Claude Meisch au sujet de la Foire de l'étudiant

"Die Uni.lu hat absolut eine Daseinsberechtigung."

Interview: Diane Lecorsais / Nadine Schartz (Luxemburger Wort)

LW: Claude Meisch, was und wo haben Sie studiert?

Claude Meisch: Ich habe in Trier Wirtschaftsmathematik studiert. Mein Ziel war es, auf dem Finanzplatz in Luxemburg "unterzukommen" und meinen Weg dort zu gehen.

LW: Waren Sie sich denn von Anfang an mit der Wahl ihres Studienfaches sicher?

Claude Meisch: Ich hatte vor Trier noch eine Zwischenetappe: Ich habe ein Semester Chemie in Stuttgart studiert. Wie viele Jugendliche habe ich genau das getan, was man nicht tun sollte. Nach meinem Sekundarschulabschluss hält man sein Diplom in den Händen, man feiert dies ausgiebig und überlegt sich dann irgendwann, welche Schritte man in Zukunft machen will. Ich habe mich daraufhin für ein Chemiestudium entschieden, stellte mir aber weder die Frage nach meiner beruflichen Zukunft noch habe ich mich damit auseinandergesetzt, wie dieser Studiengang aussieht. Chemie kannte ich, es machte mir Spaß, doch kannte ich es nur theoretisch. Ich war schon etwas erschrocken, als ich dann den ganzen Tag im Labor verbringen musste. Irgendwann dachte ich mir aber, dass dies nichts für mich sei.

LW: Wieso haben Sie sich schließlich für Trier entschieden?

Claude Meisch: Hierfür gibt es einige Gründe: Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits mit meiner Frau zusammen. Sie hat damals weiter in Luxemburg studiert, weshalb ich dann auch nicht zu weit weg wollte. Zudem war ich bereits politisch aktiv, so dass ich fast jedes Wochenende oder auch zwischendurch nach Hause kam, um an einer Versammlung teilzunehmen. Somit war Trier eigentlich optimal. Natürlich habe ich mich auch sehr für den Studiengang interessiert. Mathematik hat mich schon vor meinem Studium fasziniert und die Mischung mit der Wirtschaft trug mit zu meiner Entscheidung bei. Dazu muss ich sagen, dass die Uni neu war und mir gut gefallen hat. Die Mathematikfakultät war überschaubar und der Kontakt mit den Professoren war, im Gegensatz zu anderen Universitäten, sehr gut. Kam anfangs der 1990er-Jahre eher die Diskussion um überfüllte Hörsäle an den deutschen Universitäten auf, so war dies in Trier nicht der Fall.

LW: Wie sah Ihre erste Studentenwohnung aus?

Claude Meisch: In Stuttgart wohnte ich in einer schönen, aber teuren Kellerwohnung einer Lehrerin und eines Ingenieurs. Da diese mir aber auf Dauer zu teuer war, einigten wir uns darauf, dass ich ein freies Zimmer in ihrem Haus beziehen durfte. In Trier zog ich dann wieder zurück in eine Kellerwohnung im Haus einer Witwe. Ich half ihr auch manchmal bei den Gartenarbeiten. Die Monatsmiete wollte sie allerdings stets in bar. Und dies aus gutem Grund: Wenn ich mit dem Geld zu ihr kam, gab es frisch gebackenen Kuchen, heiße Schokolade, Campari-Orange im Sommer und Glühwein im Winter und rein zufällig lief genau an dem Tag die Serie "Columbo". Natürlich habe ich dieses Programm jeden Monat mitgemacht.

LW: Wurden Sie als Student "getauft"?

Claude Meisch: Nein. Ich war eigentlich nie in einer Studentenverbindung. Ich habe zwar in Trier an einigen Veranstaltungen, wie unter anderem einem Staffellauf nach Luxemburg, teilgenommen, aber sonst war ich nie wirklich aktiv. Ich denke aber, dass ich mich auch in anderen Uni -Städten nicht hätte taufen lassen. Ich mag es nicht, wenn ein anderer mir sagt, was ich tun soll, um dazu zu gehören. Dazu bin ich nicht der Typ.

LW: Sie haben in diesem Jahr an der Reel in München teilgenommen. Welches Fazit ziehen Sie aus diesem Treffen? 

Claude Meisch: Morgens habe ich mir einen Spaß daraus gemacht, die Studenten zu zählen, die während der Podiumsdiskussion eingeschlafen sind: Die Quote lag bei circa zehn Prozent was eigentlich noch ganz in Ordnung ist. Natürlich durften in München ein Mass Bier und luxemburgische Lieder nicht fehlen. Sogar für mich hatten sie ein Lied gedichtet. Insgesamt war die Stimmung super. Zum anderen war die Qualität der Diskussionen sehr gut. Diese waren seriös und sehr gut vorbereitet worden. Während des Rundtischgesprächs haben wir die Positionen der einzelnen Vereinigungen diskutiert. Es ist wunderbar, dass junge Leute sich auf diesem Niveau Gedanken machen und konstruktiv Dinge angehen.

