Jean-Claude Juncker au sujet de la réforme du pacte de stabilité

Marietta Slomka: Sie sind richtig heftig verärgert über Deutschland und Frankreich, stimmt’s?

Jean-Claude Juncker: Nein, ich bin ein bisschen verärgert über eine Stilfrage. Während wir in Luxemburg als Finanzminister zusammen sitzen, um den Stabilitätspakt zu reformieren, wird uns per Zuruf aus Deauville bedeutet, was wir zu tun hätten. Das ist aber eine Stilfrage. Ansonsten ist es ja gut, (wir unterbrochen)

Marietta Slomka: Stilfrage heisst, Sie fühlten sich einfach übergangen, man hat nicht mit Ihnen gesprochen, auch Frau Merkel hat Sie nicht mal angerufen, ich meine Sie sind Leiter der Eurogruppe.

Jean-Claude Juncker: Das auch, aber die Anrufe kamen später, und waren auch flächendeckend freundlich.

Aber ich bin prinzipiell der Meinung, dass wir Einigungen zwischen Deutschland und Frankreich brauchen. Wenn es sie nicht gibt, werden wir nervös, wenn es sie gibt in einer nicht EU dienlichen Form, werden wir auch nervös. Teile der deutsch-französischen Vereinbarung sind nicht EU dienlich, insofern waren wir ein bisschen verstimmt, aber wir haben Europa zu dienen, haben dafür zu sorgen, dass wir anständige Beschlüsse treffen, und deshalb darf man bei derartigen Vorkommnissen nicht stehen bleiben.

Marietta Slomka: Es könnte natürlich schwierig werden, jetzt anständige Beschlüsse zu fassen, denn Sie sagen, da machen wir nicht mit, Stimmrechtsentzug für hartnäckige Defizitsünder. Und die deutsche Bundeskanzlerin hat heute im Bundestag noch einmal bekräftigt, ohne ein solches Verfahren, also ohne diesen Stimmentzug, würde auch Sie nicht unterschreiben.

Jean-Claude Juncker: Ich bin mit der Bundeskanzlerin sehr einer Meinung, dass wir einen permanenten Krisenmechanismus für die Zeit nach 2013 brauchen. Ich bin auch der Meinung, dass wir eine leichte Vertragsänderung in Kauf nehmen müssen, um dies zu erreichen. Darüber besteht kein fundamentaler Dissens.

Dort wo Dissens besteht, ist die Frage die Stimmrechte betreffend. Ich bin dagegen, dass man Mitgliedsstaaten der Europäischen Union das Stimmrecht entzieht, wenn sie sich finanzpolitisch nicht verantwortungsvoll benehmen, aus dem ganz einfachen Grund, weil es im Vertrag schon eine Bestimmung gibt, bei deren Anwendung es zum Stimmentzug kommt, und das ist der Fall, wenn ein Mitgliedsland massiv gegen Menschenrechte verstößt. Man darf beides nicht auf eine Ebene bringen. Verstoss gegen Menschenrechte und Verstoß gegen Haushaltsregeln sind zwei verschieden Paar Schuhe.

Mir wäre es lieber, wir würden die beiden Tage in Brüssel nutzen, um noch einmal zu prüfen, ob wir die Sanktionen nicht automatisch als Anwendung gelangen lassen können, dann wird sich die Frage nach dem Stimmentzug nicht stellen, weil dann schon im Vorfeld dafür gesorgt wird, dass ein divergierendes Mitgliedsland der Eurozone sich korrekt benimmt.

Marietta Slomka: Aber das werden offenbar die Franzosen nicht mitmachen, deshalb hat Angela Merkel da ja auch schon klein beigegeben, dass es diesen Automatismus nicht geben wird. Wenn sich jetzt alle über diesen Stimmrechtsentzug (wird unterbrochen)

Jean-Claude Juncker: Ich bin nachdrücklich dafür, dass wir noch einmal darüber reden sollten, ob wir den Automatismus nicht verstärken können.

Marietta Slomka: Aber wenn sich jetzt alle schon so über diesen Stimmrechtsentzug, also die kleineren EU-Mitgliedsländer, so aufregen, ist das nicht auch ein Indiz dafür, dass das dann tatsächlich ein sehr wirkungsvoller Sanktionsmechanismus, eine sehr wirkungsvolle Drohung sein könnte?

Jean-Claude Juncker: Sie haben einen ausgeprägten Sinn für Humor.

Es geht hier nicht um groß oder klein, es geht hier darum, ob man sich darauf verlässt, dass man am Ende des Tages, nach langen Prozeduren, jemandem das Stimmrecht entzieht, so als ob er in gröbster Weise gegen Menschenrechte verstoßen hätte, oder ob man nicht versucht, im Vorfeld, während der Sündenfall begangen wird, so strikt einzugreifen, dass der Sündenfall sofort abgestellt wird. Deshalb wäre es mir lieber, wir würden die Sanktionen automatischer gestalten, dann könnten wir auf das andere Instrument verzichten, gegen das ich in allen Fällen bin, weil ich mich gegen diese einfache Antwort auf eine schwierige Frage wehre.

Marietta Slomka: Vielen Dank Jean-Claude Juncker, der luxemburgische Ministerpräsident. Danke nach Brüssel.

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