"Alle Aktionäre müssen an einem Strang ziehen", Claude Wiseler au sujet de l'actionnariat de Cargolux

Luxemburger Wort: Beim Blick in die Zukunft: Wird es 2020 noch luxemburgische Fluggesellschaften am Findel geben?

Claude Wiseler: Ja, weil ich der Meinung bin, dass es für Luxemburg als Land und als Hauptstadt notwendig und wichtig ist, dass wir über Gesellschaften verfügen, die funktionieren. Cargolux kommt eine Herzfunktion beim Logistikzentrum Luxemburg zu. Logistik ohne Cargolux ist hierzulande schwer vorstellbar. In gleichem Maße ist Luxair ein wesentlicher Pfeiler der Anbindung Luxemburgs an die Außenwelt.

Luxemburger Wort: Wie erklären Sie sich die Probleme, die den Fortbestand der Airlines in Frage stellen?

Claude Wiseler: Ich will vorausschicken, dass ich mir nicht anmaße, in dem einen oder anderen Fall Schuldzuweisungen zu machen. Vorab gilt es auch festzuhalten, dass die Luftfahrt europa- und weltweit turbulente Zeiten erlebt. Beim Frachtaufkommen beobachten wir seit geraumer Zeit eine Verlangsamung des Wachstums, insbesondere im asiatischen Raum, wo Cargolux sehr stark engagiert ist. Erschwerend hinzu kommt, dass eine Reihe neuer Anbieter am Markt sind, mit anderen Preisstrukturen, als wir sie in Europa kennen. Hier haben wir es mit einer sehr effizienten Konkurrenz zu tun. Für zusätzliche Konkurrenz sorgen eine Reihe klassischer Passagier-Airlines, die nun verstärkt Fracht im Bauch ihrer Flieger befördern. Letztlich spielt in Krisenzeiten der Kostenpunkt eine größere Rolle: Die Cargolux-Strategie "You name it, we fly it" ist zwar extrem kundenorientiert, heute stellt sich aber die Frage, ob sie auch das Geschäftsmodell der Zukunft darstellt.

Luxemburger Wort: Das sind sicherlich alles Erklärungen für die Defizite, die Cargolux jeden Monat einfliegt. Gibt es neben diesen konjunkturellen Schwierigkeiten nicht noch mindestens zwei weitere, hausgemachte Erklärungen? Erstens die Kartellstrafen in den USA und in Europa, die eine schwere finanzielle Belastung bedeuteten. Zweitens die offensichtlichen Spannungen im Verwaltungsrat, die mittlerweile das ganze Betriebsklima vergiften.

Claude Wiseler: Die Strafen wegen unerlaubter Absprachen belasten zwar die Reserven, haben aber keinen Einfluss auf die Defizite, die Cargolux heute jeden Monat im operativen Geschäft einfliegt. Auch ohne Kartellstrafen kämen wir nicht an einer grundlegenden Uberprüfung der Strategie vorbei. Zu den Spannungen im Verwaltungsrat will ich folgendes sagen: Es ist wichtig, dass die Aktionäre an einem Strang ziehen. Wir führen jetzt eine "strategic review" durch. Deren Ergebnis muss zu einer Strategie führen, an die alle Partner glauben, und die von allen getragen wird.

Luxemburger Wort: Sind die wirklich ernsten Probleme nicht erst nach dem Einstieg Katars entstanden?

Claude Wiseler: In der öffentlichen Meinung in Luxemburg wird die Beteiligung Katars am Cargolux-Kapital als Ursache der aktuellen Schieflage gesehen. Das ist aber grundfalsch. Katar ist nicht die Ursache der Probleme, hat aber wohl etwas mit ihrer Lösung zu tun.

Luxemburger Wort: Zwei Drittel des Firmenkapitals gehören den luxemburgischen Eignern, ein Drittel dem katarischen Investor. Es sieht aber so aus, als würde der Minderheitsaktionär die anderen Aktionäre vor sich her treiben.

Claude Wiseler: Wie meinen Sie das?

Luxemburger Wort: Die Entscheidung, dass der Finanzchef Interim-CEO wird, und auch die Diskussion um eine mögliche Auslagerung der Motorenwartung sind von der katarischen Seite inspiriert.

Claude Wiseler: Es ist nicht ungewöhnlich, dass der Finanzdirektor Interim-Chef wird. Das war schon so, als der damalige CEO vor zwei Jahren seinen Posten aufgab. Bei der Frage der Wartung verhält es sich objektiv so: Die Cargolux hat eine Studie in Auftrag gegeben, in der untersucht wird, welche strategische Neuausrichtung notwendig ist, und wie die Gesellschaft ihre Kostenseite in den Griff bekommen kann. Dass die Wartung, wie alle anderen Kostenfaktoren, dabei auf den Prüfstand kommt, finde ich nicht ungewöhnlich. Die Antwort auf diese Frage scheint jedoch heute nicht eine Auslagerung, sondern eine überprüfte, kosteneffizientere Wartung in Luxemburg zu sein.

Luxemburger Wort: Nehmen wir an, die Regierung hätte 2009 das Aktienpaket, das sie der insolventen Swissair abkaufte, behalten und keinen strategischen Partner für Cargolux gesucht. Wären die Probleme ohne Katar heute die gleichen wie mit Katar?

Claude Wiseler: Sie wären genau gleich. Wenn eine Firma jeden Monat so hohe Defizite macht, wie das bei Cargolux der Fall ist, kommt kein Aktionär daran vorbei, dringend Antworten auf die zwei Fragen zu finden: wie bekomme ich meine Kosten in den Griff, und wie muss ich meine Strategie ausrichten, um wieder in die Gewinnzone zu gelangen.

