"Diese Liste ist in vielen Elementen zu hinterfragen". Jean-Claude Juncker au sujet de la liste de l'OCDE des centres financiers non-coopératifs

Tageblatt: Luxemburg ist nun doch auf einer Liste und damit stigmatisiert. Hat Sie dieser Coup überrascht?

Jean-Claude Juncker: Die Liste, auf der wir stehen, enthält keine Finanzzentren, gegen die Sanktionen vorgesehen sind. Es ist eine, wie ich sie nenne, faktische Liste, auf der jene Länder aufgezählt werden, die die OECD-Standards zwar übernommen haben, aber noch keine große Zahl von Doppelbesteuerungsabkommen nach dem neuen Muster abschließen konnten. Daher ist diese faktische Liste eine Aufzählung, deren Zielsetzung ich nicht richtig einsehe, da sie nichts Neues bringt. Es ist eine Beschreibung von dem, was ist. Warum das noch einmal gemacht wurde, leuchtet mir nicht ein.

Tageblatt: Was macht Luxemburg jetzt, um von dieser Liste herunterzukommen?

Jean-Claude Juncker: Wir sind nicht auf einer Liste, wo wir besondere Dinge tun müssen, um herunterzukommen. Wir sind auf einer faktischen Liste, die jene Länder enthält, die den OECD-Standard übernommen haben, aber noch keine genügend hohe Zahl von Doppelbesteuerungsabkommen gemacht haben. Wir sind dabei, mit Deutschland und Frankreich zu verhandeln. Das werden wir auch mit anderen Ländern tun.

Tageblatt: Wie glaubwürdig ist eine Liste, auf der Jersey und Guernsey weißgewaschen werden?

Jean-Claude Juncker: Ich habe diese Liste nicht gemacht. Ich habe heute Morgen während der Pressekonferenz der Eurogruppe gesagt, als ich danach gefragt wurde, wieso die amerikanischen Staaten (Delaware, Nevada und Wyoming, Anm. d. Red.) sowie einige Kanalinseln, die auch paradiesische Zustände kennen, nicht auf dieser Liste sind, geantwortet, dass diese sich wohl beeilt haben, als es zum Schluss hin zuging. Denn in der Tat war dies bis zum Schluss umstritten. Diese Liste ist in vielen Elementen zu hinterfragen. Darauf jedoch muss die OECD eine Antwort geben. Doch wie es scheint, haben die Kanalinseln in den letzten Monaten in einer großen Anzahl Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen.

Tageblatt: Was halten Sie von der neuen Weltwirtschaftsordnung, die sich da abzeichnet?

Jean-Claude Juncker: Die von den G2O getroffenen Beschlüsse gehen alle in die richtige Richtung, da sie in Richtung einer stärkeren Reglementierung und Überwachung gehen, da sie die Exzesse einer übertriebenen Liberalisierung zurückfahren und vermeiden. Es werden zu einem ganz großen Teil jene Entscheidungen und Initiativen übernommen, die wir in der Eurogruppe und der Europäischen Union getroffen haben. Das Gesamtresultat ist daher abgesehen von dieser Liste, die wir als unnötig betrachten - absolut zu begrüßen.

Tageblatt: Haben die G2O bisher überhaupt etwas gegen die eigentlichen Ursachen der Finanzkrise beschlossen?

Jean-Claude Juncker: Einige der eigentlichen Ursachen bestehen darin, dass nicht jedes Finanzprodukt an jedem Finanzplatz überwacht wurde, dass die Hedgefonds und die Rating-Agenturen nicht kontrolliert wurden. Und es wurde zugelassen, dass Banken Produkte außerhalb ihrer Bilanzen geführt haben und dadurch in einer totalen Intransparenz untergegangen sind, so dass sie ihre eigenen Produkte nicht mehr verstanden haben. Diese Elemente haben die Krise mitbewirkt. Die bisherigen Beschlüsse, um all dies umzukehren und praktisch fast ins Gegenteil zu wenden, um also mehr Regulierungsdichte ins System zu bringen, zeigen, dass sich beim G2O, aber auch in der Europäischen Union schon mit den richtigen Themen befasst wird.

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