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"Ich habe deutliche Spuren hinterlassen", Jeannot Krecké au sujet de ses années à la tête du ministère de l'Economie et du Commerce extérieur
Luxemburger Wort: Es sind noch wenige Tage bis zu Ihrem letzten Arbeitstag als Wirtschaftsminister. Kommt schon ein wenig Wehmut auf oder überwiegt die Freude auf einen neuen Lebensabschnitt?
Jeannot Krecké: Ich bin gespannt, was der neue Lebensabschnitt bringen wird. Ich bin dabei zu überlegen, was ich machen werde. Aufs Altenteil zurückziehen werde ich mich nicht.
Luxemburger Wort: Über die Beweggründe zum Rückzug aus der Regierung ist viel diskutiert worden. Warum der freiwillige Rücktritt?
Jeannot Krecké: Ich wollte ein Signal setzen, dass ein Politiker auch freiwillig gehen kann, ohne dass er rausgeekelt oder abgewählt wird. Ich wollte zudem zu einem Zeitpunkt gehen, an dem ich bei den Wählern den Umfragen nach noch Unterstützung habe. Es war für mich auch klar, dass ich nicht mehr zu Wahlen antreten werde. Ich gehe allerdings nicht aus Verbitterung oder im Streit. Im Gegenteil, ich bin zufrieden mit dem, was ich erreicht habe, auch wenn ich nicht alles erreichen konnte, was ich vorhatte. Die Arbeit als Minister über die letzten acht Jahre hat mir sehr viel Freude gemacht und ich denke, dass ich viel bewegt habe.
Luxemburger Wort: Was bedeutet Ihr Rückzug für die Strategie der LSAP in der Regierung?
Jeannot Krecké: Die Entscheidung wurde frühzeitig getroffen, um der Partei die Möglichkeit zu geben, einen geordneten Übergang zu organisieren und einen geeigneten Nachfolger zu suchen. Für die LSAP eröffnet sich die Möglichkeit zu einem Erneuerungsprozess im Zentrum, der notwendig ist, wenn man wie ich über Jahrzehnte den Wahlbezirk mitgeprägt hat. Es ist außerdem ein neuer Moment für die Partei, um neue Ideen und eine neue Arbeitsweise umzusetzen. Ein neuer Minister hinterlässt andere Spuren. Das ist gut für die Partei.
Luxemburger Wort: Ihnen wurde häufig vorgeworfen, als LSAP-Politiker eine viel zu unternehmerfreundliche Politik vertreten zu haben. Wie reagieren Sie auf den Vorwurf?
Jeannot Krecké: Wenn man Wirtschaftsminister ist, kann ich mir nur schwer vorstellen, nicht unternehmerfreundlich zu sein. Wenn man die Wirtschaft ankurbeln möchte und auf einem hohen Niveau halten will, muss man den Firmen entgegenkommen. Ich hatte damit kein Problem.
Luxemburger Wort: Luxemburg steckt wirtschaftlich in einer schwierigen Situation. Der Zeitpunkt für einen Wechsel an der Spitze des Wirtschaftsministeriums ist demnach ungünstig. Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage?
Jeannot Krecké: Die aktuelle Situation würde ich nicht als so dramatisch bezeichnen. Ich sehe jedoch große Herausforderungen auf das Land zukommen, die seit Monaten bekannt sind. Wir müssten uns strukturell ganz anders aufstellen. Das betrifft sowohl die Frage nach der künftigen Finanzierung des Staats als auch die Entwicklung der Wirtschaft. Unsere Schwächen sind hausgemacht und die müssen wir selber lösen.
Luxemburger Wort: Der Nachfolger Etienne Schneider ist Ihr Wunschkandidat. Was macht ihn zum geeigneten Wirtschaftsminister?
Jeannot Krecké: Etienne Schneider hat eine ökonomische Ausbildung. In all den Jahren, in denen er mit mir zusammengearbeitet hat, hat er Kompetenz bewiesen. Er ist gut vernetzt und hat ein besseres politisches Gespür als ich. Es wurde oft behauptet, er sei ein Technokrat. Im Grunde aber bin ich der Technokrat. Schneider kennt das politische Geschäft auf Gemeindeebene gut und hat seine wirtschaftlichen Fähigkeiten zuletzt durch die Leitung von Enovos und der SEO gezeigt.
Luxemburger Wort: Kann Schneider mit seinem politischen Gespür das Profil der LSAP in der Regierung stärken?
