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"Ritter der Kokosnuss". Mars Di Bartolomeo au sujet du système de santé
Revue: Es ist Vorwahlzeit. Fühlen Sie sich als geborener Wahlkämpfer?
Mars Di Bartolomeo: Ich war schon immer gern unter Menschen und verhalte mich im Laufe eines Wahlkampfs bewusst nicht anders als sonst. Eigentlich sollte man das, was man erreichen möchte, bereits vorher anpacken und so überzeugen. Im Wahlkampf gilt es das zu vermitteln, was man noch tun möchte.
Revue: Als früherer Journalist und erfahrener Politiker sind Sie den Umgang mit Medien gewohnt. Gibt es noch Fragen, die Sie aus dem Konzept bringen?
Mars Di Bartolomeo: Es gibt unerwartete Situationen. Wenn ich mich auf etwas gut vorbereitet habe und dann kommt noch etwas anderes. In solchen Situationen kann man leicht auf dem falschen Euß erwischt werden.
Revue: Versuchen Sie nicht auch im Gegenzug zu manipulieren?
Mars Di Bartolomeo: Wenn ich als Journalist etwas nicht vertragen konnte, dann war es, wenn jemand Druck auf mich auszuüben versuchte. Im Gegenzug bin ich sicher nicht dafür bekannt, Journalisten unter Druck zu setzen.
Revue: Wären Sie nicht doch lieber Journalist geblieben?
Mars Di Bartolomeo: Eigentlich wollte ich ja Lehrer werden. Diesem Beruf trauerte ich lange nach. Bis ich Gefallen am Journalismus fand und mich regelrecht darin festbiss, so dass ich den Job mit Leib und Seele ausübte. Als ich Fraktionssekretär der LSAP wurde, konnte ich mich wiederum nicht so leicht vom Zeitungswesen lösen. Die journalistische Methode zu arbeiten habe ich auch als Politiker nie ganz aufgegeben.
Revue: Auf der Oppositionsbank waren Sie bekannt dafür, viele parlamentarische Anfragen zu stellen.
Mars Di Bartolomeo: Eine meiner Berufskrankheiten war es in der Tat, unheimlich gern Fragen zu stellen.
Revue: Politik war also nicht Ihr Lebensziel?
Mars Di Bartolomeo: Es hat sich so ergeben. Ich muss gestehen, dass ich mich mit dem Arbeitsrhythmus eines Deputierten nicht ausgelastet fühlte. Das änderte sich, als ich zusätzlich Bürgermeister von Düdelingen wurde. Das arbeitsintensive, aber schöne Amt des Deputé-Maire, war mir regelrecht auf den Leib geschnitten.
Revue: Das Gesundheits- und Sozialministerium war das nicht gerade. Hätten Sie nicht lieber ein anderes Ressort übernommen?
Mars Di Bartolomeo: Geprägt vom Bürgermeisteramt, wäre ich auch ganz gerne Innenminister geworden, verbunden mit dem Wohnungsbau. Letzterer war der Bereich, in dem ich mich sehr stark engagiert hatte. Ich bin froh, dass meine damaligen Ideen in die Gesetzgebung einflössen. Der Wohnungsbaupakt von heute ist eigentlich das Resultat der Diskussionen, die wir zwischen 2000 und 2004 führten.
Revue: Gab es auch eine Phase der Krise?
Mars Di Bartolomeo: Der Tod von Marc Zanussi hat mich tief und völlig unvorbereitet getroffen. Er war ein Kollege und Ereund, der aus dem Leben gerissen wurde - und ein tragender Pfeiler unserer Equipe. Ich überlegte damals, ob ich nicht in Düdelingen bleiben sollte.
Revue: Mit dem Amt des Bürgermeisters verband Sie nicht zuletzt die Präsenz auf lokalen Festen. Aus Neigung oder aus Pflichterfüllung?
Mars Di Bartolomeo: Ich brauche die Nähe zu den Leuten. Vieles haben wir zusammen geschaffen. Drittweltmarkt, Diddeleng helleft, Kulturzentren, Kinderfest, Mittelalterfest oder Zeltik haben wir gemeinsam aufgebaut. Auch heute noch nehme ich gerne an Veranstaltungen für einen guten Zweck teil. Ich mache das aus Überzeugung, weil es mir Spaß macht.
