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"Keine traurige Fatalität", Jean Asselborn au sujet des attentats en Norvège, de la reconnaissance d'un Etat palestinien et de la situation en Lybie
Jean Asselborn: UN-Generalsekretär Ban Ki-moon gehört wie ich auch nicht zu den Leuten, die für eine einfache Betrachtungsweise sind. Es wäre in der Tat leicht, zu sagen, dass es sich bei dem Täter um einen Verstörten, einen Faschisten oder einen Kriminellen handelt, dessen individuelles Vorgehen schließlich als eine Art trauriges Schicksal zu betrachten sei. Mit Ban bin ich der Meinung, dass wir vor allen Dingen in Europa darauf achten müssen, keinen Dünger unter jenen Boden zu mischen, auf dem Meinungen gegen und Angriffe auf eine tolerante und offene Gesellschaft gedeihen. Norwegen ist wie Luxemburg ein Land, das für Werte steht. Das Land setzt sich für seine Ziele ein, ob bei der Unterstützung der Palästinenser, der Abschaffung der Todesstrafe oder dem Verbot von Streubomben z.B., Letzteres in enger Zusammenarbeit mit Luxemburg. In Zukunft wird es darauf ankommen, mehr für solche Ideen zu tun. Das kann z.B. erreicht werden, indem man der "Allianz der Zivilisationen" verstärkt Gewicht verleiht, einer UN-Organisation, die vom früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan, dem spanischen Premier Zapatero und seinem türkischen Kollegen Erdogan 2005 ins Leben gerufen wurde. Sie wird seit 2007 vom früheren portugiesischen Präsidenten Jorge Sampaio geleitet und will kulturelle Gegensätze bekämpfen und Barrieren zwischen den Zivilisationen überwinden. Dies wäre ein sehr wichtiger Ansatz.
Tageblatt: Bei Ihrem Treffen ging es auch um Palästina. Die Palästinenser wollen im September auf der UN-Vollversammlung einen Antrag auf UN-Mitgliedschaft stellen. Was einer De-facto-Anerkennung als Staat gleichkommen würde. Wie stehen ihre Chancen?
Jean Asselborn: Der September wird für die UNO ein wichtiger Monat. Sowohl für die Versammlung als auch mit Blick auf Palästina. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon ist mit einem Status quo dort nicht zufrieden. Er vertritt den Standpunkt, dass ein Verharren in der augenblicklichen Situation im Nahen Osten für die UNO als Organisation und Wahrerin des internationalen Rechtes und der Menschenrechte einer schweren Niederlage gleichkäme. Allerdings weiß Ban, dass, sollten die Palästinenser ihren Antrag stellen, die USA eine solche Mitgliedschaft mit ihrem Veto verhindern würden. Das glaube auch ich aus den zahlreichen Gesprächen mit ständigen Vertretern bei der UNO, z.B. mit dem der Palästinenser, aber auch mit Kollegen aus arabischen Ländern, als ziemlich eindeutig herausgehört zu haben. Es sei denn, es käme zu einem Umdenken bei den USA, wo dieses Thema immer mehr auch an innenpolitischer Bedeutung gewinnt, je näher die Wahlen rücken. Beispiele Vatikan oder Schweiz. Nun könnte man versuchen, mit dem Kopf gegen die Wand zu laufen, um letztendlich dennoch zu scheitern. Besser jedoch, und da stimmen Ban und ich in der Beurteilung überein, ist es, nach anderen Wegen zu suchen. Mit Vorstellungskraft und geleitet von einem Solidaritätsgedanken. Es gibt andere Wege, wie es die Beispiele Vatikan oder Schweiz zeigen. Auch Palästina könnte man zuerst einen Beobachterstatus bei der UNO einräumen. Dies würde zum Beispiel den Zugang zu verschiedenen UN-Unterorganisationen ermöglichen oder etwa die Möglichkeit, gerichtliche Mittel zu nutzen, einräumen. Das wäre ein Schritt in die richtige Richtung.
Tageblatt: Stichwort Libyen. Wie soll es weitergehen?
Jean Asselborn: Die militärische Operation der NATO kommt nur zögernd voran, auch politisch zeichnet sich keine Lösung ab. Das weiß auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon, der einen ständigen Vertreter nach Libyen entsandt hat. Ich glaube, es wäre gut, wenn die UNO das Heft in der Hand behielte und einen eigenen Plan für das weitere Vorgehen ausarbeiten würde, gemeinsam mit der Afrikanischen Union und der Arabischen Liga. Ein solcher Plan müsste zwei Hauptkomponenten beinhalten. Erstens sollte aufgezeigt werden, wie die militärische Operation gestoppt werden könnte, und zweitens, wie Libyen dazu übergehen könnte, die Grundlagen für einen Rechtsstaat zu schaffen. Gaddafi sollte dabei kein Hindernis sein. Weder Ban Ki-moon noch andere haben speziell Gaddafi im Visier. Er wird angegriffen, weil er selber seine eigene Bevölkerung angriff, die zuerst unbewaffnet versuchte, politische Reformen zu bewirken. Was später sein wird, ist vor allen Dingen eine Angelegenheit des libyschen Volkes. Sobald Gaddafi nicht mehr an der Macht ist, wird sein Schicksal so oder so zur Nebensache werden. Das politische Vorankommen wird wichtig sein. Eine Idee sieht z.B. vor, dass zwei Vertreter des nationalen Übergangsrates der Rebellen und zwei Vertreter des Gaddafi-Lagers einen fünften Mann bestimmen, der während einer ersten Übergangsphase die Rolle des Präsidenten einnehmen könnte. Leider ist all dies noch etwas unklar, weil es schwer ist, sich einen Gesamtüberblick zu verschaffen. Selbst der ständige Vertreter des UN-Generalsekretärs in Libyen ist bislang nur bis zum Ministerpräsidenten vorgedrungen. Ein UN-Plan für Libyen, der bis September vörliegen würde, könnte jedoch helfen, mit diplomatischen Mitteln aus dem augenblicklichen Tief herauszufinden.