Xavier Bettel au sujet des défis du nouveau gouvernement

Tageblatt: Herr Staatsminister, wann haben die Diskussionen zur Dreierkoalition angefangen?

Xavier Bettel: Schon vor den Wahlen liefen Diskussion sowohl mit der CSV wie auch mit der LSAP und den Grünen, ob die Möglichkeit für eine andere Koalition besteht. Wir wollten aber bis zum Wahlabend abwarten.

Tageblatt: Und wer hat am Wahlabend den ersten Schritt getan?

Xavier Bettel: (überlegt fünf Sekunden) Ich kann jetzt nicht sagen, wer zuerst mit wem geredet hat. Man ist auf einem Empfang, man spricht miteinander. Was für mich klar war, ich wollte keine Mehrheit mit nur 31 Sitzen, mit wem auch immer. Ein Sitz hätte mir nicht genügt.

Tageblatt: 31 oder 32 ist aber kein großer Unterschied...

Xavier Bettel: Aber ja. Wenn bei 31 Sitzen auch nur einer fehlt, gibt es keine Mehrheit. 32 ist sicher eine knappe Mehrheit. Die Haltung der CSV am Wahlabend 'wir sind diejenigen, die den nächsten Staatsminister stellen, wir schauen jetzt, mit wem wir die nächste Regierung bilden' hat mich sehr beeinflusst, zu sagen: warum nicht eine Koalition wagen, die eine andere Politik möglich macht?

Tageblatt: Wessen Idee war es, Pierre Gramegna als Finanzminister zu nominieren?

Xavier Bettel: (hebt die rechte Hand) Meine.

Tageblatt: Warum?

Xavier Bettel: Ich kenne Pierre Gramegna und finde ihn gut. Er ist Ökonomist, Jurist und Diplomat drei Qualitäten, die im Moment wichtig sind. Es gab auch andere Kandidaten, auch welche, die sich spontan meldeten. Wenn man bis 'Formateur' ist, hat man auf einmal sehr viele neue Freunde.

Tageblatt: Eine der Maximen dieser Regierung ist die politische Erneuerung. Wie sehen Sie die Rolle eines "neuen" und "anderen" Premiers?

Xavier Bettel: Ich bin nicht derjenige, der von oben herab diktiert. Ich bin der, der zusammen mit seinen Ministerkollegen Entscheidungen trifft. Es gibt ein Zusammenhalt in der Regierung. Kollektive Mitsprache ist mir wichtig. Nicht nur in der Regierung, auch mit der Bevölkerung. Wir haben wieder diese Woche gehört, wie die CSV zu Referenden steht. Sie ist der Meinung, es genügt, den Bürger alle fünf Jahre nach seiner Meinung zu fragen. Die drei Parteien sind sich einig, dass man den Bürger nicht fürchten und ihn mehr teilhaben lassen muss.

Tageblatt: Sie sagen, Sie diktieren nicht. Ist das ein Vorwurf, Ihr Vorgänger sei eine Art "Diktator" gewesen?

Xavier Bettel: Nein, es ist eine Einstellung, dass ich in einem Team arbeiten will. Ich vertrete die drei Komponenten der Koalition und vertrete eine Politik für das ganze Land.

Tageblatt: Nehmen wjr einige Punkte aus Ihrem Regierungsprogramm, z.B. den Index. Sie wollen die Gesetzgebung anpassen. Wann?

Xavier Bettel: Sofort. Normalerweise könnten bis zu zwei Indextranchen pro Jahr erfallen. Im Augenblick ist es ja so, dass maximal eine pro Jahr ausbezahlt wird. Es handelt sich um einen Kompromiss zwischen drei Parteien.

Tageblatt: Höchstens eine Tranche pro Jahr war ja sowieso noch bis Ende 2014 vorgesehen...

Xavier Bettel: Ja, und wir wollen das System weiterführen. Es gab auch Diskussionen, den Warenkorb zu ändern. Das war eine Forderung von uns. Es wurde uns aber erklärt, dass eine Änderung bezüglich Tabak und Alkohol so kleine Auswirkungen habe, mit dem Risiko, dass man nachher noch andere Sachen herausnehmen wolle. Wir haben uns auf eine Tranche pro Jahr geeinigt. Ich hatte gestern noch Diskussionen mit Unternehmern, die sagten, der Index zerstöre Jobs. Ich sehe aber, der Index sichert den sozialen Frieden. Und ich glaube, der soziale Frieden darf etwas kosten.

