"Ich baue gerne die richtigen Straßen". Claude Wiseler se prononce sur les sujets d'actualité dans le domaine des travaux publics

Télécran: Herr Minister, ihre Ziele zum Amtsantritt waren Funktionalität statt Prunk, Kostenkontrolle statt Kostenexplosion: Konnten Sie diese Vorhaben umsetzen?

Claude Wiseler: Damit massive Budgetüberschreitungen bei staatlichen Bauten verhindert werden und sich die Vorhersehbarkeit der Ausgaben verbessert, habe ich am Anfang dieser Legislaturperiode der Abgeordnetenkammer ein zweistufiges Entscheidungsverfahren vorgeschlagen. In einer ersten Phase unterbreite ich der Abgeordnetenkammer einmal im Jahr eine Liste mit Projekten, für die wir detaillierte Studien in Angriff nehmen wollen. Dabei wird die Notwendigkeit der einzelnen Projekte dokumentiert. Auf dieser Grundlage erbete ich zunächst die prinzipielle Zustimmung für ein Bauprojekt und erst dann werden sämtliche Details ausgearbeitet. Anschließend wird das Finanzierungsgesetz für das einzelne Bauprojekt ausgearbeitet, und zwar nicht wie früher auf der Grundlage eines Vorentwurfs, sondern auf der Grundlage eines detaillierten Entwurfs. Dadurch kann ich bei der eigentlichen Abstimmung des jeweiligen Finanzierungsgesetzes in der Abgeordnetenkammer weitaus genauere Zahlen zu den Kosten liefern. Damit entfällt ein Hauptgrund des mehrmaligen Nachstimmens von Geldern, nur um ein Gebäude überhaupt fertig stellen zu können.

Télécran: Sind damit Extrawünsche und Änderungen der Pläne nach Baubeginn passé?

Claude Wiseler: Ja, es werden nur die genehmigten Pläne verwirklicht. Kostspielige Umänderungen während der Bauarbeiten sind - außer bei Notfällen nicht drin. Da bin ich konsequent. So etwas wie bei der Philharmonie oder der "Cité judiciaire" darf nicht mehr passieren. Die gebaute "Cité judiciaire" hat mit dem ursprünglich abgesegneten Plan nicht mehr viel zu tun - und um dies deutlich zu machen, habe ich übrigens für dieses Projekt bewusst ein zweites Gesetz - und nicht einen Nachtrag zum ersten in die gesetzliche Prozedur gegeben. Bei den Abgeordneten bin ich mit der neuen Prozedur auf viel Verständnis gestoßen. Jede Verwaltung beantragt das Maximum, da handelt es sich um einen psychologischen Reflex. Doch wir müssen zwischen Notwendigkeit und Luxus unterscheiden - und Luxus gibt es nicht mehr! Statt nur Natursteine tun es manchmal auch Beton oder Fliesen.

Télécran: Eine Ursache für massive Budget-überschreitungen waren die langen Bauzeiten. Wie wollen Sie hier Abhilfe schaffen?

Claude Wiseler: Bei Planungs- und Bauzeiten von fast 20 Jahren wie bei der Nordstraße ist die finanzielle Vorhersehbarkeit einfach nicht gegeben. Mit dem Projekt wurde Mitte der 90er Jahre begonnen. Zu dem Zeitpunkt konnte man nicht wissen, auf welchem Niveau sich die Preise 2013 befinden würden und deshalb musste die Kammer ständig Gelder nachvotieren. Jetzt wird die Finanzierung größerer Bauvorhaben in Etappen vom Parlament abgesegnet, wie etwa bei der "Liaison Micheville", die in drei Gesetzestexten gestimmt wird.

Télécran: Welche Maßnahmen wurden noch ergriffen?

Claude Wiseler: Die Architekten werden nach Pauschalen bezahlt. Eine bauinterne Kostenkontrolle sorgt dafür, dass der Finanzierungsrahmen eingehalten wird. Fällt ein Posten teurer aus, muss an anderer Stelle gespart werden, damit die Gesamtkosten nicht aus dem Ruder laufen. Das neue System benötigt zum Anfang wohl etwas mehr Zeit, die aber anschließend aufgeholt wird, weil ohne Unterbrechung durchgebaut wird.

Télécran: Bei welchem Bauprojekt zogen Sie diese neue Linie bereits durch?

