"Ein Staat ist kein Sparverein". Etienne Schneider dresse le bilan intermédiaire de son mandat de ministre de l'Économie et du Commerce extérieur

Marco Meng: Herr Minister, was haben Sie von dem, was Sie sich für die ersten 12 Monate vorgenommen hatten, nicht erreicht?

Etienne Schneider: Ich habe mir keine Ziele gesetzt, die lauteten, dieses Jahr muss das erledigt sein oder jenes. Ich kann höchstens sagen, dass ich Verschiedenes bedauere, zum Beispiel dass wir Hyosung nicht überzeugen konnten, hier zu bleiben. Wenn ich mir die Tripartite Sidéurgie ansehe, da bin ich auf der einen Seite natürlich nicht froh, wie es um die Werke Schifflingen und Rodange steht, es gibt aber auch eine positive Seite, wenn man sieht, was Frankreich getan hat, um Zugeständnisse von ArcelorMittal für Investitionen von 180 Millionen Euro abzuhandeln und wir es wenigstens fertigbrachten, für mehr als 400 Millionen Euro Zugeständnisse zu bekommen. Dass der Konzern aber Arbeitsplätze abbaut, das ist nicht gut für den Wirtschaftsstandort, weil damit die Industrie im Land weiter schrumpft. Ich habe in diesem Jahr aber auch viele positive Erfahrungen gemacht, zum Beispiel was sich im Logistikbereich getan hat, ich denke da an den Freeport am Findel oder an das Projekt Eurohub Sud.

Marco Meng: Warum aber hat die Umsetzung so lange gedauert?

Etienne Schneider: Das lag zum Teil an den Prozeduren; auch waren sich manche Investoren nicht einig. Jetzt hat sich schon Transalliance dort niedergelassen, die türkische Mars-Logistics konnten wir überzeugen, von hier eine Verbindung über Triest nach Istanbul zu betreiben, was ein Rieseninvestment ist. Ich bin momentan mit ihnen am Verhandeln, dass sie ihr Europageschäft nach Luxemburg transferieren. Expeditors, der Global Player in Pharmazielogistik, hatte erst nur ein Büro mit zwei, drei Leuten hier eröffnen wollen, durch die Investitionen bei LuxairCargo mit dem Healthcare-Bereich konnten wir sie dafür begeistern, hier viel mehr zu machen.

Marco Meng: Ist die Ankündigung mit 5.000 Arbeitsplätzen allein im Logistiksektor aber wirklich realistisch?

Etienne Schneider: Das ist absolut realistisch. Momentan arbeiten 13.000 Leute im Logistikbereich. Je mehr Unternehmen kommen, umso mehr folgen. Darum ist das ein Bereich, den ich immer gepusht habe, weil hier auch Arbeitsplätze für Minderqualifizierte entstehen. Auch im ICT-Bereich haben wir uns gut entwickelt und sind bei der IT-Infrastruktur unter den Top-10. Hier ist mein Ziel, in drei Jahren unter den Top-3 zu sein. Das verlangt nach Investitionen und war auch die Zusage an viele Unternehmen, die hierhin kamen, zuerst wegen der TVA als Hauptargument. Bleiben werden sie aber wegen der Infrastruktur, wenn 2015 der niedrige Luxemburger Steuersatz für den E-Commerce fällt.

Marco Meng: Wie sieht es überhaupt mit der Besteuerung aus, da doch die EU eine Steuerangleichung anstrebt. Was sagt Luxemburg dazu?

Etienne Schneider: Auch wenn Brüssel und einige Länder das wollen, es gibt auch andere Länder, die das nicht wollen. Da hat Luxemburg seine Position, und die werden wir so lange verteidigen wie wir können.

Marco Meng: Sehen Sie den Bankenplatz gefährdet durch das, was in der EU diskutiert wird?

