"Nicht wieder die gleichen Fehler machen", Jean Asselborn au sujet d'une réunion de certains ministres des Affaires étrangères de l'UE à Berlin

EurActiv.de: Herr Asselborn, Sie waren Dienstag abend in dieser exklusiven Runde von EU-Außenministern, die Außenminister Westerwelle nach Berlin eingeladen hatte, um über die Zukunft Europas zu diskutieren. Wie ergiebig war denn diese Runde?

ASSELBORN: Es ist nicht der Fehler gemacht worden, eine Debatte über Verfassungsänderung oder Vertragsänderung zu lancieren. Eine neue Verfassungsdebatte muss man sich zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall ersparen. Wenn man jetzt wieder zu fragen anfinge, ob zum Beispiel die Kommission zu viele oder zu wenige Mitglieder hat oder ob wir Juniorkommissare oder Hauptkommissare brauchen und so weiter, wäre das ein fatales Bild, das wir in der europäischen öffentlichen Meinung ausstrahlen würden.

Wir sind in einer ganz schweren Krise und dürfen nicht den Fehler machen, unsere Energie wieder auf eine Vertragsdebatte zu konzentrieren. Das täte der Glaubwürdigkeit der EU nicht gut und würde von den Bürgern unverstanden bleiben.

EurActiv.de: Ist es überhaupt die Aufgabe von Außenministern, über die Rolle der EU in der Zukunft nachzudenken?

ASSELBORN: Das möchte ich total bejahen. Eine solche Runde unter Außenministern ist sehr sinnvoll, und das Thema ist bei den Außenminister durchaus auch bei den richtigen Leuten gelandet, wenn man über die Zukunft der Europäischen Union nachdenken will. Allerdings war es mein Wunsch, dass wir die Debatte allen öffnen, die Mitglied der EU sind. Nicht alle wollen mehr Integration. Das muss man respektieren, Aber man kommt in einer Union nur voran, wenn man in solchen Runden nicht von vornherein Misstrauen schürt und Länder ausschließt. Das Zweite, was ich empfohlen habe: Wenn wir zu einem Reflexionspapier kommen, könnten wir es dann in die bestehenden Strukturen der Union einbringen.

EurActiv.de: Die Diskussion soll ja nun in mehreren Sitzungen fortgesetzt werden. Wurden beim ersten Treffen die richtigen Fragen gestellt?

EurActiv.de: Herr Asselborn, Sie waren Dienstag abend in dieser exklusiven Runde von EU-Außenministern die Außenminister Westerwelle nach Berlin eingeladen hatte, um über die Zukunft Europas zu diskutieren. Wie ergiebig war denn diese Runde?

ASSELBORN: Es ist nicht der Fehler gemacht worden, eine Debatte über Verfassungsänderung oder Vertragsänderung zu lancieren. Eine neue Verfassungsdebatte muss man sich zu diesem Zeitpunkt auf jeden Fall ersparen. Wenn man jetzt wieder zu fragen anfinge, ob zum Beispiel die Kommission zu viele oder zu wenige Mitglieder hat oder ob wir Juniorkommissare oder Hauptkommissare brauchen und so weiter, wäre das ein fatales Bild, das wir in der europäischen öffentlichen Meinung ausstrahlen würden.

ASSELBORN: Die Fragen nach der Substanz waren die richtigen Fragen. Europa als Global Player; dass sich nicht alles nur um den Euro drehen darf. Es gibt viele andere europäische Themen. Nehmen wir das Beispiel Schengen: Es ist fatal, wenn man - sogar in einem großen Land - in einer Wahlkampagne damit spielt und den Zug in die andere Richtung zurückdreht. Man stelle sich ein Europa vor, an dessen Grenzen wieder Kilometer um Kilometer Pks und Lkws zur Ausweiskontrolle stehen, das würde den Totschlag der Europäischen Union in den Köpfen der Leute bedeuten. Meiner Ansicht nach darf die EU keine Konstruktion für Intellektuelle sein. Sie ist nach dem Krieg aufgebaut worden, um den Bürgern einen Mehrwert zu bringen und zu zeigen, dass wir viele Sachen nicht national, sondern nur gemeinsam bewältigen - und dann auch viel effektiver.

