"Im Zeichen der Krise", Jean-Claude Juncker au sujet de l'année écoulée 2011

Dans l’interview " Im Zeichen der Krise" parue le 28 décembre 2011 dans le magazine Télécran, Jean-Claude Juncker revient sur les principaux événements ayant ponctué l’actualité nationale et internationale en 2011. Des photos tirées de l’actualité servent de fil conducteur à l’interview et suscitent des réactions du Premier ministre sur, entre autres, l’entrevue avec le Premier ministre grec Georges Papandreou à Luxembourg, les réunions de la Tripartite ou la rencontre avec les frères Schleck.


Brüssel, 21. Oktober 2011 Zwei Drahtzieher

Politische Entscheidungen brauchen Vorbereitungen und diese Vorbereitungen finden ganz oft in vertraulicher Atmosphäre statt, wie man auf diesem Foto unschwer erkennen kann. Wolfgang Schäuble ist ein überzeugter Europäer. Ich erlebe ihn als Hardliner, wenn es darum geht, die europäische Integration zu verteidigen. Ich erlebe ihn allerdings nicht so sehr als Hardliner - im Gegensatz zu manchen Deutschen - wenn es um die Durchsetzung deutscher Positionen geht, die er aber durchaus auch - allerdings von Argumenten begleitet zu vertreten weiß. Wolfgang Schäuble gehört zu meinen Freunden, sodass wir uns oft auch Dinge sagen, die nicht für andere Ohren bestimmt sind.

Brüssel, 11. März 2011 David Cameron: der Neinsager

Mein Verhältnis zu David Cameron ist nicht sachlich kühl, es ist aber auch nicht von einem überschäumenden Willen geprägt, immer direkt die Position des anderen einzunehmen. Ich sehe, dass England sich nicht in die Beschlussmasse einreiht, die wir angehäuft haben, Ich sehe allerdings auch nicht, dass England der Europäischen Union den Rücken zukehrt. Das würde ich auch bedauern. Elemente des britischen "Common Sense" tun Europa gut. Ich konnte allerdings, wie andere auch, nicht mit den englischen Forderungen den Finanzplatz London betreffend einverstanden sein. Herr Cameron hat auf eine relativ brutale Art und Weise die Interessen des Londoner Finanzplatzes vertreten. Das hat mich dazu gebracht, die Interessen des Finanzzentrums Luxemburgs freundlicher, aber genauso bestimmt zu vertreten.

Brüssel, 7. November 2011 Finanzexperten unter sich

Ich bin froh, dass Mario Draghi Präsident der Europäischen Zentralbank geworden ist, weil er für eine klare Stabilitätspolitik in der Eurozone steht. Ich kenne ihn schon sehr lange. Auf dem Foto stelle ich Herrn Draghi Luc Frieden vor. Luc Frieden vertritt Luxemburg in der Eurogruppe, was ich ja nicht tue, weil ich als Person gewählt bin. Deshalb vertrete ich auch nicht immer dieselbe Position wie er. Ich möchte Luc Frieden aber nicht missen.

Luxemburg, 3. Juni 2011 Griechenland, Europa und die Schulden

Griechenland, wie überhaupt die Schuldenkrise in Europa, haben mich das ganze Jahr über auf Trab gehalten - Telefongespräche, Sitzungen, Begegnungen mit George Papandreou, den ich als meinen persönlichen Freund bezeichne. Ich habe mit ihm immer wieder die Frage diskutiert, ob es ein Referendum (über die Sparmaßnahmen, Anm. d. Red.) geben sollte oder nicht. Im Sommer habe ich das Thema ein letztes Mal angesprochen und wir beschlossen, dass es kein Referendum geben sollte. Am 26./27. Oktober hatten wir dann eine Sitzung in Brüssel, wo wir wichtige Beschlüsse in Bezug auf Griechenland trafen. Danach hat es mich kalt erwischt, als Papandreou, ohne uns vorher darüber zu unterrichten, nach seiner Rückkehr nach Athen verkündete, über die Brüsseler Entscheidungen ein Referendum abhalten zu wollen. Das hat zu erheblichen Turbulenzen an den Finanzmärkten geführt, die sich von der Zeit der Ankündigung des Referendums bis zum Abstimmungstag erstreckt hätten. Das war der Grund, warum Frau Lagarde, Frau Merkel, Herr Sarkozy, Herr Barroso und ich ihm das Referendum in einer Sitzung in Cannes ausgeredet haben. Eigentlich kann man ja nichts dagegen haben, wenn das Volk nach seiner Meinung gefragt wird. Aber man muss den richtigen Moment abwarten, im dem das nicht zu Turbulenzen führt.

Brüssel, 26. Oktober 2011 Wer gibt in der EU den Ton an?