Jeannot Krecké: Ich war nicht zuletzt auch durch gute Wahlergebnisse kein Leichtgewicht in der Regierung. Etienne Schneider fängt neu an und muss in seine Rolle hineinwachsen: Das hängt zum Teil davon ab, wie viel Spielraum man ihm lässt.
Luxemburger Wort: Welche Tipps geben Sie Ihrem Nachfolger mit auf den Weg?
Jeannot Krecké: Es macht keinen Sinn, meinem Nachfolger öffentlich Ratschläge zu erteilen. Wir pflegen seit einigen Wochen einen regen Meinungsaustausch, zuletzt z. B. über die Organisation des Ministeriums. Ich stehe Etienne Schneider mit Rat und Tat zur Seite. Das gilt auch nach dem 1. Februar. Ich bin aber nicht sein Schulmeister.
Luxemburger Wort: Sie wollen sich aus der Politik zurückziehen. Besteht in den Sachfragen allerdings nicht die Gefahr eines Substanzverlustes?
Jeannot Krecké: Ich habe mit vielen Mitarbeitern des Ministeriums ein persönliches Verhältnis und stehe dem Haus und auch dem Land selbstverständlich bei Bedarf weiterhin zur Verfügung. Das habe ich auch dem Premierminister gesagt. Ich werde der Regierung helfen, wenn ich von Nutzen sein kann. Ich möchte aber nicht in Konflikt mit den Aufgaben meines Nachfolgers geraten. Mir geht es vor allem darum, dass die persönlichen Kontakte, die ich über viele Jahre im Ausland geknüpft habe, dem Land nicht verloren gehen. Ich werde mich aber so organisieren, dass ich nicht ständig mit dem konfrontiert werde, was ich selber gemacht habe.
Luxemburger Wort: Was wird aus dem Mandat als Verwaltungsrat bei ArcelorMittal?
Jeannot Krecké: Die Regierung entscheidet, ob ich das Mandat bei ArcelorMittal fortsetzen soll oder nicht. Die Entscheidung steht noch aus.
Luxemburger Wort: Würde Sie der Vorsitz im Verwaltungsrat bei der Cargolux interessieren, falls er Ihnen angeboten würde?
Jeannot Krecké: Da würde ich Nein sagen. Das habe ich übrigens schon mehrfach gesagt. Es schien ja regelrecht eine Sorge im Land gewesen zu sein. Ich kann der Cargolux auch anders helfen. Ich bin Kandidat für gar nichts.
Luxemburger Wort: Persönliche Bilanz: Sie sind 2004 als Wirtschaftsminister angetreten, um "die Abhängigkeit der Luxemburger Wirtschaft von einem Sektor zu verringern". Wie nah sind Sie diesem Ziel in Ihrer Amtszeit tatsächlich gekommen?
Jeannot Krecké: Die Abhängigkeit vom Finanzsektor ist nach wie vor groß. Allerdings ist das Spektrum der alternativen Branchen breiter geworden und birgt noch viel Potenzial. Ich denke hier insbesondere an den Logistiksektor. Mit der Biotechnologie haben wir gerade erst begonnen. Im ICT-Sektor wurde viel erreicht im Vergleich zu 2004. Eine ganze Reihe Aktivitäten wurden zusammen mit anderen Ministerien angestoßen und umgesetzt.
Luxemburger Wort: Die Abhängigkeit vom Finanzgeschäft hat sich jedoch nicht wesentlich vermindert.
Jeannot Krecké: Dafür gibt es zwei Gründe: Die Initiativen, die ich angeregt habe, sind auf der Einnahmeseite noch nicht in Gänze durchgeschlagen. Das braucht einige Jahre. Außerdem hat sich der Finanzplatz schneller entwickelt als der Industrie- und Dienstleistungssektor. Die finanzielle Abhängigkeit vom Finanzsektor ist nach wie vor hoch. Wir werden aber in eine Phase kommen, wo das nicht mehr der Fall sein wird.
Luxemburger Wort: Luxemburg als Industriestandort erhalten war die Antriebsfeder Ihrer Diversifikationspolitik. Hat das Land als Produktionsstandort langfristig eine Chance?
Jeannot Krecké: Ja, aber das wird schwer und wir müssen gegensteuern. Ganz Europa erlebt eine Desindustrialisierung. In Luxemburg verstärkt sich der Trend durch eine hohe Kostenstruktur. Oftmals fehlt es auch an der kritischen Masse. Unsere Chance liegt in der internationalen Dimension, der weltweiten Vernetzung und Kontakten.