Tageblatt: Ihre Regierung wird den Index also sicher nicht abschaffen?

Xavier Bettel: Nein!

Tageblatt: Thema Staatsfinanzen. Sie wollen die Staatsschuld unter 30 Prozent des BIP halten, und am Ende der Legislaturperiode ein Saldo von 0,5 Prozent des BIP haben. Wie soll das gehen?

Xavier Bettel: Durch verschiedene Maßnahmen. Wir werden u.a. die, Ausgaben verringern. Wir müssen bei uns selbst anfangen zu sparen, ehe wir den Leuten sagen, dass sie es auch tun sollen.

Tageblatt: Was unterscheidet ein "Screening", wie Sie es nennen, von anderen Sparmat3nahmen beim Staat?

Xavier Bettel: Screening bedeutet, zu untersuchen, ob Ausgaben notwendig sind. Als ich z.B. hier im Staatsministerium einzog, sagte man mir, dies und das müsste erneuert werden. Weil es schon alt sei. Das ist eine Dummheit. Ich sehe dazu keine Notwendigkeit, solange man die Sachen noch benutzen kann. Das sind alles Automatismen ..."

Tageblatt: ... der Staatsverwaltungen, die am Ende des Jahres noch schnell ihr ganzes Budget ausgeben.

Xavier Bettel: ... die sind katastrophal. Wir müssen in den nächsten drei Monaten den nächsten Staatshaushalt fertig haben. Aber wir werden dabei schon erste Akzente setzen.

Tageblatt: Können Sie sagen, wo diese Akzente gesetzt werden sollen?

Xavier Bettel: Es wird eine Mischung all der Punkte sein, die ich aufgezählt habe. Es ist auch kein Geheimnis, dass die TVA erhöht wird.

Tageblatt: Die Erhöhung der TVA ist eine ziemlich unsoziale Maßnahme.

Xavier Bettel: Wir kommen nicht daran vorbei. Der stark ermäßigte Steuersatz bleibt bestehen. Ich kann das nicht mehr hören, wenn jemand sagt, es sei eine unsoziale Maßnahme. Wollen wir einen Haushalt, mit dem wir noch eine Sozialpolitik machen können, oder wollen wir Von heute auf morgen sagen, wir haben kein Geld mehr, um RMG und Arbeitslosenunterstützung zu zahlen?

Tageblatt: Sie können aber nicht verneinen, dass kleine Einkommen mehr von einer TVA-Erhöhung betroffen sind als andere?

Xavier Bettel: Es hängt davon ab, was sie kaufen. Es gibt Sachen, bei denen die TVA vielleicht wehtut. Aber es ist eine kollektive Anstrengung. Man kann aber keine TVA für den einen einführen und nicht für den anderen. Wir wollen aber den niedrigsten Mehrwertsteuersatz in Europa beibehalten.

Tageblatt: Sie wollen die soziale Selektivität, um zu sparen. Sie haben aber auch die gratis Kinderbetreuung angekündigt...

Xavier Bettel: ... falls es finanziell machbar ist.

Tageblatt: Dabei wird es aber keine Selektivität geben.

Xavier Bettel: Weil wir der Meinung sind, Kinderbetreuung gehört zur Schule, und wir meinen, Schule soll nicht sozial selektiv sein. Schule muss für jeden gleich sein. Schule, Kindergarten, Betreuung: all das gehört zur Ausbildung eines Kindes. Es soll nicht so sein, dass der eine es sich leisten kann und der andere nicht.

Tageblatt: Wurde daran gedacht, Sozialtransfers abzuschaffen wie z.B. die "Mammerent".

Xavier Bettel: Es wurde über alles diskutiert. Glauben Sie mir, es wird alles ausgerechnet. Die Frage ist, ob eine 'Mammerent' noch zusätzlich zu einer relativ hohen Rente ausbezahlt werden muss. Es handelt sich um eine soziale Errungenschaft, mit der die Menschen ihre Leben planen. Aber wir können gewisse Ausgaben nicht erst in 20, 30 Jahren auslaufen lassen.

Tageblatt: Ihre Regierung will u.a. versuchen, Senioren länger in den Betrieben zu halten. Wie?

Xavier Bettel: Vielleicht über eine Art Betreuung in den Betrieben. Es handelt sich ja dabei oft um Leute mit Erfahrung. Es ist schlimm, das Gefühl zu haben, ab einem bestimmten Alter nicht mehr ge braucht zu werden. In den Köpfen mancher Arbeitgeber ist das so.