Claude Wiseler: Das "Atertlycée" in Redingen ist ein schönes Beispiel. Es war das erste Lyzeum, das auf der Grundlage des "plan sectoriel lycées", als dezentrales Schulgebäude geplant wurde. Der Bau zeichnet sich durch Einfachheit und den restriktiven Einsatz von Technik aus. Zudem wurde erstmals bei einem öffentlichen Gebäude dieser Größe ein energetisches Konzept umgesetzt, das dem eines Passivhauses ähnelt. Mit ungefähr fünf Prozent weniger als das vorgesehene Budget blieben wir unter dem genehmigten Ausgabenniveau.

Télécran: Welche Bereiche sind trotz Sparpolitik prioritär?

Claude Wiseler: Die Regierung hat drei Prioritäten festgelegt: Zunächst die Schulen, in die mehr denn je investiert wird. Dann folgen die Europainfrastrukturen, wobei ich weiß, dass diese großen Bauten oft in Luxemburg kritisiert werden. Aber das viele Geld ist richtig angelegt um den Europastandort zu festigen. Zudem genießen soziale Strukturen, etwa Alters- und Pflegeheime, Vorrang.

Télécran: Und welche Bauprojekte werden als nächstes umgesetzt?

Claude Wiseler: In der Planungsphase sind unter anderem die Modernisierung der Kaserne Herrenberg, das Untersuchungsgefängnis in Sassenheim, eine Vielzahl von Schulgebäuden sowie die Uni-Gebäude in Belval.

Télécran: Szenenwechsel zum Tiefbau: Dürfen in Luxemburg überhaupt noch neue Straßen gebaut werden?

Claude Wiseler: Um klar und direkt zu antworten: ja. Allerdings gibt es zwei Prinzipien: Der öffentliche Transport hat Priorität und die Projekte werden auf ihre IVL-Kohärenz überprüft. Der Straßenbau soll die Entwicklung des Landes ermöglichen und steuern. Daher muss man selbstverständlich neue Straßen bauen dürfen. Außerdem, etwas provokant formuliert, ohne Straße funktioniert der öffentliche Personennahverkehr nicht. Denn der Großteil davon wird von Bussen bewältigt. Und wenn das Straßennetz nicht leistungsfähig und korrekt organisiert ist, dann steht auch der Bus im Stau.

Télécran: Welche Straßenbauprojekte haben denn laut IVL Vorrang?

Claude Wiseler: In der Landesplanung wurden die drei Entwicklungsgebiete Luxemburg, Esch/Alzette und "Nordstad" definiert. Diese müssen untereinander gut verbunden werden und von den peripheren Gegenden aus erreichbar sein.

Télécran: Sprechen wir zunächst über die Hauptstadt.

Claude Wiseler: Priorität hat die Erschließung rund um die "Cloche d'Or" und den "Ban de Gasperich". Ohne einen Ausbau des Boulevard Raiffeisen ist dort eine Entwicklung unmöglich. Noch in diesem Jahr soll das Projekt eines Finanzierungsgesetzes für den Bau von zwei Boulevards zwischen der Autobahn und Gasperich fertig gestellt werden.

Télécran: Und wie verlaufen die Arbeiten bei der "Liaison Micheville"?

Claude Wiseler: Die Arbeiten der Anschlussstraße für Belval Richtung luxemburgisches und französisches Straßennetz kommen planmäßig voran. Die erste Phase mit dem 450 Meter langen Tunnel ist fast fertig. Bis 2011 soll das erste Teilstück fertig gestellt und ab 2013 soll die gesamte Verbindung für den Verkehr freigegeben werden.

Télélcran: Welche Straßenbauprojekte stehen rund um die "Nordstad" an?

Claude Wiseler: Die zur Agglomeration der Nordstadt gehörenden Gemeinden sind als dritter Entwicklungspol des Landes definiert worden. Daher kann nicht der ganze Verkehr der Region durch diese Agglomeration geschleust werden. Demnach muss die Südumgehung von Ettelbrück Richtung Feulen gebaut werden und langfristig scheint mir ebenfalls die Nordumgehung von Diekirch notwendig. Aktuell läuft die Ausarbeitung des Ausbaus der B7 von Schieren bis nach "Fridhaff".

Télécran: Wie sieht es mit dem von vielen geforderten Ausbau der N7 von "Fridhaff" bis zur belgischen Grenze aus?