Luxemburger Wort: Im April 2010 hatten Sie ein 65-Punkte-Programm zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit vorgelegt. Obwohl das sogenannte Krecké-Papier umgesetzt wurde, kritisieren vor allem die Arbeitgeberverbände nach wie vor eine nachlassende Konkurrenzfähigkeit. Gingen Ihre Maßnahmen nicht weit genug oder sind die Reformen einfach verpufft?
Jeannot Krecké: Die Kritik der Arbeitgeberverbände ist zum Teil berechtigt, weil einige Punkte des Programms nicht weit genug umgesetzt wurden. So wäre ein wichtiger Schritt eine Vereinfachung der administrativen Verfahren. Wir brauchen zudem eine Art Frühwarnsystem, um Probleme bei Betrieben frühzeitig zu erkennen und Maßnahmen zu ergreifen. Und daran arbeiten wir.
Luxemburger Wort: Energiesicherheit war ein wichtiges Thema Ihrer Amtszeit und es hagelte scharfe Kritik am Aufbau von Enovos. Hat sich Ihr Kurs als richtig erwiesen?
Jeannot Krecké: Die Energiesicherheit in Luxemburg ist im Vergleich zum Ausland um vieles besser, was ein klarer Wettbewerbsvorteil ist. Wir haben aber auch noch ein paar Schwächen in der Versorgungssicherheit z. B. durch die fehlende Anbindung an das französische Stromnetz oder das Problem mit den ungenügenden Kapazitäten der Tanldager.
Luxemburger Wort: "Ich möchte daran gemessen werden, ob ich eine ordentliche Arbeit für das Land geleistet habe", sagte Wirtschaftsminister Krecké 2004 in einem Interview mit dem "Luxemburger Wort". Was würden Sie sich für ein Zeugnis ausstellen?
Jeannot Krecké: Das überlasse ich den Menschen und der Öffentlichkeit. Ich akzeptiere jedes Urteil. Ich gehe als zufriedener Mensch. Ich habe vieles erreicht, auch wenn es nicht immer so funktioniert hat, wie ich mir das gewünscht hätte. Ich hinterlasse meinem Nachfolger ein gut funktionierendes Ministerium. Wenn ich gute Arbeit geleistet habe, ist das zu einem wesentlichen Teil auch ein Verdienst der Mitarbeiter. Was ich allein gemacht habe, sind meine Reden. Die habe ich stets selber geschrieben.
Luxemburger Wort: Genug über die Bilanz des scheidenden Wirtschaftsministers. Luxemburg benötigt Reformen. Ein wichtiges Instrument dafür ist die zuletzt erneut gescheiterte Tripartite. Wie sehen Sie die Zukunft des Luxemburger Sozialmodells?
Jeannot Krecké: Die Zukunft des Luxemburger Sozialmodells hängt nicht vom guten Willen der Regierung ab, sondern vom guten Willen der Sozialpartner. Ich habe jetzt zweimal erlebt, dass keine Einigung möglich war. In diesem Fall steht eine Regierung in der Verantwortung, Entscheidungen zu treffen, dafür wurde sie gewählt. Das verhindert aber nicht, dass man sich weiter zusammen an den Tisch setzt, um Lösungen zu finden als Basis für Entscheidungen. Dass es derzeit schwierig ist, einen Konsens zu finden, liegt vor allem daran, dass die aktuelle Situation unterschiedlich eingeschätzt wird. Dann kann man sich auch nicht über Maßnahmen einigen.
Luxemburger Wort: Am Dienstag ist Ihr letzter Arbeitstag. Was werden Sie am meisten vermissen? Was gar nicht?
Jeannot Krecké: Mir wird die Zusammenarbeit mit meinen rund 160 Mitarbeitern im Ministerium fehlen und die Auslandsreisen, denn ich habe international versucht, Luxemburg anders darzustellen und gute Beziehungen aufzubauen. Diese Atmosphäre werde ich vermissen. Nicht vermissen werde ich hingegen den Stress bei der Umsetzung bestimmter Positionen und den frühen Arbeitsbeginn. Wenn ich ausnahmsweise mal erst um 7.30 Uhr statt schon um sieben Uhr ins Büro gekommen bin, hieß es gleich, der Chef habe verschlafen.