LW: Wie sehen Sie die von der Acel geforderte gesetzlich verankerte Studentenvertretung?

Claude Meisch: Ich bin eigentlich dafür. Und weil es um die Studenten geht, wäre ich froh, wenn wir mittelfristig eine Entscheidung treffen könnten. Wichtig ist, dass wir einen Ansprechpartner haben, der dann auch in die Meinungsbildungsprozesse eingebunden wird und die Meinung der Luxemburger Studenten wiedergibt. Noch tut die Acel sich etwas schwer damit, und noch haben wir nicht ganz zusammengefunden. Ein Vorschlag, der während der Reel zur Sprache kam, geht eher in die Richtung, dass die einzelnen Studentenvereinigungen sich in einem Vorstand zusammentun und gemeinsame Vorschläge ausarbeiten. In manchen Fällen dürfte es für die Mitglieder der einzelnen Vertretungen jedoch schwierig werden, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen. Damit dieses Gremium wirklich repräsentativ ist, sollten die einzelnen Vertreter gewählt werden - vielleicht nach dem Modell der "Cnel" (Conference nationale des élèves du Luxembourg). Wir werden diesbezüglich auf jeden Fall in Kontakt bleiben. 

LW: Die Studienbeihilfen waren ja während der Reel ein Thema. Welche Pläne haben Sie in diesem Zusammenhang? Hier wurde von einer Umfrage gesprochen...

Claude Meisch: Dies haben wir im Vorfeld diskutiert und in der Reform der Studienbeihilfen vorgesehen. Wichtig ist, dass wir belastbares Zahlenmaterial haben. Deshalb denke ich, dass wir die Umfrage von einem externen Meinungsforschungsinstitut durchführen lassen. Es geht vor allem darum, zu verstehen, weshalb einige Studenten ihr Studium nicht schaffen, welche Sorgen die Studenten haben, usw.

LW: Wie stellen Sie sich diese Umfrage denn vor?

Claude Meisch: Zusammen mit der Acel werden wir einen Fragekatalog ausarbeiten. Dieser soll sich nicht allein um die Regeln bei der "Bourse" drehen, sondern beispielsweise auch um die hohen Einschreibegebühren in England - denn gerade die englischen Universitäten sind zurzeit sehr beliebt. Wir müssen uns überlegen, wie wir damit umgehen, ob wir diesbezüglich reagieren müssen? Was ist zu beachten, wenn Studenten neben ihrem Studium arbeiten, inwiefern hilft dies beim Studium und inwiefern schadet es dem Studium? Wo gibt es Studentenjobs? Wo findet man Firmen, in denen man ein Praktikum absolvieren kann? Zu all diesen Fragen müssen wir eine Antwort finden.

LW: Das Angebot an der Uni Luxemburg wird immer größer. Ist es für Sie trotzdem wichtig, dass die Jugendlichen im Ausland studieren?

Claude Meisch: Ja, ganz klar. Die Uni.lu hat absolut eine Daseinsberechtigung. Damit können wir auch Jugendliche von einem Studium überzeugen, die dies vorher aus irgendwelchen Gründen nicht im Ausland tun wollten. Wir haben natürlich auch ein Interesse daran, die Uni noch weiter auszubauen, um auch junge Studenten aus dem Ausland von einem Studium im Großherzogtum zu überzeugen. Als Land profitieren wir davon, weil die Chance besteht, dass die Jugendlichen, die in Luxemburg studieren, nach ihrem Abschluss hier eine Arbeit finden. Klar ist, dass wir auf dem Arbeitsmarkt sehr viele junge Akademiker brauchen und dies in sehr vielen Bereichen. Nichtsdestotrotz denke ich, dass es für die Jugendlichen wichtig ist, Luxemburg - zumindest für eine gewisse Zeit - zu verlassen, um im Ausland neue Erfahrungen zu sammeln, auf eigenen Füssen zu stehen, in einem völlig neuen Umfeld zu leben, einen neuen Freundeskreis aufzubauen, eine neue Kultur kennenzulernen und sich in einer Sprache zu verbessern. Nachher kommt man nicht nur mit seinem akademischen Wissen, sondern auch mit mehr Lebenserfahrung zurück. Hinzu kommt, dass man während des Studiums Kontakte knüpft, die einem selbst und dem Land später auch beruflich weiterhelfen.

LW: Sie haben vorhin von einem Personalmangel in verschiedenen Branchen gesprochen. Wo werden noch Mitarbeiter gebraucht?

Claude Meisch: Generell brauchen wir mehr Akademiker. Fest steht, dass wir einen bedeutenden Bedarf an Informatikern und Ingenieuren haben. Wir müssen demnach darauf achten, dass wir bei der Orientierung die Stärken und Interessen der Jugendlichen mit dem Bedarf auf dem Arbeitsmarkt in Einldang bekommen. Jeder soll selbst entscheiden, was er studiert und welche Zukunftschancen er in diesem Beruf hat. Besonders dramatisch ist die Situation in der Informatik, gerade weil wir uns zu einem sehr guten ICT-Standort entwickelt haben. Dadurch können wir viele ausländische Firmen davon überzeugen, ihren Sitz nach Luxemburg zu verlegen. Allerdings benötigen diese qualifiziertes Personal - das wir ihnen nicht bieten können.