Revue: Auch beim Postlauf waren Sie im vergangenen Jahr dabei. Allerdings nicht gerade erfolgreich.
Mars Di Bartolomeo: Ich war Letzter oder Vorletzter. Erny Gillen hatte mich gefragt, ob ich teilnehmen wollte. Ich sagte zu. So wurde ich Opfer meiner Spontaneität. Denn ich hatte vergessen zu trainieren. Doch Hauptsache war, am Ziel anzukommen. Ich wollte zeigen, dass wenn ich das schaffe, es auch andere können. Mittlerweile betreibe ich regelmäßig Fitnesstraining und fahre im Sommer Fahrrad.
Revue: Sie wollten auch ein paar Pfunde abnehmen. Haben Sie das geschafft?
Mars Di Bartolomeo: Seit zwei Jahren stelle ich mich nicht mehr auf die Waage. Aber ältere Anzüge passen mir wieder. Ich habe vor allem etwas Speck in Muskeln umgewandelt und bin gut in Form.
Revue: Als Minister setzen Sie verstärkt auf Prävention und hörten zu Beginn Ihrer Amtszeit selbst mit dem Rauchen auf. Aus Pflichtbewusstsein?
Mars Di Bartolomeo: Meine letzte Zigarette rauchte ich am 3. August 2004 im Büro des Premierministers. Zigaretten und Gesundheitsminister - das passt nicht zusammen. Ein rauchender Gesundheitsminister ist nicht glaubwürdig, wenn man weiß, dass der Tabak zehn Mal mehr Todesopfer fordert als der Straßenverkehr. Manche behaupten, ich würde heimlich rauchen, aber ich habe nie mehr eine Zigarette angerührt. Das will nicht heißen, dass ich wie ein Mönch lebe, doch versuche ich mit gutem Beispiel voranzugehen.
Revue: Wann waren Sie das letzte Mal selbst Patient im Krankenhaus?
Mars Di Bartolomeo: Im Dezember 2007 bekam ich den Blinddarm herausoperiert - mit einer Komplikation am Bauchfell.
Revue: Gab es auch Situationen, in denen Sie sich beklagten?
Mars Di Bartolomeo: Ich konnte mich nie beschweren. Bei der Operation war ich einer derjenigen, die nach einem Tag wieder das Krankenhaus verlassen konnten.
Revue: In der ambulanten Behandlung hinkt Luxemburg aber hinterher.
Mars Di Bartolomeo: Es kann mich nicht zufrieden stellen, wenn Patienten stationär aufgenommen werden, obwohl dies nicht notwendig ist. Das kostet viel und bringt nichts. Hier besteht ein großes Sparpotenzial, und die Qualität der Pflege leidet nicht darunter. Allerdings müssen wir dafür auch die Strukturen schaffen.
Revue: Warum hat man dies nicht längst getan?
Mars Di Bartolomeo: Weil es an Anreizen und Empfehlungen fehlte. Das ändert sich mit dem neuen Spitalplan. Darüber hinaus finde ich, dass wir eines der besten Gesundheitssysteme haben. Allerdings ist die Qualität unterschiedlich und nicht genügend dokumentiert. Die Spitäler funktionieren zu sehr nebeneinander. Jeder will möglichst alles anbieten. Immerhin können wir mittlerweile in der Aufgabenteilung Erfolge vorweisen. Wir haben Kräfte gebündelt und Exzellenzzentren geschaffen. Vor fünf Jahren wäre es undenkbar gewesen, dass die Spitäler von Ettelbrück und Wiltz einmal fusionieren würden, und im Süden die drei Krankenhäuser von Esch, Düdelingen und Niederkorn.
Revue: Die Fusionen der Kliniken, der Krankenkassen und die Reform der Psychiatrie. Alles schwere Brocken. Ist man dabei als Minister nicht seinen Beamten ausgeliefert?
