Das ist ganz wichtig! Wir können nicht wieder an die Substanz des Vertrages gehen, sonst würden Länder wie Luxemburg oder Deutschland dreimal ratifizieren. Das ist unmöglich. Und Länder wie Großbritannien bringen das nicht zweimal fertig.
Aachener Zeitung: Die Substanz bleibt unangetastet, aber einige Details nicht?
Jean Asselborn: Nein, nichts wird zur Disposition gestellt, gar nichts, auch keine Einzelheiten. Ich kann mir eine Erklärung der EU vorstellen, um die Argumente, die in Irland Angst verursacht haben, zu entkräften, Dinge, die der Vertrag unberührt lässt. Jede Vertragsänderung würde eine neue Ratifizierung als Konsequenz haben.
Aachener Zeitung: Und der nächste Schritt wäre dann ein neues Referendum in Irland?
Jean Asselborn: Ja, aber das ist Irlands Angelegenheit. Und jetzt geht es um den Zeitplan. Ich glaube nicht, dass wir am 1. Januar 2009 einen neuen Vertrag haben. Eine Option ist die Wahl des Europaparlaments im Juni 2009. Wenn man das nicht schafft, dann sind wir im Nizza-Vertrag.
Aachener Zeitung: Und das führt dann zu welchen Problemen?
Jean Asselborn: Wir haben dann vor allem zwei Probleme zu bewältigen: Erstens die Zahl der Mitglieder des Europaparlaments. Im Nizza-Vertrag sind wir bei 736, im Lissabon-Vertrag bei 751 Mitgliedern. Wenn man sieht, wie Prodi in Italien für einen einzigen Sitz gekämpft hat, dann weiß man, wie wichtig das in manchen Ländern ist. Und dann kommt, zweitens, die Zahl der Kommissare. Nizza sieht weniger als 27 vor. Das heißt, es muss eine Reduktion der Kommission stattfinden. Das muss einstimmig beschlossen werden. Ich wünsche uns eine glückliche Hand dabei.
Aachener Zeitung: Wie war denn die Stimmungslage bei ihrem Außenminister-Treffen?
Jean Asselborn: Oberflächlich-optimistisch. Irland hat gesagt, es will wieder zurück. Wir haben gesagt, wir wollen einenWeg finden, dass alle wieder zusammenkommen. Das ist alles schön. Aber wenn man in die Tiefe geht, sieht man, dass es nicht einfach werden wird. Das wird noch schwieriger als das, was wir 2005 zu bewältigen hatten. Es ist auch nicht einfach, weil Europa in der öffentlichen Meinung nicht angesehen wird als der Schutzschild, den wir einsetzen können, um gegen die negativen Konsequenzen der Globalisierung anzukämpfen. Wir dürfen uns nichts vormachen: Das Ergebnis aus Irland müsste man auch auf andere Länder übertragen, wenn es dort Referenden gäbe.
Aachener Zeitung: Was kann an diesem Freitag in Brüssel überhaupt getan werden?
Jean Asselborn: Es gibt keine Zauberformel. Man muss erstens dafür sorgen, dass es vorangeht und nicht alles stockt, dass nicht vom Tod des Vertrags geredet wird. Zweitens muss die Analyse der Iren auf den Tisch gelegt werden. Drittens müssen die, die nicht ratifiziert haben, sich engagieren. Viertens muss der Wille da sein, keine Denkpause einzulegen und spätestens im Herbst einen Vorschlag zu machen. Dieser Vorschlag muss dann sitzen. Das ist dann ein "one shot", nur ein Schuss. Die Zeitschiene wird von Irland entschieden.
Aachener Zeitung: Es gibt Vorschläge, eine Art Kerneuropa neu zu gründen.Was halten Sie denn davon?
Jean Asselborn: Wir müssen alle Energie konzentrieren, damit wir mit 27 ankommen. Es ist viel zu früh, über irgendetwas Anderes nachzudenken. Dann geben wir ja schon auf. Um das klar zu sagen: Den Begriff Kerneuropa sollte man jetzt nicht in den Mund nehmen.