Etienne Schneider: Doch. Der Druck wegen Informationsaustausch und Finanztransaktionssteuer, der Druck auf Luxemburg wird immer größer. Wir werden dem noch einige Zeit standhalten können, aber klar ist: wir müssen unsere Wirtschaft diversifizieren und andere Sektoren aufbauen, um das, was bei der Finanzbranche weniger wird, zu kompensieren. Ich bin aber auch überzeugt, dass wir immer ein starker Finanzplatz sein werden.

Marco Meng: Um nochmal auf den Logistikbereich zurückzukommen: sind die Russen bei Cargolux aus dem Rennen?

Etienne Schneider: Nein. Ich habe kürzlich noch mit Transportminister Claude Wiseler gesprochen, der ja die Verhandlungen führt. Details kann ich aber nicht sagen. Was sich sagen kann ist, dass sich die Regierung absolut klar ist, wie wichtig Cargolux ist, wenn wir den Logistiksektor entwickeln wollen.

Marco Meng: Dass die Kataris ausgestiegen sind, ärgert Sie?

Etienne Schneider: Nicht, dass sie ausgestiegen sind, aber der Umstand, wie das abgelaufen ist. Das wirft im Ausland kein gutes Bild auf Luxemburg.

Marco Meng: Wessen Schuld war es?

Etienne Schneider: Ich denke, dass es im Endeffekt ein Problem von Persönlichkeiten war, die nicht zueinander fanden. Wir hatten so etwas noch nie, dass wir einen Investor im Ausland gefunden haben, und dieser dann wieder geht und Luxemburg darüber "froh" ist. Auch die ganze Polemik über die Kataris war nicht gut. So etwas schadet uns. Seit wir hier die erste Eisenbahn gebaut haben, sind wir auf ausländisches Kapital angewiesen. Bei Cargolux war es natürlich eine ungewöhnliche Situation, weil die Emotionen so hochgekocht sind...

Marco Meng: Dass das alte Arbed-Gebäude in der Innenstadt nun verkauft wird, ist das ein Symbol für den Niedergang der Industrie im Land?

Etienne Schneider: Also psychologisch gesehen, da geb ich Ihnen recht, ist das kein gutes Zeichen. Der rein unternehmerische Aspekt ist zwar verständlich, mir ist aber wichtig, dass das Gebäude nicht verkommt und dass es an jemanden verkauft wird, der passt. Klar ist, der Staat wird es nicht kaufen.

Marco Meng: Die Arbeitslosenzahlen in Luxemburg haben einen Höchststand erreicht, Unternehmen klagen, die Arbeitskosten seien zu hoch. Wird der Index reformiert?

Etienne Schneider: Der wird mit Sicherheit reformiert, aber erst nach den Wahlen. Die Modulation, die wir machten, gilt bis 2014. Jetzt müssen alle Parteien eine Position zum Index einnehmen, mit der sie zu den Wahlen antreten. Die Regierung, die dann gewählt wird, muss das dann umsetzen.

Marco Meng: Was ist die Position der LSAP?

Etienne Schneider: Die ist noch nicht fixiert.

Marco Meng: Es ist noch nicht so lange her, da fragten Sie, wie es sein kann, dass jemand 10.000 Euro monatlich verdient, aber trotzdem Kindergeld erhält. Wann wird das geändert?

Etienne Schneider: Das ist eine Debatte, die man breiter führen muss. Es war immer bei uns so, das "ein Kind wie das andere" ist. Nun müssen wir, auch weil der Staat sparen muss, umdenken und selektiver mit seinen Mitteln haushalten. Das braucht seine Zeit: ich will aber damit nicht sagen, dass wir nicht vielleicht dieses Jahr darangehen werden.

Marco Meng: Was war als Kind Ihr Berufswunsch?

Etienne Schneider: Minister zu werden.

Marco Meng: Das glaube ich nicht.

Etienne Schneider: Doch, im Ernst, Politik hat mich immer schon interessiert.

Marco Meng: Was sind die persönlichen Wünsche für die Zukunft? Möchten Sie Premierminister werden?

Etienne Schneider: Absolut, sonst säße ich nicht hier. Man muss ja ein Ziel haben.

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