Tageblatt: Da sind noch Diskussionen nötig.

Xavier Bettel: Ja, der Sozialdialog ist etwas Wichtiges.

Tageblatt: Wie wollen Sie ihn wieder in Gang bringen?

Xavier Bettel: Die Tripartite muss wiederbelebt werden und sie muss gut vorbereitet werden. Im Moment existiert der Sozialdialog nicht mehr. Einen Dialog muss man vorbereiten. Man geht nicht mit den Händen in den Taschen hin und sagt sich: jetzt schauen wir mal, was kommt.

Tageblatt: Die Gewerkschaften sagen, der Sozialdialog begrenze sich nicht auf die Tripartite, sondern er finde auch in den Betreiben statt.

Xavier Bettel: Ja, aber da bin ich nicht.

Tageblatt: Aber da kann die Regierung den Rahmen setzen.

Xavier Bettel: Ja, und es gibt ja Gesetzesvorhaben. Aber wir wollen nichts aufzwingen. Wir wollen Gesetzestexte zusammen mit den Betrieben und den Gewerkschaften ausarbeiten, Texte, mit denen wir vorwärts kommen.

Tageblatt: Kommen wir zu einem anderen Thema. Es scheint, dass Sie schon auf Kriegspfad mit der Kirche sind.

Xavier Bettel: Wenn ich ankündige, wir wollen neben dem Tedeum eine zivile Veranstaltung, die morgens der erste Staatsakt sein soll, areligiös und apolitisch, dann bedeutet das nicht, dass wir den Tedeum abschaffen und die Kathedrale schließen wollen. Ich akzeptiere diese Vereinfachungen nicht. Das Gleiche gilt in Sachen Werteunterricht. Wir wollen einen Unterricht, der areligiös und pluralistisch ist. Das bedeutet nicht, dass kein Kind mehr einen Religionsunterricht besuchen darf. Die Kirche kann das ja ebenso gut organisieren. Die Diskussion darüber geht mir furchtbar auf die Nerven.

Tageblatt: Und die Konventionen mit den Kirchen?

Xavier Bettel: Wir sind uns bewusst, dass wir die alle überarbeiten müssen. Dann werden wir sehen, was verfassungsmäßig ist und was nicht, was Gesetz ist und was nicht. Ich habe Anfragen von anderen Glaubensgemeinschaften, die auch in Schulen unterrichten wollen. Ich glaube, Religion gehört nicht in die Schule. Was ist denn die Rechtfertigung zu sagen: die Katholiken dürfen und die anderen nicht?

Tageblatt: Haben die anderen Glaubensgemeinschaften schon eine Antwort erhalten?

Xavier Bettel: Ich bin jetzt erst eine Woche Minister. Diese Anfragen sind schon älter. Ich will mich mit allen treffen, um ihre Forderungen zu hören, und dann sage ich ihnen auch meine Meinung.

Tageblatt: Religionslehrer haben Angst, sie würden ihre Stelle verlieren.

Xavier Bettel: Ja, das wird behauptet. Ich erhalte anonyme Briefe, Petitionen, sogar Briefe von Kindern, die mir schreiben, ihre Religionslehrerin würde weinen, weil ich sie entlassen wolle. Diese Leute werden selbstverständlich eine Arbeit behalten. Das heißt aber auch, dass sie das Programm respektieren müssen. Sie müssen eben umgeschult werden. Mich macht die 'mauvaise compréhension' von einigen Leuten wütend, wobei ich mir die Frage stelle, ob es nicht Absicht ist. Bildungsminister Claude Meisch wird alle diese Angelegenheiten zusammen mit dem Kultusministerium analysieren.

Tageblatt: Das Kultusministerium war nie sehr transparent.

Xavier Bettel: Das wird sich ändern. Ich bin dabei, es zu reorganisieren. Da arbeitet nur ein Beamter, jetzt kommt ein zweiter hinzu Ich möchte, dass alle Konventionen analysiert werden, die Frage des Werteunterrichts und die Finanzierung der Kirchen.

Tageblatt: Wie sollen Glaubensgemeinschaften in Zukunft finanziert werden?

Xavier Bettel: Ich persönlich bin ich der Meinung, dass eine Kirchensteuer das Richtige wäre. Die Leute könnten auf ihrer Steuererklärung angeben, ob sie einer Glaubensgemeinschaft etwas geben wollen. Das wäre das Logischste. Aber so weit sind wir noch nicht.

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