Interview de Camille Gira avec le Luxemburger Wort

"(...)In jeder Neustrukturierung entstehen auch neue Chancen"

Interview: Luxemburger Wort (Christophe Langenbrink)

Luxemburger Wort: Mit Interreg V-A Großregion beginnt eine neue Förderperiode. Was ändert im Vergleich zu Interreg IV-A?

Camille Gira: Neu ist, dass es nicht mehr darum geht, punktuell Projekte mit EU-Mitteln zu bezuschussen. Zukünftige Projektpartner müssen sich im Vorfeld sehr viel stärker mit den prioritären Achsen auseinandersetzen. Eine strategische Herangehensweise über die gesamte Projektdauer ist sicherlich von Vorteil. Im Wesentlichen richtet sich verstärkt der Fokus auf die Bereiche Arbeitsmarkt und Mobilität.

Luxemburger Wort: Wie hoch ist die Gesamtsumme der Interreg-Gelder, die für die Großregion vorgesehen sind?

Camille Gira: Rund 233 Millionen Euro stehen uns bis 2020 zur Verfügung. Wir haben 100 Millionen Euro mehr Geld zur Verfügung als in der vergangenen Förderperiode.

Luxemburger Wort: Es hat vereinzelt Kritik an der Ausführung der auslaufenden Interreg-IV-A-Periode gegeben. Die neue Förderperiode für Interreg V-A hätte schon 2014, spätestens Anfang 2015 anlaufen sollen. Jetzt wird es Anfang 2016 sein. Was sind die Gründe für die Verspätung?

Camille Gira: Die Verwaltungsstruktur, die wir für Interreg IV-A aufgestellt hatten, setzte sich mit elf Partnern zusammen, die allesamt unterschiedliche Kompetenzen hatten. Das sind für eine funktionierende Behörde zu viele Ansprechstationen. Wir haben daraus gelernt. Für die neue Förderperiode haben wir einen neuen "EVTZ - Verwaltungsbehörde Programm Interreg V -A Großregion", mit nur zwei Partnern gegründet. Den Vorsitz hat der Regionalrat Lothringen. Luxemburg ist zweites Mitglied und hat die Vizepräsidentschaft inne. Durch diese organisatorische Neuaufstellung hoffen wir, die Zeit, die verloren gegangen ist, wieder aufzuholen.

Luxemburger Wort: Ab wann können Anträge gestellt werden?

Camille Gira: Seit letzter Woche haben wir die Angaben für den ersten Projektaufruf veröffentlicht. Ab sofort können Fragen zur neuen Programmgestaltung bei den zuständigen Verantwortlichen gestellt werden. Wir haben uns auf Bitten der deutschen Partner sehr bemüht, so schnell wie möglich diese Struktur operationeil zu machen, damit es für laufende Interreg-Projekte keine finanzielle Durststrecke gibt.

Luxemburger Wort: Bedeutet dies, dass es einen Automatismus bei der Vergabe von Interreg-Projekten gibt?

Camille Gira: Einen Automatismus bei Genehmigung von Projekten gibt es nicht. Allerdings gibt es durchaus eine Reihe von Projekten, die sich weiterentwickeln, indem sie z. B. den Projektrahmen mit neuen Partnern erweitern. Der Mehrwert muss jedoch klar herausgestellt werden, so dass man deutlich den Unterschied zwischen der ersten und der folgenden Förderperiode erkennen kann.

Luxemburger Wort: Gibt es seitens der Regierung neue Hilfsmaßnahmen bei der Beantragung oder bei der Suche nach Partnern?

Camille Gira: Erste Anlaufstelle ist natürlich die neue Verwaltungsbehörde "Programm Interreg V-A Großregion". Wir werden demnächst auf der Ebene unseres Ministeriums eine neue Stelle ausschreiben, die insbesondere den Kommunen bei der Beantragung behilflich sein soll. Es ist eine Art Kontaktperson, die natürlich zunächst administrative Hilfe leistet. Sie soll aber auch Verbindungen zu anderen Ministerien oder Verwaltungen herstellen, die wichtig sind, um Interreg-Projekte voranzubringen. 

Luxemburger Wort: Kommunen waren hierzulande in puncto Beantragung von Interreg-Fördermitteln bisher eher zurückhaltend. Woran liegt das?

Camille Gira: Aus meiner Erfahrung als früherer Bürgermeister von Beckerich und eigener Interreg-Projektträger weiß ich, dass die Beantragung von europäischen Geldern nicht immer ganz einfach und ziemlich aufwendig ist. Jedoch wer einmal die EU-Logik verstanden hat, kann das ohne Weiteres selbstständig tun.