Mars Di Bartolomeo: Die Erfahrung habe ich nicht gemacht. Im Gegenteil kann ich mich auf eine Reihe kompetenter Beamten stützen, die durch ihr volles Engagement das System tragen. Beim Staat ist das Reaktionsvermögen jedoch nicht so ausgeprägt wie in einer Gemeinde. Man kann mir vielleicht den Vorwurf machen, dass ich mich um zu viele Dinge kümmere. Das ist aber eine Frage meines Charakters. Wenn ich einen Job mache, erledige ich ihn ganz. Die Reformen, die Sie nannten, habe ich die ganze Zeit begleitet. Es hängt alles davon ab, ob ein Politiker bereit ist, sich selbst zu engagieren. Wer nur repräsentiert, ist seinen Beratern viel stärker ausgeliefert. Das liegt mir nicht. Wenn ich nicht mit anpacken kann, bin ich frustriert.
Revue: Gab es nicht auch Rückschläge in Ihrer Amtszeit? Beispielsweise der Streit in der Neurochirurgie?
Mars Di Bartolomeo: Das war kein Rückschlag, sondern hat manches bewegt. Die wenig nuancierte Art und Weise der Diskussion bedauere ich. Manches war auf einen persönlichen Streit zurückzuführen. Doch hat die Diskussion auch etwas verändert. Eine bessere Zusammenarbeit, stärkere Aufgabenteilung, mehr Transparenz und die Dokumentation von Ergebnissen wurden vorangebracht. Ich muss allerdings zugeben, dass mir manches nicht schnell genug geht und ich ungeduldig werde.
Revue: Eine Schwäche?
Mars Di Bartolomeo: Ich bin schon geduldiger geworden und hole heute lieber noch mehr Meinungen ein. So wollte ich, als ich mein Amt antrat, einen nationalen Gesundheitsplan dekretieren. Dann wurde mir bewusst, dass es zwar ein Gesetz gäbe, aber nicht die Methodik dazu.
Revue: Sie sind seit fast 40 Jahren in der LSAP. Sehen Sie sich in der Partei als Stratege oder Strippenzieher?
Mars Di Bartolomeo: Nein, überhaupt nicht. Ich betrachte mich eher als Militanten, dem ein Mandat anvertraut wurde. Ich durchlief alle Etappen in der Partei und wurde von ihr geprägt. Das Besondere in der LSAP ist, dass es den großen Strippenzieher nicht gibt. Stattdessen sind es mehrere, die in einem Netzwerk zusammenarbeiten. Als einer, der von seinem Großvater und Vater in seinem sozialen Denken geprägt wurde, fühle ich mich bei der LSAP zu Hause. Es gab für mich nie eine Alternative. Zudem sehe ich mich ein wenig als Gralshüter jener Werte, die manche voreilig auf den Misthaufen der Geschichte geworfen haben. Werte wie Solidarität haben nicht an Bedeutung eingebüßt. Ein solidarisches Sozialsystem ist etwas Fantastisches.
Revue: Könnten Sie sich vorstellen, Minister einer Regierung unter Luc Frieden zu sein?
Mars Di Bartolomeo: Ich kann mir vieles vorstellen, habe mir diese Frage aber noch nicht gestellt. An Ihrer Frage stört mich vor allem das "unter".
Revue: Es gibt aber auch eine Zeit nach Jean-Claude Juncker.
Mars Di Bartolomeo: Die jetzige ist auch nicht die Regierung von Jean-Claude Juncker. Dieser ist zwar Premierminister, aber die einzelnen Mitglieder sitzen im Regierungsrat auf Augenhöhe und arbeiten in einem kollegialen Klima zusammen. Auch mit Luc Frieden arbeite ich gut und gerne zusammen. Natürlich hätte ich es lieber, wenn ein Sozialist Regierungschef wäre.
Revue: Das ist zurzeit eher unwahrscheinlich. Den christlichen Moralvorstellungen der CSV entspricht Ihre Biografie ohnehin nicht. Sie sind zwei Mal geschieden.
Mars Di Bartolomeo: Dazu stehe ich. Die luxemburgische Gesellschaft ist offener als man denkt. Auch in der CSV haben Politiker alle möglichen Lebenslagen durchgemacht. Glücklicherweise gibt es eine Trennung zwischen Privatleben und öffentlichem Engagement.