Claude Wiseler: Das Verkehrsaufkommen von täglich teilweise nur 8.000 Fahrzeugen ergibt im Moment keinen Bedarf für vier Spuren. Langfristig ist der Ausbau aber nicht ausgeschlossen. Deshalb werden die fest eingeplanten Umgehungsstraßen für Heinerscheid und Hosingen auch so ausgelegt, dass sie später auf vier Spuren ausgebaut werden können. Sicher umgesetzt werden dagegen Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit auf der N7. Ebenso auf der N11 , wo die Arbeiten an der Kreuzung Bech/Consdorf in den nächsten Tagen beginnen werden.

Télécran: Im Norden wäre man froh über den N7-Ausbau, im Zentrum scheint die Vorstellung von sechsspurigen Autobahnen nicht zu gefallen. Können Sie die Aufregung verstehen?

Claude Wiseler: Der Ausbau von A6 und A3 ist einfach notwendig. Als die Autobahn gebaut wurde, nutzten sie 20.000 Autos. Heute sind wir oft bei 70.000 bis 80.000 Fahrzeugen täglich. Und jedes fünfte Fahrzeug ist ein Lastwagen. Damit ist die Kapazitätsgrenze auf diesem Teilstück der Nord-Südachse von Rotterdam nach Genua erreicht. Dies gilt besonders für die Spitzenstunden, in denen der Transitverkehr auf den Berufsverkehr trifft. Daher ist der Ausbau ein Projekt, das Sinn macht. Es wird allerdings wegen der vielen neu und umzubauenden Brücken sowie Auf- und Abfahrten keine einfache Baustelle.

Télécran: Wie lange werden die Nerven der Autofahrer strapaziert?

Claude Wiseler: Für das erste Teilstück soll die Gesetzvorlage noch vor dem Ende der Legislaturperiode fertig gestellt werden. Aus praktischen Gründen wird die Ausbaustrecke in die vier Bauabschnitte Aire de Berchem-Gaspericher Kreuz, Gaspericher Kreuz-Helfent, Helfent-Strassen und abschließend Strassen-Mamer eingeteilt. Man kann jeweils mit gut zwei Jahren pro Abschnitt rechnen. Ich halte daher zehn Jahre bis zum Abschluss für realistisch. Während der Arbeiten muss die Autobahn vierspurig in Betrieb bleiben. Der Ausbau wird so ausgeführt, dass später die Pannenspur bei Stau von Bussen des öffentlichen Transports benutzt werden kann. Damit wäre auch dem ÖPNV gedient.

Télécran: Das werden viele aber bloß für ein Feigenblatt halten.

Claude Wiseler: Diese Trennung zwischen guter Schiene und böser Straße geht mir auf den Geist. Ich bin mitverantwortlich dafür, dass die Mobilität garantiert ist. Der ÖPNV hat absolute Priorität, aber selbst das Erreichen des angestrebten Modal-Split von 25/75 bedeutet noch immer, dass drei Viertel der Bewegungen aus Individualverkehr bestehen. Zudem nimmt der Verkehr durch ein Plus an Bevölkerung und Transit zu. Wir können auf keinen Fall unsere Hände in den Schoß legen. Die Mobilität begreift sowohl Schienen als auch Straßen. Ich baue gerne Straßen - aber die richtigen.

Télécran: Ein wichtiges Mosaiksteinchen im Autobahnnetz fehlt noch immer. Wann erfolgt der A13-Lückenschluss bei Hellingen?

Claude Wiseler: Seit 2007 ist die Enteignungsprozedur auf einer neuen juristischen Basis angelaufen. Ich lasse das Gesetzprojekt für das Baulos vorbereiten, so dass bei einem für uns positiven Ausgang keine Zeit verloren wird.

Télécran: Wäre angesichts der Herausforderungen bei der Mobilität ein einziges Ministerium für Transport und Bauten nicht wünschenswert?

Claude Wiseler: Doch. Große Teile der Politik beider Ministerien sind komplementär. Zwar arbeiten der Transport- und der Bautenminister sehr gut zusammen, aber ein gemeinsames Ministerium würde in Sachen Mobilität vieles vereinfachen. Dies wäre auf jeden Fall für jeden Politiker eine interessante Aufgabenstellung.

Télécran: Noch eine persönliche Betrachtung zum Schluss: Auf welches verwirklichte Bauprojekt sind Sie besonders stolz?

Claude Wiseler: Ich bin weniger auf einen bestimmten Bau stolz, sondern eherauf den Umstand, dass wir beim Bau von Schulinfrastrukturen vorangekommen sind.

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