Jean Asselborn au sujet du Conseil européen

Imke Köhler: Sollen die Iren noch einmal über den EU-Reformvertrag abstimmen? Soll der Vertrag überarbeitet werden, oder soll die EU ohne Irland und andere Skeptiker vorangehen, und eine Art Kerneuropa schaffen?

Diese Optionen liegen auf dem Tisch, und über sie wird seit gestern Abend auf dem EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs in Brüssel gesprochen. Am Telefon der Radiowelt ist dazu jetzt der luxemburgische Aussenminister Jean Asselborn. Guten Morgen, Herr Asselborn.

Jean Asselborn: Guten Morgen, Madame Köhler.

Imke Köhler: Herr Asselborn, Sie haben gestern Abend in der EU-Runde zusammen gesessen. Herrscht denn Krisenstimmung, oder gibt man sich einigermassen zuversichtlich?

Jean Asselborn: Ja, wir sind schon in einer Situation, aus der es nicht so einfach ist, herauszukommen. Sie wissen, dass die Iren gesagt haben: Wir wollen im Herzen Europas bleiben. Die Europäische Union hat bereits in Luxemburg – beim Aussenministertreffen – gesagt, dieses Problem sei nicht nur ein irisches Problem, sondern es sei auch ein europäisches Problem. Aber es ist ein hartes Stück Arbeit um den Weg zu finden.

Imke Köhler: Was erwarten Sie denn dann von diesem Gipfel? Was kann man denn zu diesem Zeitpunkt jetzt schon an Lösungswegen aufzeigen?

Jean Asselborn: Ja, ich glaube dass wir heute Morgen trotzdem zusammenfinden werden, nachdem gestern Abend ja Stunden darüber debattiert wurde, wie auch im Vorfeld.

Erstens glaube ich, dass die Iren -- wenn sie im Herzen Europas bleiben wollen -- uns sagen müssen, welchen Ausweg sie sehen. Es ist nicht an der Europäischen Union den Iren zu sagen, ihr müsst ein zweites Referendum machen. Aber wenn das der einzige Weg ist, dann muss man dem in die Augen sehen. Und um dieses Referendum in Irland zu gewinnen, muss geschaut werden, was die EU machen kann. Wie kann die EU mit Erklärungen, um Ängste wegzunehmen, helfen.

Andererseits wissen wir aber auch, dass wir in der Union mit den Ratifizierungen weiter fahren müssen. Hier besteht in den allermeisten Ländern kein Problem. Einige Länder aber sehen hier grössere Probleme, und die müssen wir heute Morgen auch überwinden. Denn das Ziel in der Union muss schon sein, dass wir bis Ende des Jahres in allen Ländern den Vertrag ratifiziert haben, und wir dann schauen, wie wir den Iren entgegenkommen können.

Wenn wir nicht in allen Ländern ratifizieren, wird die Sache noch viel schwieriger. Ich erinnere auch daran, dass alle Regierungen in Lissabon unterzeichnet haben, dass das also auch eine Verpflichtung ist, der Länder, die Ratifizierung weiterzuführen.

Imke Köhler: Herr Asselborn, Sie haben ein zweites Referendum angesprochen. Wenn stimmt, was in den Zeitungen steht, haben Sie sich selbst dafür ausgesprochen, dass die Iren ein zweites Mal abstimmen. Aber ist das nicht schwierig, das den Wählern zu vermitteln? Könnte das in Irland nicht die Wut auf die Europäische Union noch weiter steigern?

Jean Asselborn: Ja, wir müssen uns gut verstehen. Wenn Irland sagt, wir wollen bei den 27 bleiben, wir wollen zurück kommen zum Lissabonner Vertrag, dann ist es an den Iren zu entscheiden, mit welchem Instrument sie das fertig bringen wollen. Ich sehe realistisch keinen anderen Weg, als dann ein Referendum zu wiederholen. Aber unter den Bedingungen, die wir dann mit den Iren absprechen müssen, damit dieses Referendum auch gewinnbar ist.

Wenn die Iren morgen sagen: „Wir haben einen anderen Weg“, gut, dann müssen wir das selbstverständlich akzeptieren. Aber ich sehe realistisch keinen anderen Weg, als das, was ja schon einmal in der Geschichte geschehen ist, in Dänemark und in Irland: dass einige Zeit danach, ein zweites Referendum unter besseren Bedingungen stattgefunden hat.

Imke Köhler: Wie funktionsfähig wäre denn jetzt die Europäische Union, wenn alle Lösungswege nicht funktionieren, und man tatsächlich auf Grundlage des Nizza-Vertrags weiter arbeiten müsste?

Jean Asselborn: Das ist eine gute Frage. Wir sollten uns als Ziel setzen, dass wir für die Europaparlamentswahlen im Juni 2009, den Lissabonner Vertrag haben. Das ist allerdings ein Ziel, das selbstverständlich anstrebenswert, aber vielleicht auch schwer zu erreichen ist. Wenn das nicht erreicht werden könnte, sind wir bei den Europaparlamentswahlen beim Vertrag von Nizza. Dann gibt es zwei grosse Probleme.

Das erste ist die Reduzierung der Zahl der Kommissare. Dann dürfen nämlich weniger Kommissare in der Kommission sein, als Länder in der Europäischen Union. Man muss also mindestens die Zahl von 27 auf 26 reduzieren. Ich sage „mindestens“ reduzieren.

Imke Köhler: Und dann ist die Frage, wer keinen Kommissar mehr stellen darf?

Jean Asselborn: Genau. Und das muss dann auch einstimmig geschehen.

Und dann auch die Zahl der Europaparlamentarier: die war festgelegt worden bei Lissabon auf 751. Wir sind dann wieder bei Nizza, auf 736, da werden verschiedene Länder nicht froh sein.

Und wir müssen auch wieder hier einen Konsens finden. Das ist also schwierig. Natürlich ist das nicht etwas, was die Leute auf der Strasse, was die Leute zu Hause jetzt bewegt. Das sind viele institutionelle Fragen, und ich hoffe, dass die Union es fertig bringt sich jetzt nicht wieder Monate und Jahre damit zu beschäftigen. Wir haben uns mit anderen Dingen zu beschäftigen, mit der ...

Imke Köhler: Eine andere Sache, Herr Asselborn, da will ich gleich einhaken. Ganz kurz noch von Ihnen, bitte. Sie sprechen nämlich auch über die hohen Öl- und Lebensmittelpreise. Welche Auswege gibt es, die europäische Wirtschaft vor den hohen Ölpreisen zu schützen, beziehungsweise, ein Einknicken des Wirtschaftswachstums zu verhindern?

Jean Asselborn: Es gibt strukturell nur einen einzigen Weg: das ist die Abhängigkeit vom Öl zu reduzieren. Und das kann nicht ein einzelnes Land machen, das können wir nur gemeinsam als Europäische Union machen. Kurzfristig glaube ich, dass es an den nationalen Staaten ist, den Leuten, dir unter den hohen Ölpreisen leiden, zu helfen. Das ist eine Sache, wo ich als Luxemburger glaube, dass die Europäische Union auch einen Impuls geben kann, damit jedes Land der EU sich auch damit beschäftigt.

Imke Köhler: Also, da gibt’s noch ganz viel zu tun. Vielen Dank an den luxemburgischen Aussenminister Jean Asselborn. Vielen Dank für dieses Gespräch heute früh.

Jean Asselborn: Bitte, Madame Köhler.

Imke Köhler: Und viel Erfolg in Brüssel heute.

Jean Asselborn: Danke, danke.