"Funktioniert nur, wenn das Angebot stimmt". Claude Wiseler au sujet des développements dans le domaine des transports publics

Claude Feyereisen: Die feierliche Inbetriebnahme der nunmehr zweigleisigen Eisenbahnstrecke Luxemburg-Petingen am 7. Dezember 2012 hatte Symbolcharakter. Sie steht für die Bereitschaft der Regierung, die Bahn fit für die Zukunft zu machen. Wie sieht das Gesamtkonzept aus?

Claude Wiseler: Wir werden künftig stärker zwischen Bus- und Bahnstrecken unterscheiden. Die Bahn erweist sich als adäquates Verkehrsmittel auf - aus Luxemburger Sicht - längeren Strecken, auf denen in den Stoßzeiten viele Passagiere auf einmal befördert werden müssen. Im Klartext: Es handelt sich dabei um die Hauptstrecken, die bis ins belgische, deutsche und französische Grenzgebiet hinein verlaufen. Auf diesen Strecken müssen die Kapazitäten weiter gesteigert werden, einerseits, um noch mehr Passagiere befördern zu können, andererseits, um eine echte Alternative zum Individualverkehr zu bieten. Ein erster Schritt in diese Richtung ist der Ausbau der Petinger Strecke auf zwei Gleise. Dadurch konnte die Zahl der werktags verkehrenden Züge verdoppelt werden.

Claude Feyereisen: Welche werden die nächsten Schritte sein?

Claude Wiseler: Mit der Zweigleisigkeit auf der Petinger Strecke ist ein großes Projekt abgeschlossen. Das nächste wird die wichtige, weil die Verbindung mit Belgien darstellende Kleinbettinger Strecke sein. Dort werden umfangreiche Modernisierungsarbeiten durchgeführt, die in erster Linie die Stellwerke und die Elektrifizierung betreffen. Die Arbeiten werden noch in diesem Jahr anlaufen. Das ist dann der Luxemburger Beitrag zur allgemeinen Verbesserung der Zugstrecke Luxemburg-Brüssel. Ein weiteres Projekt ist die Verbindung mit Deutschland, bis zum Bahnhof Sandweiler wird sie auf zwei Gleise ausgebaut. Zu diesem Projekt gehört auch die Mitfinanzierung der Zweigleisigkeit auf deutscher Seite, zwischen Igel und Igel-West. Diese Zweigleisigkeit wird den sogenannten Rheinland-Pfalz-Takt, einmal pro Stunde von Luxemburg nach Trier und Koblenz, ab 2015 ermöglichen. Das quantitativ wichtigste Projekt ist die Bettemburger Strecke, die zudem die Verbindung mit Frankreich darstellt: Auf dieser Trasse soll in naher Zukunft auf vier Gleisen gefahren werden können, auch sollen die langsameren Züge von den schnelleren getrennt werden. Das ist insofern ein Gewinn, als die Bettemburger Strecke sowohl von lokalen und regionalen, als auch von internationalen Zügen, darunter der TGV, befahren wird. Außerdem ist sie eine wichtige Fracht-Strecke der Bahn. Das Gesetzprojekt soll noch vor den Wahlen 2014 im Parlament verabschiedet werden. Eine letzte, nicht minder wichtige Baustelle sind umfassende Modernisierungsarbeiten auf der sogenannten Nordstrecke, die mit rund 96,2 Millionen Euro zu Buche schlagen werden.

Claude Feyereisen: Wie wird die angesprochene stärkere Unterscheidung von Bus und Bahn künftig aussehen?

Claude Wiseler: Eine Parallelerschließung durch Bus und Bahn auf der gleichen Strecke soll künftig unterbunden werden. Entweder fahren Busse, oder es fahren Züge. Alles andere ist reine Verschwendung, und das können wir uns auf Dauer nicht mehr leisten. Deshalb bildet die Bahn weiterhin das Rückgrat des öffentlichen Verkehrsnetzes. Die regionalen Busse dienen hingegen als Zubringer von den einzelnen Dörfern zum nächstgelegenen Bahnhof oder werden künftig vorrangig in den Regionen eingesetzt, die nicht über eine adäquate Bahnanbindung verfügen, wie beispielsweise der Nordwesten oder der Südosten des Landes.

Claude Feyereisen: Eine Mammutaufgabe...

Claude Wiseler: Ja. Das gesamte regionale Bussystem muss neu organisiert werden. Der Personentransport auf den Hauptachsen in Richtung Hauptstadt soll, wie gesagt, künftig dort, wo es möglich ist, mit Zügen gewährleistet werden, oder aber mit Schnell-Buslinien. Die Zielorte sind die sogenannten "Pôles d‘échange" am Stadtrand, da es nicht mehr möglich sein wird, die stetig steigende Zahl von Regionalbussen durch das Stadtzentrum zu führen, wie das heute der Fall ist. Dort steigen die Passagiere aus dem Umland in die Tram oder die Busse um, die sie dann über eine leistungsfähige Infrastruktur an das gewünschte Ziel bringen. So erreichen wir bessere Verbindungen, kürzere Reisezeiten und somit eine bessere Auslastung der öffentlichen Verkehrsmittel.

Claude Feyereisen: In der Theorie mag das funktionieren, in der Praxis müssen die Pendler aber dazu bewogen werden, das Auto stehen zu lassen und auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen...