Luxemburger Wort: Eine Kapitalerhöhung bei Cargolux scheint unausweichbar. Wie sieht der Luxemburger Staat die künftige Kapitalstruktur? Wird das Gewicht von Qatar Airways steigen?

Claude Wiseler: Wenn der Luxemburger Staat sich an einer Kapitalerhöhung beteiligen will, muss er beweisen, das er nach betriebswirtschaftlichen Kriterien und Notwendigkeiten handelt. Ansonsten wird die Kapitalspritze von Brüssel aus als illegale Beihilfe gesehen. Davon abgesehen bin ich der Meinung, dass wir bei einer Kapitalerhöhung die Verhältnisse wahren sollen, die jetzt bestehen. Klar muss aber sein, dass die künftige Strategie von allen Anteilseignern gemeinsam getragen wird. Der Luxemburger Staat ist nur indirekt Aktionär. Die Beteiligten am "Luxemburger Block" im Kapital - BCEE, SNCI, und Luxair - haben ihre eigenen Zwänge.

Luxemburger Wort: Also sind Sie nicht sicher, dass die aktuellen Besitzverhältnisse weiterhin bestehen bleiben?

Claude Wiseler: Wir wissen, dass die Kapitalerhöhung notwendig ist, kennen aber noch nicht ihre genaue Höhe. Wie ich schon sagte, haben die Aktionäre unterschiedliche Zwänge und Auflagen. Eine "Spuerkeess" kann nur im Rahmen ihrer Risikovorsorge und der Bankenaufsicht handeln. Für die SNCI ist es ähnlich. Bei Luxair gibt es Reserven, die verfügbar sind. Die schwierige aktuelle Lage erlaubt es aber auch der Luxair nicht, alle ihre Reserven in eine Kapitalerhöhung bei Cargolux zu investieren. Wir studieren derzeit alle Möglichkeiten, wobei auch Umschichtungen innerhalb der Aktionärsstruktur, sowie eine direkte Beteiligung des Staates in Erwägung gezogen werden.

Luxemburger Wort: Sie halten sich in ihrer Antwort eine Hintertür offen, wohlwissend, dass eine höhere Beteiligung Katars bei den Gewerkschaften sehr schlecht ankommen würde.

Claude Wiseler: Sie wollen es also kurz und bündig: Ich gehe davon aus, dass bei einer Kapitalerhöhung die aktuelle Gewichtung beibehalten wird. Das ist die Zielsetzung.

Luxemburger Wort: Ihnen wird vorgeworfen, im Dossier Cargolux keine klare Position zu beziehen.

Claude Wiseler: Das was ich ihnen gesagt habe, scheint mir klar genug. Die gesamte Strategie eines privaten Betriebes, der internationaler Konkurrenz ausgesetzt ist, sollte nicht in der Offentlichkeit debattiert werden. Den Vorwurf, dass ich nicht mit allen Details an die Offentlichkeit gehe, kann man mir gerne machen. Ich finde, das gehört sich nicht. Denn vieles, was in letzter Zeit über Cargolux in der Presse stand, ist für die Gesellschaft nicht hilfreich, sondern sogar schädlich.

Luxemburger Wort: Cargolux plädiert für eine Lockerung des Nachtflugverbotes. Wie wollen Sie dieses heiße Eisen schmieden?

Claude Wiseler: Dieses Anliegen stellt ein ernsthaftes Problem dar, denn zum einen ist das Festhalten am Verbot im Koalitionsabkommen verankert. Zum anderen ist das Nachtflugverbot ein Schwachpunkt gegenüber Flughäfen wie Amsterdam, Hahn oder Lige und der Entwicklung des Logistikstandortes nicht dienlich. An der Cargolux ist es nun, Zahlen vorzulegen, um das Problem des Nachtflugverbotes zu beschreiben, worauf hin man mögliche Lösungen finden kann. Dann gehören aber auch andere Akteure wie die Anrainergemeinden mit an den Tisch, denn es geht auch um ein reales Lärmproblem.

Luxemburger Wort: Wie begegnen Sie dem Dilemma, dass der Flughafen neue Airlines anzieht, diese aber nicht unbedingt willkommen sind?

Claude Wiseler: Eine unbestrittene Tatsache ist, dass der Flughafen attraktiv ist, wegen seiner niedrigen Gebühren und wegen seiner modernen Infrastruktur - daran haben wir ja in den letzten Jahren gearbeitet. Wenn daraufhin eine Reihe neuer Gesellschaften Luxemburg als Standort auswählen und die erforderlichen Lizenzen vorlegen, kann ich das nicht untersagen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass ich froh bin über jede zusätzliche Fluganbindung an neue Destinationen. Das ist gut für die Bürger, und das ist gut für den Standort.

Luxemburger Wort: Aber ist es auch gut für Luxair und den Staat als Anteilseigner bei Luxair?

Luxemburger Wort: Bei einem Konkurrenzangebot auf den von Luxair geflogenen Strecken stellt sich die Frage anders. Aber Luxair muss sich der Konkurrenz stellen, das können wir nicht verhindern. Im Ubrigen hat es Luxair stets verstanden, auf Wettbewerber zu reagieren und zu bestehen. Bei Luxair weiß man, dass diese Realität nicht ignoriert werden kann. Der Betrieb muss die Unternehmensstrategie darauf abstimmen.

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