Die Rolle von Deutschland und Frankreich in der EU ist wichtig, aber sie ist nicht so exklusiv, wie sie viele Beobachter in den beiden Ländern darstellen. Ich konnte beim Gipfel vom 8./9. Dezember feststellen, dass Deutschland und Frankreich viele Positionen, die sie früher hatten und die von den anderen EU-Mitgliedsstaaten nicht geteilt wurden, aufgaben. Und dass sie viele Positionen übernahmen, vor allem jene, die von den drei Benelux-Staaten vertreten werden, wie zum Beispiel das System der automatischen Sanktionen bei einer Verletzung der Vereinbarungen des Stabilitätspaktes. Die internationale Presse tat dann später so, als ob die Eurozone die deutsch-französischen Positionen übernommen hätte. Es war genau umgekehrt.

Lissabon, 10. November 2011 Partner auf Augenhöhe

Das Foto ist anlässlich einer Rede entstanden, die ich im Rahmen meines offiziellen Besuchs in Portugal gehalten habe. Luxemburg und Portugal, das ist eine besondere Geschichte, weil hier bei uns viele Portugiesen wohnen. Deshalb habe ich mich immer für alles, was Portugal angeht, interessiert. Ich bin ganz oft an der Seite Portugals, wenn es in Brüssel um Portugal geht. Übrigens ist umgekehrt auch Portugal an der Seite von Luxemburg, wenn es um Luxemburg geht.

Hamburg, 5. November 2011 Politiker mit Ecken und Kanten

Das war ein Gespräch, das schon sehr lange geplant war und zwei Stunden dauerte. Es ging um den Euro und um weltpolitische Themen, zu denen ich Herrn Schmidt einige Fragen gestellt habe. Unsere Positionen sind zwar nicht immer deckungsgleich, aber ich stelle eine gewisse Vergleichbarkeit der direkten Stile fest. Wir lassen uns beide nicht so verbiegen, dass man Ecken und Kanten nicht mehr erkennen kann.

Mainz, 21. November 2011 Gute Nachbarschaft

Der Landesverdienstorden von Rheinland-Pfalz ist mir insofern wichtig, weil Rheinland-Pfalz ein Bundesland ist, das an Luxemburg grenzt und viele Grenzgänger von dort zu uns kommen. Mit Rheinland-Pfalz verbinden uns extrem gute Beziehungen. Manchmal machen sich manche ja darüber lustig, dass ich so viele Auszeichnungen bekomme. Aber man stelle sich mal vor, ich hätte zu Herrn Beck gesagt, ich möchte die Auszeichnung nicht, weil sonst morgen in der Zeitung steht, ich würde zu viele davon bekommen... Die Großregion wird weiter an Bedeutung gewinnen. Sie ist eine von mehr als siebzig Regionen in Europa. Während der Wettbewerb zwischen den Ländern abnehmen wird, wird der zwischen den Regionen zunehmen. Deshalb ist es im Luxemburger Interesse, dass wir zu einer regionalen Einheit finden.

Tallinn, 2. Mai 2011 Estland: der Euro-Musterknabe

Die kleinen Länder haben spontan die Tendenz zusammenzuhalten, wenn sie unter Druck geraten, es ist aber nicht so, dass sie, nur weil sie eben klein sind, immer dieselben Interessen vertreten müssten. Estland ist ein neuer EU-Mitgliedsstaat, für den ich große Sympathie hege. Übrigens ein Land, das eine geringere Verschuldung aufweist als Luxemburg. Dann gibt es noch acht weitere Länder, die eine geringere Verschuldung haben als Deutschland, was zeigt, dass Deutschland nicht der alleinige Bewahrer der Haushaltsdisziplin ist. Genau das könnte man aber meinen, wenn man deutsche Zeitungen liest.

Luxemburg, 1. Dezember 2011 Tripartite Anzeichen einer Erkältung

Es gelingt uns in Luxemburg nicht, die Sozialpartner analytisch auf eine Linie zu bringen. Wir haben eine Krise mit einem besonderen Epizentrum in der Eurozone, daraus zieht nicht jeder dieselben Schlüsse. Die Gewerkschaften vermitteln den Eindruck, als ob sie nicht bereit wären, die Krise mit all ihren Auswirkungen zur Kenntnis zu nehmen, während die Arbeitgeber manchmal zu einfache Antworten auf komplizierte Fragen geben. Die Tripartite zeigt, wie es der Jahreszeit entspricht, Anzeichen einer Erkältung. Ich wehre mich allerdings gegen die Annahme, dass der Sozialdialog angesichts dieser Erkältung dem Tode geweiht sei.

Esch/Alzette, 15. September 2011 Stahlindustrie: Geht der Ofen aus?