Revue: Bei der das Private oft in den Hintergrund tritt. Haben Sie das Gefühl, dass Sie zu wenig Zeit für Ihre Kinder hatten?
Mars Di Bartolomeo: Wer sich hauptberuflich in der Politik engagiert, bezahlt dafür einen hohen Preis, oft auf Kosten von Familie und Kindern. Das trifft auch bei mir zu - im Journalismus wie in der Politik. Beide Berufe zehren auf. Mein Privatleben musste häufig hinten anstehen. Mein heutiges politisches Engagement ist jedoch auch darauf zurückzuführen, dass ich von meiner Familie voll unterstützt werde.
Revue: Sie sind mittlerweile Großvater. Wie kommen Sie mit dieser Rolle zurecht?
Mars Di Bartolomeo: Ich bin sehr froh darüber. Aber die Großvaterrolle ist noch nicht ganz bei mir angekommen.
Revue: Sie haben einen Taucherschein. Würden Sie nicht mal gerne untertauchen?
Mars Di Bartolomeo: Das tue ich ab und zu. Nach langen Perioden des Drucks ziehe ich mich zurück, um mich zu regenerieren. Im Urlaub, im Garten oder beim Sport kann ich völlig abschalten. Zum Tauchen habe ich allerdings wenig Zeit.
Revue: Auf Facebook outen Sie sich als Fan von Alessandro Del Piero. Was ist noch italienisch an Ihnen außer Ihr Name und Ihre Wurzeln?
Mars Di Bartolomeo: Del Piero ist nicht nur ein guter Spieler. Was ich ihm hoch anrechne, ist die Treue zu seinem Verein, auch als dieser wegen der Verwicklung in den italienischen Fußballskandal in die zweite Liga herabgestuft wurde. Das ist eine Eigenschaft, die ich schätze. Meine Eltern sind Luxemburger, ich bin Luxemburger, aber Italien ist ein Teil von mir. Dafür steht auch mein Temperament. Ich habe viel Sympathie für das Land meiner Vorfahren. Aber ich kann mich nie daran gewöhnen, dass ein so sympathisches Volk einem Politiker wie Berlusconi auf den Leim geht.
Revue: Was bringt Sie so richtig in Rage?
Mars Di Bartolomeo: Wenn sich jemand nicht an Abmachungen hält, sich auf Kosten von anderen Vorteile verschafft oder aus dem Hinterhalt kommt und falsch spielt. Überhaupt nicht mag ich, wenn jemand Druck auf andere ausübt, indem er seine stärkere Position ausnützt und Drohungen ausspricht.
Revue: Sie züchten Stockrosen und sammeln Froschskulpturen.
Mars Di Bartolomeo: Wie kommen Sie denn darauf? Doch Sie haben Recht. Ich habe den ganzen Garten voller Stockrosen, und Frösche sind meine Lieblingstiere. Ich sammle in der Tat Froschskulpturen. Ich bin ein Sammler. Als ich klein war, sammelte ich Dinky-Toy-Autos. Ich kann mich nur sehr schlecht von etwas trennen.
Revue: Da wären wir wieder beim Nicht-Loslassen-Können.
Mars Di Bartolomeo: Ich bin überhaupt kein sturer Mensch. Aber wenn ich mich für etwas begeistere, kann ich mich regelrecht verbeißen. Einer meiner Lieblingsfilme ist "Die Ritter der Kokosnuss", wo ein weißer und ein schwarzer Ritter sich begegnen (lacht). Ich bin kein naiver Optimist, aber wenn es mal eng wird, sage ich mir, dass es trotzdem weitergehen muss. Dies gilt auch in der aktuellen Krise. Wenn wir solidarisch bleiben und zusammenhalten, überstehen wir sie.
Revue: Würden Sie auch auf der Oppositionsbank weiterkämpfen?
Mars Di Bartolomeo: Am liebsten auf der Regierungsbank, weil meine Arbeit noch nicht fertig ist. Aber wirksame Oppositionspolitik habe ich auch gelernt.