EurActiv.de: Welchen Stellenwert spielte die Außenpolitik?

ASSELBORN: Es war von allen Teilnehmern zu hören, dass man eine gemeinsame Struktur für eine europäische Verteidigungspolitik braucht. Das heißt nicht, dass militärisch mehr aufgerüstet wird, sondern dass einfach die bestehenden militärischen und verteidigungspolitischen Strukturen in ein europäisches Headquarter einfließen, eine Zentralstelle, wo man koordiniert vorgehen kann. Wir wissen, dass vor allem ein Land noch große Probleme damit hat.

EurActiv.de: Sie meinen Großbritannien?

ASSELBORN: Ich hoffe, dass wir das überwinden können. Dann beschäftigte uns noch die Frage nach dem föderalen Europa.

EurActiv.de: Verstehen alle Ihrer Kollegen das Gleiche darunter?

ASSELBORN: Dass wir mehr Europa und nicht weniger Europa brauchen, darüber waren wir uns alle einig. Aber wenn wir von einem föderalen Europa reden, reden wir - meiner persönlichen Einschätzung nach - in einer Perspektive von 2050. Das hieße, dass man eines Tages in Europa einen Präsidenten hat, eine Regierung hat, ein Parlament hat, das dann diese Regierung kontrolliert. Aber das ist ein Schritt, den wir zur Zeit noch nicht reif sind zu tun. Aber dass das Ziel sein soll, einmal ein echter Global Player zu sein, bin ich überzeugt. Wir dürfen uns jetzt nicht wieder direkt in institutionelle Umwälzungen stürzen. Man soll erst schauen, wie Lissabon funktioniert, wofür wir ja immerhin zehn Jahre gebraucht haben.

EurActiv.de: Wo gab es in der Runde die größten Widersprüche?

ASSELBORN: Es gab bei mehreren Punkten viele widersprüchliche Ansichten und unterschiedliche Herangehensweisen. Aber die Suche, wie man zu mehr Integration in Europa gelangt, ist ein langer Weg. Die Diskussion in Berlin war jedoch sehr offen, denn wir saßen ja nicht zusammen, um unbedingt die Meinung einer Regierung weiterzugeben. Auch wenn wir 24 Stunden am Tag Außenminister sind, müssen persönliche Einschätzungen und Argumente erlaubt bleiben.

EurActiv.de: Ist Ihnen bekannt, wieso Westerwelle ausgerechnet diese Staaten eingeladen hat und die anderen nicht?

ASSELBORN: Es waren die sechs EU-Gründerländer dabei und einige andere.

EurActiv.de: Und sonst ist kein Kriterium bekannt? Es wusste keiner der Teilnehmer, warum gerade er eingeladen wurde.

ASSELBORN: Das Argument der Deutschen war, dass man es zu siebenundzwanzigst nie fertigbringt, wenigstens den Anfang zu machen. Mein Vorschlag war, dass man nach der ersten Sitzung versuchen soll, den Kreis zu erweitern. Jeder, der will, soll mitmachen können und die Gelegenheit bekommen, das auch zu tun. Dieser Vorschlag wurde von vielen Ländern geteilt, auch von Ländern, die europäisches Gewicht haben, etwa die Spanier, die Italiener, die Belgier zum Beispiel. Es war ein sehr guter Auftakt, aber wie stehen wir vor den Kollegen da, die nicht eingeladen wurden? Wir wollten nichts unternehmen, was mehr anstößt oder aneckt, als dabei überhaupt herauskommen konnte. Ich habe nicht den Eindruck bekommen, dass das bei Westerwelle auf Granit gestoßen ist. Aus meiner Sicht hat jedes Land das Recht, da mitzumachen, wenn es will.

Membre du gouvernement

ASSELBORN Jean

Date de l'événement

23.03.2012

Type(s)

gouv:tags_type_event/interview