"Es wäre fatal, hier Schuldige zu suchen". Jean Asselborn au sujet du secret bancaire

Othmarvon Matt: Herr Aussenminister, welche Folgen hat der US-Deal der UBS für die Schweiz?

Jean Asselborn: Ich bin überzeugt: Die Schweizer Regierung hat so gehandelt, um noch schwerwiegendere Folgen abzuwenden.

Othmarvon Matt: Ist das Bankgeheimnis gestorben?

Jean Asselborn: Ganz klar nein. Behauptet man aber, es sei nichts gesdiehen, sagt man natürlich auch die Unwahrheit. Man wäre blind oder taub. Das war ein gravierender Einbruch, der für die Schweiz Konsequenzen hat. Sie werden sich auch in den Diskussionen in der EU zeigen.

Othmarvon Matt: Welche Folgen?

Jean Asselborn: Wird das Bankgeheimnis künftig anders interpretiert, bricht die Welt in der Schweiz nicht zusammen. Die Einsicht, dass Steuerbetrug mit dem Bankgeheimnis nicht zu decken ist, scheint mir hundertprozentig. Und sehen Sie: Die alte Luxemburger Schule sagt, unser Land hätte ohne Bankgeheimnis auf dem Finanzplatz keine solche Bedeutung erlangt. Doch das Bankgeheimnis kann nicht im ganzen 21. Jahrhundert das einzige Instrument sein, mit dem wir Luxemburg wirtschaftlich vorantreiben. Deshalb muss man vielleicht das Bankgeheimnis neu definieren und nach und nach mit einem Plus an Kompetenz ausbauen.

Othmarvon Matt: Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück sagte, er werde den Fall am 4. März in der EU zur Sprache bringen.

Jean Asselborn: Selbstverständlich muss der Vorschlag der Kommission vom Februar dieses Jahres diskutiert werden. Das wird eine ganz schwierige Debatte, die wir mit sehr kühlem Kopf führen müssen. Man darf nicht vergessen, dass das Koexistenzmodell das Ziel der Direktive von 2005 war. Im Jahre 2011 erhebt Luxemburg - wie die Schweiz - 35 Prozent Quellensteuer. Zudem müssen die Finanzminister grosser Länder wie Deutschland oder Frankreich wissen: Es bringt der EU absolut nichts, wenn diese Gelder aus der EU und aus Europa generell abwandern. Und man darf nicht vergessen, welche Konsequenzen es hätte, das Bankgeheimnis abrupt abzuschaffen.

Othmarvon Matt: Welche denn?

Jean Asselborn: Einen Zwerg wie Luxemburg bekommt man relativ ganz leicht in die Knie. Doch von unserem Bankenplatz hängt eine ganze Region ab. Wir haben 150.000 Grenzgänger. 73.000 Menschen kommen jeden Tag aus Frankreich. Genauso viele aus Deutschland und Belgien. Macht man den Bankenplatz kaputt, ist das zum Nachteil einer ganzen Region, nicht nur von Luxemburg. Die 73.000 Franzosen finden weder Arbeit in Frankreich noch Belgien oder Deutschland. Und man muss auch bei der Schweiz aufpassen.

Othmarvon Matt: Weshalb?

Jean Asselborn: Die Schweiz steht auf dem Globus nicht nur für den Finanzplatz. Sondern auch für Neutralität, Seriosität und wirtschaftliche Kompetenz - und für eine sehr starke Einflussnahme, um die UNO voranzubringen. Mich stört an der De batte, dass man sich in der Suche nach der Ursache der Finanzkrise sehr oft auf die Schweiz und Luxemburg konzentriert. Es wäre aber fatal und falsch, hier die Schuldigen für die Finanzmisere zu suchen. Wie die Banken in den USA mit den Krediten umgehen oder wie sich zum Beispiel Bernhard Madoff verspekulierte und die Menschen belog, hat nichts mit der Schweiz oder Luxemburg zu tun - und nichts mit dem Bankgeheimnis.

Membre du gouvernement

ASSELBORN Jean

Date de l'événement

22.02.2009

Type(s)

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