LW: Wie wollen Sie diese Situation ändern?

Claude Meisch: Natürlich kann ich viel reden, aber damit werde ich niemanden davon überzeugen, sein Studienfach zu wechseln. Diesbezüglich mache ich mir auch keine Illusionen. Aber ich denke, dass wir bereits früher in der Schule mit der Förderung beginnen müssen. Wie können wir die Fächer so gestalten, dass das Interesse in einigen Bereichen geweckt wird? Gerade im Hinblick auf den Ausbau des Forschungsstandorts muss man sich überlegen, wie man die naturwissenschaftlichen Fächer spannend und spektakulär gestaltet. Hier müssen wir noch Anstrengungen machen - in der Art und Weise, wie der Unterricht gestaltet wird und indem wir Orte schaffen, in denen man die Heranwachsenden für die Technik und die Wissenschaft begeistern kann.

LW: Demnach soll der Schwerpunkt im Unterricht mehr auf das Praktische bezogen werden?

Claude Meisch: Beides gehört zusammen. Wenn die Schüler Physik nur aus dem Buch mit Formeln und vielleicht einigen Bildern lernen, kann man nicht erwarten, dass viele Jugendliche dieses Fach studieren möchten. Wenn man aber zwischendurch physikalische Phänomene demonstriert und dies so macht, dass die Schüler mit offenem Mund auf ihren Stühlen sitzen, weckt man das Interesse und die Neugier, über die Praxis auch die Theorie zu erlernen. Und gerade die Kinder verfügen über einen natürlichen Drang, Neues zu entdecken. Manchmal schaffen wir es aber, diesen sehr bis komplett einzuschränken. Demnach gibt es in der Art, wie der Unterricht stattfindet, so manches zu überdenken.

LW: Die Sparmaßnahmen der Regierung sind ja zurzeit ein großes Thema. Inwiefern sind die Studenten davon betroffen?

Claude Meisch: Bei den Studenten haben wir die Einsparungen bei den Studentenbörsen bereits hinter uns. Und bei den 258 Sparmaßnahmen kann niemand sagen, dass sie die einzigen sind, bei denen gespart wird. Ansonsten sind die Studenten aber nicht davon betroffen. Im Hochschulministerium sind einige Einsparungen vorgesehen worden, um vor allem einige Institute, die zurzeit noch unabhängig voneinander funktionieren, zusammenzulegen. Bei einigen Instituten, die vor 30 Jahren gegründet wurden, muss man sich die Frage stellen, ob diese heute noch benötigt werden. Damals verfügten wir noch nicht über Forschungszentren, so dass einige Institute überflüssig geworden sind. Dies muss überdacht werden. Lediglich ein Punkt betrifft die Luxemburger Studenten im entferntesten Sinne und im Rahmen der amtlichen Anerkennung des Diploms. Dieser "Dienst" wird heute noch zum Nulltarif angeboten, soll aber künftig mit einer Gebühr verrechnet werden, damit diese Verwaltung sich selbst finanziert.

LW: Dies wird dann aber sicherlich eine minimale Gebühr sein?

Claude Meisch: Ja, der Betrag soll relativ niedrig gehalten werden. Man könnte sich eine Gebühr von etwa 75 Euro dafür vorstellen.

LW: Wie hoch ist die Zahl der Studienabbrecher?

Claude Meisch: Die Quote ist relativ hoch. Allerdings verfügen wir über keine konkreten Zahlen. Dies wollen wir aber in der Umfrage beleuchten. Dadurch erhoffen virir uns auch, Details über die Ursachen für den Abbruch herauszufmden, und inwiefern wir eingreifen können, damit das nicht passiert. Eine Niederlage ist nie schön; weder für den Betroffenen, noch für die Uni. Bei den Börsen geben wir den Heranwachsenden jedoch die Möglichkeit, einen zweiten Anlauf zu nehmen. Wir bieten ihnen alternative Ausbildungsmöglichkeiten, wie das BTS. Ziel ist es, ihnen einen besseren Start in ein erfülltes Berufsleben zu bieten.

LW: Welchen Rat würden Sie den Studenten mit auf den Weg geben?

Claude Meisch: Auf jeden Fall sollten die Jugendlichen sich gut überlegen, was und wo sie studieren, und ob diese Wahl wirklich das Passende für sie ist. Zudem sollten sie sich Gedanken über den Berufsalltag und die Berufschancen machen. Auch sollten sie ein Fach nicht nur studieren, weil sie darin in der Sekundarschule gute Noten hatten, oder eine Uni -Stadt wählen, nur weil ihre Freunde dort studieren. Es handelt sich dabei schließlich um eine Entscheidung fürs Leben. 

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