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"Wir haben keine andere Chance", Etienne Schneider au sujet du dialogue social, de la politique en matière d'énergie et d'un superministère
Luxemburger Wort: Herr Minister, sind Sie eigentlich erleichtert, dass Ihr Vorgänger und nicht Sie die Indexänderungen im Parlament zu verantworten hatten?
Etienne Schneider: Ich bin erst einmal froh, dass das Indexthema nun durch ist. Es gibt eine Reihe von Dingen, die eben gemacht werden müssen und ich hätte auch kein Problem gehabt, die jetzige Indexregelung zu verantworten. Ich habe nämlich in meinem ersten Interview als designierter Minister gegenüber RTL gesagt, dass wir zu einer Lösung finden sollten, wo Indextranchen mit zwölfmonatigem Intervall erfallen. Das sollte dann auch alles sein, mehr ist nicht durchzusetzen.
Luxemburger Wort: Und die angedachten Anpassungen am Warenkorb
Etienne Schneider:...sollen, so hat es der Premierminister vorgeschlagen, im Dialog mit den Sozialpartnern erfolgen. Nun haben die Gewerkschaften aber bereits verlauten lassen, dass sie nicht über den Warenkorb diskutieren wollen. Dies sollten wir zur Kenntnis nehmen und eine Diskussion erst gar nicht mehr anstreben. Ich denke, wir sollten die ganze Indexdebatte ein für allemal klassieren.
Luxemburger Wort: Wie soll es denn nun mit dem Sozialdialog und dem Luxemburger Modell weitergehen?
Etienne Schneider: Zu meinen ersten Amtshandlungen als Wirtschaftsminister werden Unterredungen mit den Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden gehören. Es ist vielleicht auch eine Chance, dem Meinungsaustausch als neuer Minister einen neuen Elan zu verleihen. Wir können doch gar nicht anders, als im sozialen Dialog zu funktionieren. Wir haben keine andere Chance. Dafür benötigen wir allerdings eine gesunde Grundlage. Wir haben mittlerweile eine Stimmung im Land erreicht, dass niemand mehr sein Geld ausgeben will. Arbeitgeber- wie Arbeitnehmerseite zeichnen mit ihren Pauschalargumenten ein Bild, als ob übermorgen in Luxemburg die Lichter ausgehen würden. Dem ist aber nicht so.
Luxemburger Wort: Was stimmt Sie optimistisch? Sie müssen doch zugeben, das Wirtschaftsministerium zu einem kritischen Zeitpunkt zu übernehmen.
Etienne Schneider: Es ist in der Tat ein denkbar ungünstiger Zeitpunkt und meine Chancen, einen Blumentopf zu gewinnen, sind gering. Dennoch bin ich der festen Überzeugung, dass wir auch diese Krise meistern. Wir sind nämlich ein flexibles Volk und wissen uns anzupassen. Wir halten zwar lange an Errungenschaften fest, gleichzeitig besitzen wir aber die Fähigkeit, uns zu pragmatischen Lösungen, wie jetzt bei der automatischen Lohnanpassung, durchzuringen. Zu unseren Vorzügen gehört auch, dass wir in Luxemburg nicht in dem Maße von der Krise betroffen sind wie unsere EU-Partner. Unsere Verschuldungsquote und unsere Defizitrate stellen im europäischen Vergleich Traumresultate dar. Nun gilt es eben, diesen Spielraum zu nutzen, um die Krise rasch hinter uns zu bringen.
Luxemburger Wort: Wo sehen Sie diesen Spielraum konkret?
Etienne Schneider: Wir verfügen über einen starken Banken- und Finanzplatz, wir haben eine Industrie, die wettbewerbsfähig ist und einen hohen Mehrwert erzielt und es gelingt uns immer noch, neue Unternehmen im Großherzogtum anzusiedeln, Beispiel Biotech-Branche. Ich bin mir allerdings bewusst, dass es sich um Branchen handelt, wo zum einen wenig Arbeitsplätze geschaffen werden und wo zum anderen ein hohes Qualifikationsniveau verlangt wird. Also muss uns daran gelegen sein, in unseren Schulen das bestmögliche Bildungsniveau anzustreben. Richtig Sorgen bereitet mir die Lage am Wohnungsmarkt. Bekommen wir diese Situation mit zu hohen Preisen und zu wenig Wohnraum nicht in den Griff, können wir langfristig auch eine Index- oder eine Rentenfrage nicht beantworten. Vielleicht müssen wir dafür irgendwann sogar brachialere Methoden anwenden.
Luxemburger Wort: Bleiben wir bei der Wirtschaft und einer Branche, die Ihr Vorgänger hierzulande etablieren wollte: der Logistiksektor.
Etienne Schneider: Wie Jeannot Kreck bin auch ich der Meinung, dass die Umgestaltung des WSA-Areals hin zu einem Logistikzentrum Realität werden muss. Wir stehen in Kontakt zu Betrieben, die an einer Niederlassung interessiert sind. Diese Betriebe, die mit bis zu 1 000 Lastwagen unterwegs sind, werden wir aber nicht ewig hinhalten können. Vielleicht können wir das Dossier via Spezialgesetz vorantreiben. Dazu muss, neben der juristischen Grundlage, der politische Wille vorhanden sein. Vorhanden ist in jedem Fall das Bedürfnis, die Logistikbranche zu entwickeln. Es ist nämlich jener Wirtschaftszweig, der viele Arbeitsplätze schafft und es ist jener Wirtschaftszweig, der Arbeitsplätze schafft, für die ein geringes Ausbildungsniveau ausreicht. Wir kränkeln hierzulande doch daran, dass wir es nicht mehr fertig bringen, Menschen mit niedrigem Bildungsstand eine Stelle anzubieten.
