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Jean-Claude Juncker au sujet du Conseil européen
Luxemburger Wort: Anders als zunächst angedacht wird sich der Gipfel weniger mit der Wirtschafts- und Währungsunion auseinandersetzen, sondern sich eher den jungen Arbeitslosen widmen. Was ist denn zu erwarten?
Jean-Claude Juncker: Die Vertiefung der Wirtschaftsund Währungsunion ist in den Hintergrund gerückt. Das ist bedauerlich und zugleich darauf zurückzuführen, dass die Mitgliedstaaten zuletzt noch geteilter Meinung waren. Wir befassen uns aber mit einem weiteren Thema von ebenso zentraler Bedeutung: die Jugendarbeitslosigkeit. Die Zahlen sind besorgniserregend. Wir brauchen gemeinsam abgestimmte, länderübergreifende Maßnahmen. Wenn wir vorankommen wollen, müssen wir aber auch Wachstumsfragen berücksichtigen.
Luxemburger Wort: Sechs Milliarden Euro EU-Gelder sind als Hilfe für arbeitslose Jugendliche eingeplant. Doch konkrete Schritte verzögern sich.
Jean-Claude Juncker: Wir befürworten, dass die Fördergelder sofort 2014 und 2015 eingesetzt werden und nicht bis 2020 aufgeteilt werden. Die Unterstützung soll auch gezielt dort zur Anwendung kommen, wo die Jugendarbeitslosigkeit 25 Prozent überschreitet. In Luxemburg haben wir uns verpflichtet, die Jobgarantie voranzutreiben, damit junge Arbeitsuchende innerhalb von vier Monaten ein Arbeitsangebot, eine Ausbildung oder ein Praktikum bekommen. Hierfür wird die Adem um 25 Mitarbeiter aufgestockt.
Luxemburger Wort: Inzwischen macht sich die Kritik breit, dass für die Bankenrettung umgehend 700 Milliarden Euro mobilisiert wurden, für junge Arbeitsuchende fehle es an schnellen Entscheidungen, und das wegen einer vergleichsweise geringen Summe.
Jean-Claude Juncker: Hätten wir die Banken nicht gerettet, so hätte der Bankenkrach weit mehr Jobverluste bei erwachsenen Erwerbstätigen und Jugendlichen sowie eine Verarmung von weiten Teilen der Bevölkerung verursacht. Der Vergleich ist populistisch.
Luxemburger Wort: Die Hilfe für die jungen Leute hängt von einer Einigung über die EU-Finanzplanung bis 2020 ab. Der Präsident des Europaparlamentes, Martin Schulz, hat nun ein Einlenken der EU-Regierungen gefordert.
Jean-Claude Juncker: In Luxemburg sind wir der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten dem EU-Parlament bei der EU-Finanzplanung mehr entgegenkommen müssen. Das trifft besonders den Wunsch des Parlaments nach mehr Flexibilität im mehrjährigen Haushalt. Auffällig ist jedenfalls, dass jene Länder, die am lautesten Geldmittel für junge Arbeitslose verlangen, zugleich den neuen Finanzrahmen wegen nationaler Überlegungen abbremsen.
Luxemburger Wort: Kann im Rahmen der zweitägigen Tagung eine Lösung erzielt werden?
Jean-Claude Juncker: Das Thema der Finanzplanung wird zweifellos die Gespräche prägen. Der Präsident des Europäischen Parlaments wird wahrscheinlich eingangs des Treffens darauf eingehen und Vorschläge unterbreiten. Offen. bleibt, ob der Europäische Rat eine definitive Lösung erzielen kann. Es ist jedenfalls unglaubwürdig, auf neue Mittel für Arbeitslose zu drängen, aber die Voraussetzungen dafür nicht herbeizuführen. Wir konnten uns bislang nicht auf den Finanzrahmen verständigen, haben aber ein sogenanntes Milliarden-Euro-Abkommen, das den Finanzrahmen speisen soll. Das ist bedenklich.
Luxemburger Wort: Der Dialog zwischen den Institutionen ist getrübt. Und zwischen Kommissionspräsident Barroso und Frankreich gab es heftige Wortwechsel...
Jean-Claude Juncker: In Frankreich ist es populär, sich negativ über die Kommission zu äußern, wobei manche Kritik womöglich berechtigt ist; Brüssel für alle Schwierigkeiten die Schuld zuzuschieben, ist dennoch maßlos übertrieben. In Luxemburg üben manche politische Lager Kritik an Deutschland für die hiesigen Probleme. Dabei sollte jeder seine Hausaufgaben machen.
Luxemburger Wort: Der Gipfel soll ferner den Prozess des Europäischen Semesters abschließen. Wird das ohne weiteres abgehandelt?
Jean-Claude Juncker: Die länderspezifischen Empfehlungen der EU-Kommission und der einhergehende Prozess sind keine Formalität. Der Abschluss des Europäischen Semesters zeichnet den Weg auf, den die jeweiligen Mitgliedstaaten begehen müssen, um das Wirtschaftswachstum zu gewährleisten. Ohne Wachstumsimpulse können wir das Problem der Jugendarbeitslosigkeit nicht regeln. Das Problem ist nur mit öffentlichen Geldern nicht zu begradigen.
Luxemburger Wort: Wie ist es denn mit dem Kampf gegen die Kreditklemme für mittelständische Unternehmen? Hier soll die Europäische Investitionsbank die Bürgschaften erleichtern.
Jean-Claude Juncker: Obschon die Banken durch die herabgesetzten Zinssätze günstig Geld leihen können, kommt es bei vielen Unternehmen nicht an. Wir müssen also den Kreditfluss wieder ankurbeln, denn das trägt auch zur Schaffung neuer Arbeitsplätze - besonders für junge Leute - bei. Wir müssen allerdings Sorge tragen, dass das AAA-Rating der Europäischen Investitionsbank erhalten bleibt.
Luxemburger Wort: Zum Thema Stabilität des Euro: Der EU-Gipfel berät auch über die Einführung des Euro in Lettland...
Jean-Claude Juncker: Voriges Jahr war noch vom Niedergang der gemeinsamen Währung die Rede. Dass Lettland nun Anfang 2014 den Euro einführen will, zeigt die Attraktivität der Währung. Andere Länder werden folgen. Für einen Totgesagten ist der Euro sehr lebendig.