Helmut Rehmsen: Herr Asselborn, lautet das Motto dieser Verhandlungen vermutlich: „Es gibt keine Chance auf Frieden, also nutzt sie“.
Jean Asselborn: Ich glaube dass, das Positive, Herr Rehmsen, ist ja dass der Wille zu bestehen scheint, einen neuen Anlauf zu nehmen, und dass ein Prozess seinen Lauf nimmt, der ja in 9 Monaten abgeschlossen sein soll.
Es geht aber nicht nur – und da haben Sie komplett Recht – um einen Prozess, sondern es geht um Frieden. Und die Eckpunkte, die kennt jeder Mensch, die Grenzen für einen palästinensischen Staat. EU und USA sagen: Grenzen von 1967, Jerusalem Hauptstadt beider Länder, Flüchtlinge lösen, Sicherheitsfragen.
Aber dann, die große Frage ist, was geschieht mit den israelischen Siedlungen außerhalb der Grenzen von 1967? Man nimmt ja an, dass ungefähr 500.000 bis 600.000 Siedler in der Westbank und in Ostjerusalem leben.
Helmut Rehmsen: Und Israel hat kurz vor Beginn der Verhandlungen den Bau weiterer Siedlungen angekündigt. Wie schätzen Sie den Willen auf beiden Seiten ein, tatsächlich zu einer Einigung zu kommen?
Jean Asselborn: Ich glaube, dass der Wille von der palästinensischen Autorität selbstverständlich eigentlich ohne Alternative ist. Ob das der Fall ist - ich sage jetzt ausdrücklich nicht für Israel, sondern von der Regierung Netanjahu - kann man leichte Zweifel haben.
Die Kernfrage ist also meines Erachtens, die Siedlungspolitik Israels; hat sie als Ziel oder hat sie aber als Konsequenz vielleicht nur, dass genau eine Zweistaatenlösung physisch nicht zustande kommt.
Diese Ankündigung, die Sie angesprochen haben, von neuen Siedlungen, aber auch die Ankündigung, dass dies erst ein erster Schritt zu einer Intensivierung der Siedlungsaktivitäten ist, ist glaube ich, ein Schlag ins Gesicht derer die eine Zweistaatenlösung wollen.
Und das Schlimme dabei ist, dass ja in der Europäischen Union, in Deutschland, in allen Ländern der Europäischen Union, sagt man ja immer, wir lehnen die Siedlungspolitik der Regierung Netanjahu ab. Aber das wird dermaßen, dermaßen banalisiert, dass keiner mehr diese Kritik hört. Die Welle ist ja immer der selbe Rhythmus: Ankündigung, Ausbau, Empörung in USA und in Europa. Die Fakten sind geschaffen, und bleiben geschaffen.
Helmut Rehmsen: Politiker antworten nicht gerne auf hypothetische Fragen. Ich frage Sie trotzdem. Was ist wenn die Verhandlungen scheitern? Die Lage ist ja auch durch die Situation in Ägypten im Nahen-Osten nicht leichter geworden.
Jean Asselborn: Nein, das stimmt. Ich glaube, dass diese Verhandlungen, der allerletzte Ansatz ist um diese Zweistaatenlösung zu erreichen.
Und ich glaube, wenn Sie mir das erlauben, was wichtig wäre, oder auch wirklich hilfreich wäre, ist wenn zum Beispiel die israelische Gemeinschaft in Deutschland, die ja sehr stark ist, wenn sie sich auch zu dieser Siedlungspolitik kritisch äußern würde.
Man weiß ja, dass die Palästinenser einen Staat wollen, und auch das Recht haben in einem Staat zu leben, und dass das auch die Bedingung ist, damit Frieden zu Israel geschaffen wird. Und ich glaube hier ist wirklich ein Volk wie das israelische, und das weiß man ja auch vor allem in Deutschland, die israelischen Mitbürger in Deutschland, dass Israel, das dermaßen ja erniedrigt wurde in der Geschichte, weiß dass Würde und Recht auf Lebensperspektive eigentlich elementar sind für jede friedliche Lösung. Und die muss angestrebt werden. Es gibt keine Alternative hierzu.
Was Ägypten angeht, ja Sie haben ganz Recht, dass hier wirklich die Armee nicht nur die Islamisten geschlagen hat, sondern auch die jungen, zarten Pflanzen einer entstehenden Demokratie.
Der Chef der Streitkräfte hat die Liberalen, wie el-Baradei besiegt, wenn ich so sagen darf. Der Notstand ist wieder eingeführt. Das war ja das Zeichen unter Mubarak, 30 Jahre waren Notstandsgesetze auf der Tagesordnung. Und alle Errungenschaften vom Januar 2011 die scheinen jetzt zunichte gemacht werden.
Ich hoffe, dass wir als Europäische Union, wir ja kein Problem haben selbstverständlich die Gewalt zu verurteilen, aber dass wir auch alles tun damit wirklich der Dialog in Ägypten wieder eingesetzt wird, und dass Wahlen stattfinden, dass auch zusammen mit den Amerikanern, und anderen Ländern (gëtt ënnerbrach)
Helmut Rehmsen: Aber es wird nicht einfacher, glaube ich, im Nahen-Osten die Situation, so viel kann man zusammenfassen.
Die gute Nachricht immerhin, die Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern werden fortgesetzt. Das war gestern das Ergebnis der ersten Runde.
Herzlichen Dank an Jean Asselborn, den luxemburgischen stellvertretenden Regierungschef und Außenminister. Danke für das Gespräch am Morgen.