"Finanzkrise, Autoangst! Wer soll dafür blechen?". Interview avec Jean-Claude Juncker et Frank-Walter Steinmeier au sujet de la crise financière et d'une stratégie européenne de sauvetage pour l'industrie automobile

BILD: Der Weltgipfel in Washington hat weitreichende Kontrollen der Finanzströme beschlossen. Ist das für Ministerpräsidenten eines Steuerparadieses wie Luxemburg nicht ein Problem?

Jean-Claude Juncker: Moment! Ich bin nicht Regierungschef eines Steuerparadieses. Luxemburg hält sich seit vielen Jahren an die Regeln für Finanzgeschäfte, wie sie in der gesamten EU gelten. Zum Beispiel überweisen wir auf deutsche Vermögen anfallende Quellensteuer treu und brav nach Deutschland ...

BILD: Dann fragen wir Sie als "Mr. Euro" und Chef der Euro-Zone in der EU ...

Jean-Claude Juncker: Schon besser! Wir haben seit Monaten eine strengere Aufsicht über die Finanzmärkte gefordert. Es war ein großer Fehler, den Märkten einfach ihren Lauf zu überlassen. Übrigens: Noch vor einem Jahr wurde man für eine solche Aussage belächelt. Wir wollten die Explosion verhindern. Jetzt hat sie stattgefunden - heftiger, als wir sie uns vorstellen konnten.

BILD: Herr Steinmeier, wenn Sie drei Regeln zur Kontrolle der Finanzmärkte sofort in Kraft setzen können - welche wären das?

Frank-Walter Steinmeier: Erstens: Jedes Finanzprodukt muss künftig zum TÜV bei der Finanzaufsicht - dann kann sich eine solche Bankenkrise nicht wiederholen. Zweitens: Die neuen Regeln, die wir jetzt aufstellen, müssen überall auf der Welt verbindlich sein. Drittens: Deswegen brauchen wir stärkere internationale Finanzinstitutionen.

BILD: In vielen Staaten werden jetzt milliardenschwere Programme zur Rettung der Wirtschaft aufgelegt ...

Frank-Walter Steinmeier: ... nach dem Rettungsschirm für die Banken brauchen wir jetzt den Schutzschirm für die Arbeitsplätze. Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz. Aber wir wollen, dass jeder Euro des Steuerzahlers wirklich sinnvoll angelegt ist und Nutzen bringt. Deshalb die Konzentration auf Zukunftsinvestitionen und den Erhalt von Jobs. Wir brauchen Brücken über die Krise hinweg, zum Beispiel mit Qualifizieren statt Entlassen ...

Jean-Claude Juncker: ... wirkliche Lösungen kann es allerdings nur auf europäischer Ebene geben. Deshalb ist der von Frank-Walter Steinmeier vorgeschlagene EU-Pakt zur Sicherung von Arbeitsplätzen vernünftig. Allergisch bin ich nur gegen Konjunkturprogramme, die mit der großen Gießkanne Geld übers Land schütten - und am Ende nur die Verschuldung erhöhen. Mein Vorschlag: Die EU-Kommission könnte Euro-Anleihen auflegen und die Einnahmen gezielt - z. B. in Straßen, Schienennetze und Energieversorgung investieren. Europa muss jetzt gemeinsam handeln - und die Wirtschaftskrise genauso entschlossen bekämpfen wie die Finanzkrise.

BILD: Erst wurden Milliarden zur Rettung der Banken bereitgestellt, jetzt brauchen die Autokonzerne Hilfe. Wo ist die Grenze?

Frank-Walter Steinmeier: Marode Unternehmen können auch am Tropf des Staates nicht auf Dauer überleben. Opel ist nach meinen Informationen nicht marode. Da können wir uns nicht einfach zurücklehnen und zusehen, wie ein Großunternehmen in die Knie geht. Denn eines ist auch klar: Den Aufschwung der vergangenen Jahre haben vor allem die Arbeitnehmer erwirtschaftet. Und die haben ein Recht darauf, dass die Politik jetzt alles tut, um im Grunde gesunden Unternehmen über die Krise zu helfen.

BILD: Besteht das Risiko, dass die EU am Ende Einspruch gegen staatliche Beihilfen erhebt?

Jean-Claude Juncker: Vertrag ist Vertrag. Die EU-Kommission wird jede Unterstützung überprüfen und schauen, ob sie mit dem EU-Recht übereinstimmt. Ich bin übrigens dafür, ein Rettungskonzept für die Autoindustrie auf europäischer Ebene zu vereinbaren. Wenn die US-Regierung mit Milliarden von Dollars Ford, GM und Chrysler vor der Pleite rettet, dann können wir nicht einfach zusehen und unsere Hersteller in Europa allein lassen. Aber es macht wenig Sinn, wenn Deutschland, Frankreich oder Italien jetzt einzeln versuchen, ihre Autoindustrie zu schützen. Das geht nur gemeinsam. Deshalb müssen sich die Regierungen der Autobauer-Staaten zusammensetzen und gemeinsam nach Lösungen suchen.

BILD: Konjunkturprogramme, Rettung von Autokonzernen - das alles kostet weitere Milliarden. Ist das ohne Steuererhöhungen überhaupt zu stemmen?

Frank-Walter Steinmeier: Höhere Steuern wären Gift für die Konjunktur. Deswegen stehen sie nicht zur Debatte.

BILD: Noch vor einem Jahr sprach alle Welt nur vom Kampf gegen den Klimawandel. Davon ist jetzt kaum noch die Rede. Muss der Klimaschutz jetzt hinter der Finanzkrise zurücktreten?

Jean-Claude Juncker: Das Ziel, die Erderwärmung zu stoppen, dürfen wir nicht aus den Augen verlieren. Aber es kann sein, dass wir angesichts der finanziellen Belastungen durch die Wirtschaftskrise im Klimaschutz etwas langsamer vorangehen werden.

Frank-Walter Steinmeier: ... gerade in der Verbindung beider Ziele liegt aber auch eine Chance: Wenn es uns gelingt, Investitionen vor allem in umweltfreundliche Projekte zu lenken, dann dient das der Wirtschaft UND dem Klimaschutz.

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