Etienne Schneider au sujet du secteur de l'énergie, de ses priorités en tant que ministre de l'Économie et de la diversification de l'économie

Tageblatt: Sie machen sich für eine direkte Anbindung an das französische Stromnetz stark. Widerspricht das nicht der Philosophie der Regierung, die einen Atomausstieg in ganz Europa für wünschenswert erachtet?

Etienne Schneider: Ich persönlich, genauso wie die komplette Luxemburger Regierung, sind gegen Atomstrom. Wir wünschen auch einen schnellstmöglichen Atomausstieg in ganz Europa. Das macht aber nur Sinn, wenn wirklich in ganz Europa die Atommeiler ausgeschaltet werden. Die Tatsache, dass Luxemburg bislang nicht direkt an das französische Stromnetz angeschlossen ist, hindert ArcelorMittal in keinster Weise daran, Atomstrom aus Frankreich zu kaufen. Nur dass es dies über Belgien tun muss, und dann wird der Strom deutlich teurer. ArcelorMittal kauft sowieso Atomstrom aus Frankreich. Es kann nicht sein, dass wir aus ideologischen Gründen hier im Land Arbeitsplätze aufs Spiel setzen.

Tageblatt: Wie darf ich das verstehen?

Etienne Schneider: ArcelorMittal ist mit knapp über 6.000 Mitarbeitern immer noch der größte private Arbeitgeber in Luxemburg. Indirekt hängen einige weitere Tausend Arbeitsplätze von der Stahlindustrie ab. ArcelorMittal bezieht gegenwärtig Atomstrom aus Frankreich über Belgien, und muss dafür einen Aufpreis bezahlen. Könnte das Unternehmen direkt den Strom aus Frankreich beziehen, ohne den Umweg über Belgien, käme ihm das wesentlich günstiger. Wenn ArcelorMittal direkt in Frankreich den Strom kaufen könnte, müsste es dafür nur den Selbstkostenpreis für die Produktion plus einen kleinen Aufschlag bezahlen. Wenn 2013/2014 die Elektrostahlöfen amortisiert sind, dann fällt in London die Entscheidung, ob hierzulande weiter produziert wird, oder delokalisiert. Eine direkte Anbindung ans französische Netz wäre dann ein positives Kostenargument für ArcelorMittal, weiter in Luxemburg zu produzieren - zumal die ArcelorMittal-eigene Gesellschaft Sotel eine derartige direkte Anbindung wünscht.

Tageblatt: Würde das auch die Versorgungssicherheit Luxemburgs erhöhen?

Etienne Schneider: Das Leitungsnetz in Europa soll sowieso ausgebaut werden, vor allem auf der Achse Nord-Süd, auch hinsichtlich der besseren Nutzung regenerativer Energien. Wenn im Norden viel Wind bläst, kann der Strom aus den Windkraftanlagen in den Süden transportiert werden, wenn im Süden die Sonne scheint, kann der dort produzierte Strom nach Norden geleitet werden. Insofern würde die Anbindung an Frankreich auch die Versorgungssicherheit Luxemburgs verbessern, die gerade in unserer hoch industrialisierten Gesellschaft enorm wichtig ist. In diesem Zusammenhang planen wir auch neben der bestehenden, eine zweite Strom-Anbindung nach Deutschland, ebenso wie eine Gasanbindung an Frankreich, um unsere Abhängigkeit von Russland zu reduzieren. Über Frankreich könnten wir somit algerisches Gas beziehen.

Tageblatt: Welche andere Infrastruktur wird für Sie Priorität haben?

Etienne Schneider: Für mich ist der Mineralölsektor von enormer Bedeutung. Hier haben wir immer wieder mit Engpässen zu kämpfen. Deswegen möchte ich eine nationale Energieagentur gründen, welche die Ölreserven verwaltet und vor allem auch neue Tanks errichten, allen voran in Bascharage und Mertert. Auch das ist für unsere Versorgungssicherheit wichtig. Zumal eine mehr dezentrale Platzierung der Tanks wirklich Sinn macht.

Tageblatt: Viele Betriebe, die sich hier im Land ansiedeln möchten, finden keinen geeigneten Platz. Was soll da geschehen?

Etienne Schneider: Wir haben einen Plan aufgestellt, wo im Land neue Industriezonen entstehen könnten. Dieser Plan ist so lange geheim, bis ein entsprechendes Gesetz in der Chamber gestimmt wird, mit dem auch künftig Spekulationen unterbunden werden sollen. Es kann nicht sein, dass die Implantation eines Unternehmens nur daran scheitert, dass Grundeigentümer auf steigende Preise spekulieren und jahrelang nicht verkaufen, lediglich um die Preise in die Höhe zu treiben. Diese Art Spekulation wollen wir in Zukunft unterbinden.

Tageblatt: Welche Sektoren mächten Sie verstärkt ins Land holen?

Etienne Schneider: Zu den wichtigsten Sektoren gehören unter anderem die Umwelttechnologie, Life Seiences ebenso wie die Informations- und Kommunikationstechnologie. Diese Branchen werfen einen hohen Mehrwert ab. Sie schaffen zwar nicht ganz so viele Arbeitsplätze wie andere Sektoren, dafür aber hoch qualifizierte Arbeitsplätze.

Tageblatt: Und für die Geringqualifizierten?

Etienne Schneider: Für gering qualifizierte Arbeitnehmer wollen wir vor allem den Bereich Logistik in Luxemburg ausbauen. Denn zwar werden auch dort hoch qualifizierte Mitarbeiter gebraucht, doch das Gros der Belegschaft ist im Handling beschäftigt. In diesem Bereich könnten bis zu 5.000 neue Arbeitsplätze für gering qualifizierte Arbeitnehmer entstehen. Insofern freuen wir uns auch, dass die russische Firma Sodrugestvo Luxemburg für ihren Hauptsitz auserkoren hat. Diese Firma ist schließlich auch im Logistiksektor aktiv und wir erwarten uns, dass Sodrugestvo mittelfristig auch einen Teil ihrer Logistik über Luxemburg abwickeln wird.

Tageblatt: Sie machen sich als Wirtschaftsminister für eine Labelisierung von Produkten stark, bei denen bei der Produktion soziale Mindeststandards respektiert worden sind. Warum?

Etienne Schneider: Wenn Sie heute in Europa ein T-Shirt kaufen, das einen Euro kostet, dann kann das nicht in der EU produziert worden sein. Dieses Kleidungsstück wurde auf dem Rücken der Menschen in den ärmeren Ländern dieser Welt und auf dem Rücken der Umwelt hergestellt. Es kann nicht sein, dass der einzige Wettbewerbsvorteil beispielsweise eines asiatischen Landes darin besteht, dass die Beschäftigten dort einen Hungerlohn bekommen und gleichzeitig die Menschen in Europa ihren Arbeitsplatz verlieren. Das ist eine Frage der Ethik. Freier Handel heißt nicht, dass dafür alle moralischen Kriterien über Bord geworfen werden dürfen. Deswegen brauche wir ein europäisches Label, das dafür garantiert, dass importierte Produkte unter der Berücksichtigung sozialer und ökologischer Mindeststandards hergestellt wurden.

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