Claude Wiseler: Dessen bin ich mir voll und ganz bewusst. Das System wird nur funktionieren, wenn den Fahrgästen ausreichend Komfort geboten wird, und wenn die öffentlichen Verkehrsmittel sie zügig ans Ziel bringen. Des Weiteren darf man nicht vergessen, dass in urbanen Räumen die Kapazitäten für den Autoverkehr sowie die zur Verfügung stehenden Parkplätze begrenzt sein werden.

Claude Feyereisen: Wie soll dieser Komfort aussehen?

Claude Wiseler: Die Umsteigeplattformen, die sogenannten "Pôles d'échange", müssen modern, komfortabel und zweckmäßig zugleich sein. Sie müssen sich das so vorstellen: Die "Pôles d'échange" sind Haltepunkt für Bahn, Bus und Tram und ermöglichen durch ihre kompakte Bauweise sehr kurze Umsteigewege. Diese Umsteigeplattformen werden dementsprechend Dreh- und Angelpunkt der "MoDu" genannten "Stratégie globale pour une mobilité durable pour les résidents et les frontaliers" sein. Die Pendler werden mit der Bahn oder mit den regionalen RGTR-Bussen aus allen Regionen des Landes zu diesen Umsteigepunkten gebracht. Von diesen aus verkehren dann die Tram und die städtischen Busse. Die RGTR-Busse werden ab der Inbetriebnahme der Tram zudem nicht mehr ins Zentrum der Stadt Luxemburg hineinfahren, was eine erhebliche Entlastung für dieses bedeutet. Weiterhin werden an den verschiedenen Endhaltestellen der Tram große Auffangparkplätze vorgesehen für die Pendler aus dem Umland und neue P+R-Standorte in der Region für die Grenzpendler.

Claude Feyereisen: Wie gedenken Sie, das Problem der radialen Ausrichtung des bisherigen öffentlichen Verkehrsnetzes zu lösen?

Claude Wiseler: Die "Pôles d'échange" werden durch sogenannte tangentiale Buslinien miteinander verbunden werden, sodass jemand, der ins Gewerbegebiet nach Gasperich oder zum Kirchberg will, nicht zuerst bis ins Stadtzentrum fahren muss, um dort in den entsprechenden Bus umzusteigen, der ihn an seinen Zielort bringt.

Claude Feyereisen: Sie scheinen ja an altes gedacht zu haben...

Claude Wiseler (lacht): Ja, müssen wir auch! Das öffentliche Verkehrsnetz funktioniert nur dann, wenn das Angebot auch stimmt.

Claude Feyereisen: Der Umstieg vom Auto auf die Bahn fällt manch einem aber auch schwer, weil an manchen Bahnhöfen, insbesondere im Westen des Landes, nicht ausreichend Parkraum für die Autos zur Verfügung steht.

Claude Wiseler: Stimmt. Das Problem beschränkt sich aber im Wesentlichen auf Bahnhöfe im Westen Luxemburgs, wie Sie sehr richtig beobachtet haben. Die meisten dort abgestellten Fahrzeuge gehören belgischen Berufspendlern. Sie fahren mit dem Auto bis zum ersten Bahnhof auf Luxemburger Territorium und steigen dort auf die Bahn um. Sie tun das wegen der im Vergleich zu Luxemburg in Belgien sehr hohen Abo-Tarife für die belgische Bahn. Es laufen aber derzeit konstruktive Gespräche mit den zuständigen belgischen Stellen, um eine Lösung in Form von kostengünstigeren, grenzüberschreitenden Tarifen für Pendler zu finden.

Claude Feyereisen: Bleibt die Frage nach der Tram. Die Regierung hat sich wiederholt zur Tram bekannt, die erste Tram soll 2017 fahren. Die Tram als Allheilmittel für die Verkehrsprobleme auf dem Stadtgebiet?

Claude Wiseler: Die Tram löst nicht alle Probleme, aber viele. Sie ist die richtige Antwort auf die Frage, welches Transportmittel angesichts steigender Berufspendlerzahlen auf dem Stadtgebiet das angemessenste ist. Die Tram ist schlichtweg eine Notwendigkeit!

Claude Feyereisen: Eine Notwendigkeit?

Claude Wiseler: Ja, eine Notwendigkeit. Wäre das Passagieraufkommen in den Stoßzeiten mit Bussen zu bewältigen, wäre die Tram-Frage mit Sicherheit nicht gestellt worden. Aber: In den Stoßzeiten bieten die Busse schon heute einfach zu wenig Kapazität. Es ist nicht möglich, der enormen Anzahl an Fahrgästen, die befördert werden wollen, mit Bussen mit dem nötigen Komfort und der zu erwartenden Pünktlichkeit Herr zu werden. Das sind einfach zu viele Passagiere auf einen Schlag. Und deren Zahl wird weiter stark zunehmen! Sinn und Zweck der Tram ist deshalb die gleichermaßen zügige und komfortable Beförderung der Berufspendler von den "Pôles d'échange" zu jenen Stadtteilen, wo sich der Großteil der Arbeitsplätze befindet. Und diese befinden sich nun einmal im Stadtzentrum, im Bahnhofsviertel, auf Kirchberg und auf Findel, in nicht allzu ferner Zukunft zudem in Hollerich und im "Ban de Gasperich". Und genau dort wird auch die Trasse der Tram verlaufen.

Dernière mise à jour