Luxemburger Wort: Schenkt man der Diagnose Ihres Amtsvorgängers Glauben, dann kränkelt das Wirtschaftsministerium daran, eine Koordinierungsstelle ohne Instrumente zu sein.
Etienne Schneider: Das Wirtschaftsministerium verfügt schon über Instrumente - zumindest, um Unternehmen nach Luxemburg zu locken. Denken Sie nur an die Investitionsbeihilfen, die Darlehen durch die SNCI, die Unterstützung bei Forschungs- und Entwicklungsprojekten, die Infrastrukturen und die Energieversorgung. Unser Problem beginnt in dem Moment, wo wir einen Unternehmer überzeugt haben, sich in Luxemburg niederzulassen, und dieser dann sagt, "morgen kommen wir". Dann beginnen die luxemburgischen Fristen und Prozeduren, und die liegen nicht in unserer Hand. Gegenüber einer Geschäftsleitung, die innerhalb eines Jahres ihre Zelte im Großherzogtum aufschlagen will, findet sich ein Wirtschaftsminister in einer blöden Lage wieder.
Luxemburger Wort: Wie kann dieser "blöden Lage" Abhilfe geleistet werden?
Etienne Schneider: Man könnte ein sogenanntes Superministerium schaffen. Das Nachhaltigkeitsministerium zeigt indes, dass Claude Wiseler als Leiter des Transportressorts dadurch nicht mehr Freiheiten gegenüber seinem Umweltressort hat. Jedes Ministerium, jede Verwaltung hat nun einmal seine eigenen Regeln, das ist geltendes Gesetz. Wenn wir die administrative Reform mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung voranbringen wollen, kommen wir nach meinem Dafürhalten nicht umhin, uns als die direkt betroffenen Minister mit unseren ranghohen Beamten zusammenzusetzen. In Seminaren müssen wir dann die Zusammenhänge erörtern und daraufhin die Abläufe vereinfachen. Die Intelligenz des Staates liegt im Staat. Man muss sie nur richtig zu nutzen wissen. Und das bedeutet für mich auch, dass Reformprozesse von oben herab diskutiert und umgesetzt werden müssen.
Luxemburger Wort: Im Wirtschaftsministerium waren Sie für den Energiebereich zuständig. Welche Akzente wollen Sie als Minister bei der Versorgungssicherheit und den erneuerbaren Energien setzen?
Etienne Schneider: Bei der Stromversorgung spielen die Verbindungen zum Ausland eine wesentliche Rolle. Ich werde dafür eintreten, dass die elektrische Leitung nach Frankreich gebaut wird. Die Sotel-Verbindung ist wichtig für den Arcelor-Standort Luxemburg; ein zweites Leitungsrohr dient der künftigen Stromversorgung des Landes. Ich werde mich auch dafür einsetzen, dass wir eine neue Leitung nach Belgien verlegen. Das hat mit Versorgungssicherheit zu tun. Das hat auch mit mit dem Nord-Süd-Transit im Rahmen der EU-Politik zur Förderung der erneuerbaren Energien zu tun.
Luxemburger Wort: Bei den Erneuerbaren hat Luxemburg noch ziemlichen Nachholbedarf. Bis 2020 soll der Anteil auf elf Prozent gesteigert werden.
Etienne Schneider: Ich nehme mir vor, in den folgenden zweieinhalb Jahren den Anteil der Erneuerbaren zu verdoppeln, gemessen am derzeitigen Bruttoenergieverbrauch. Dazu können wir die Wasserkraft und die Windenergie ausbauen, die Biogasnutzung weiter fördern und die Zumischung von Biotreibstoff heraufsetzen, so wie es die europäischen Bestimmungen vorschreiben. Die Nutzung von nachhaltigem Biokraftstoff ist auch deshalb von Bedeutung, weil zwei Drittel unseres Energiebedarfs auf den Mobilitätssektor entfallen.
Luxemburger Wort: Ihr Vorgänger sah sich parteiintern ein ums andere Mal dem Vorwurf ausgesetzt, als Minister zu unternehmerfreundlich aufzutreten. Wie wollen Sie den Spagat schaffen zwischen der Mitgliedschaft in der LSAP und dem Amt des Wirtschaftsministers?
Etienne Schneider: Als Wirtschaftsminister der LSAP sitzt man erfahrungsgemäß zwischen zwei Stühlen. Das ist eben so. Meine Amtsvorgänger Robert Goebbels und Jeannot Krecké haben diese Konstellation auch zu meistern gehabt. Die LSAP-Mitglieder wissen aber auch, dass man nur das Geld auch ausgeben kann, was man vorher erwirtschaftet hat. Das entspricht meinem Prinzip eines liberal und sozial denkenden Menschen. Natürlich wird es punktuell auch heftige Debatten geben. Am Ende aber hat meine Partei immer die richtigen Entscheidungen getroffen.
Luxemburger Wort: Wie werten Sie im politischen Prozess die Einflussnahme des OGBL auf die LSAP bzw. Auseinandersetzungen zwischen LSAP-Politikern und OGBL-Gewerkschaftern?
Etienne Schneider: Diese Diskussionen sind einfach nur schädlich und man kann darauf verzichten. Das gilt auch für Druck und Drohungen von Gewerkschaftern an die Adresse von Politikern. Das entspricht nach meinem Empfinden einer Diskussionskultur, die wir nicht brauchen. Wir benötigen stattdessen einen gut funktionierenden Sozialdialog, um die Zukunft des Landes zu gestalten.