Ich habe in meiner Rede zum 100. Geburtstag der Arbed die neuen Dirigenten von ArcelorMittal aufgefordert, nicht zu vergessen, dass zukünftige Verpflichtungen aus den kollektiven Leistungen der Luxemburger aus der Vergangenheit auf sie zukämen. Ich wusste ganz genau, warum ich das gesagt hatte. Ich habe allerdings nicht den Eindruck, dass der Appell richtig verstanden wurde.

Luxemburg, 9. Juni 2011 Luxemburg-Qatar: Strategische Partner

Anlässlich des Besuchs des Premierministers von Katar im Juni habe ich eine strategische Partnerschaft mit ihm abgemacht, über die ich sehr froh bin. Qatar ist ein Land, das nicht so groß ist, als dass wir nur eine Trittbrettfahrer-Position einnehmen könnten. Nicht alles, was in Qatar passiert, muss einem gefallen, aber die Dinge entwickeln sich in Richtung eines demokratischen Fortschritts. Mir missfällt es, wenn die Investitionen von Qatar in Luxemburg mit einer wirtschaftsfeindlichen Begleitmelodie versehen werden. Die großen Finanz- und Industrieunternehmen in Luxemburg waren nicht luxemburgisch. Die Arbed war es nie und RTL auch nicht. Es kann ja nicht sein, dass ausländisches Kapital nur dann willkommen ist, wenn eine deutsche, französische oder belgische Flagge dran hängt, wir es aber nicht gut finden, wenn Kapital aus dem arabischen Raum kommt. Wir dürfen uns auch nicht kleiner machen als wir sind.

Luxemburg, 29. März 2011 Traditionen bewahren

Ich mag luxemburgische Bräuche sehr gern, weil das unserem Zusammenleben das unverkennbare, exklusive luxemburgische Kolorit gibt. Man kann Modernität nicht dadurch erreichen, dass man Traditionen pflegt. Man erreicht aber eine falsche Modernität, wenn man die Traditionen vergisst. Deshalb mag ich es, wenn die Bäcker am "Brëtzelsonndeg" kommen oder die Gärtner am Valentinstag...

Luxemburg, 28. Juli 2011 Die Radsport-Helden

Ich mag Andy und Fränk Schleck sehr, was man auf dem Foto auch unschwer erkennt. Zum einen gefällt mir die Art und Weise, wie die Brüder zueinander halten, zum anderen auch wie sie zusammen fahren. Sie vermitteln ein positives Bild unseres Landes. Ich habe mir das so eingerichtet, dass ich rein zufällig immer dann im Büro war, wenn die letzten vierzig Kilometer anstanden. Eine Sitzung fiel dafür aber nicht aus...

Luxemburg, 3. Oktober 2011 Weckläuten des Premiers...

Die hier gezeigte Situation entstand deshalb, weil der Gong und das Mikrofon nicht funktionierten, und ich deshalb die Glocke läuten musste, um die Fotografen zu bändigen. Wenn jemand sagt, dass er eine Glocke läutet, so hat das immer eine morbide "Nebenwirkung". Der Euro wird allerdings nicht das Zeitliche segnen... Manchmal reicht aber die Stimme nicht aus, um sich Gehör zu verschaffen.

Luxemburg, 5. Oktober 2011 Der Wirtschaftsminister geht

Ich bedauere natürlich die Tatsache, dass Herr Krecké aus der Politik ausscheidet, weil er ein Wirtschaftsminister war, zu dem ich ein Leben lang freundschaftliche und komplizenhafte Beziehungen hatte. Aus der Tatsache, dass ich komplizenhafte Beziehungen mit Herrn Krecké hatte und habe, folgt, dass sein Rückzug aus der Politik mich nicht überrascht hat. Ich war im Bilde.

Luxemburg, 18. Oktober 2011 Der neue Erzbischof

Ich kenne den neuen Erzbischof schon lange. Wir waren in derselben Schule, auch wenn wir nicht die gleiche Schulbank gedrückt haben. Ich bin ihm auch in Japan begegnet und, wenn er in Luxemburg war, auch hier. Ich glaube, dass er der Gesellschaft und der Kirche in Luxemburg gut tut, weil er eine Sprache spricht, die jeder versteht, die aber dennoch eine tiefschürfende Beschäftigung mit sich und den Menschen vereint. Ich bin gegen eine Vermischung von Kirchen- und Staatsangelegenheiten, der Staat muss die Kirche respektieren und die Kirche den Staat. Wir sind beide für die Menschen zuständig, aber jeder auf eine andere Art und Weise.

Membre du gouvernement

Organisation

Ministère d'État

Date de l'événement

28.12.2011

Type(s)

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