Luxemburger Wort: Wie wollen Sie die Kommunen animieren, an mehr Interreg-Projekten teilzunehmen?

Camille Gira: Unser Ziel ist es, den Gemeinden durch die Kontaktperson in unserem Ministerium mehr unter die Arme zu greifen. Wir sind auch im Gespräch mit dem Innenministerium und hoffen, auch dort Unterstützung zu finden. Wir werden sicherlich auch den Kommunen Bestpractice-Beispiele aufzeigen, die ihnen verdeutlichen sollen, welche Vorteile sich daraus ergeben. Zudem kann ich mir auch sehr gut vorstellen, dass Kommunen Partnerschaften zu spezifischen Fragestellungen in der Großregion eingehen. Das macht beispielsweise Strassen, die in einem Netzwerk von gleichgroßen Gemeinden integriert ist, vorbildlich. Regelmäßig gibt es dort einen regen Austausch zu bestimmten Problemen. Der Blick über die Grenzen hilft, um eigene Lösungen zu finden.

Luxemburger Wort: Trotzdem existieren nach wie vor jede Menge Berührungsängste von Luxemburger Gemeinden, um Partnerschaften in der Großregion einzugehen. Was sind die Ursachen für die Zurückhaltung?

Camille Gira: Es gibt durchaus Gemeinden, die mit gutem Beispiel vorangehen und einen sehr regen Austausch pflegen. Jedoch gibt es sicherlich auch Kommunen, die vielleicht finanziell etwas besser gestellt sind als ihre Amtskollegen in der Großregion. Dies führt manchmal zu der Überlegung, ob der administrative Aufwand im Verhältnis zu den Projektgeldern steht. Zudem kommt erschwerend hinzu, dass viele Gemeindepolitiker keine Berufspolitiker sind. Die Arbeit mit solchen EU-Projekten ist sehr zeitaufwendig, insbesondere dann, wenn man sie gut machen will. Da stößt man mit der "Congé politique"-Lösung schnell an seine Grenzen. 

Luxemburger Wort: Ab 2016 gibt es eine neue, auf französischer Seite eine Gebietskörperschaft namens "Alca". Hat diese Territorialreform Einfluss auf die Interreg-Beantragung?

Camille Gira: Das hat für die Interreg-Programmperiode bis 2020 keine Auswirkungen. Die förderfähigen Gebiete sind dieselben wie zuvor auch. 

Luxemburger Wort: Wenn 2016 die Regionen Alsace, Champagne-Ardenne und Lorraine zur Alca-Region verschmelzen, entsteht ein klares Ungleichgewicht in der Großregion. Macht Ihnen das aus Luxemburger Sicht nicht Angst?

Camille Gira: Sorgen mache ich mir nicht. Täglich pendeln rund 80 Lothringer nach Luxemburg. Unsere politischen Partner aus Lothringen sind sich dieser Tatsache bewusst und werden sicherlich nicht ausschließlich zur neuen Hauptstadt nach Straßburg schielen. Des Weiterer, wird nicht alles in die elsässische Metropole verlagert. Noch ist nicht geklärt, welche Institution wo angesiedelt sein wird. Doch in jeder Neustrukturierung entstehen auch neue Chancen. Diese Regionen werden mit mehr Kompetenzen ausgestattet sein. Das kann den Diskussionsprozess und die Entscheidungsfindung in der Großregion beschleunigen.

Luxemburger Wort: Der Gründung des "EVTZ" war eine europäische Antwort, um die grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf der Verwaltungsebene zu erleichtern. Im Rahmen der EU-Präsidentschaft hat Luxemburg einen neuen Vorstoß gewagt, um die grenzüberschreitende Arbeit noch mehr zu vereinfachen. Mit diesem Vorschlag beschneiden Sie z. T. staatliche Kompetenzen, indem Sie für Ausnahmevereinbarungen plädieren. Welche Realisierungschancen sehen Sie da?

Camille Gira: Auf der Ebene des Europäischen Ausschusses der Regionen (AdR) war die Reaktion auf Seiten der osteuropäischen Staaten zunächst verhalten. Durch viele Erklärungen konnten wir die Vorurteile so weit abbauen, dass wir jetzt eine positive Stellungnahme vom AdR haben. Es geht im Grunde genommen nur darum, dass wir bei konkreten grenzüberschreitenden Projekten eine Ausnahmeregelung erbitten, die zur Realisierung des Projektes notwendig ist. Dabei wird keine nationale Vorgabe verletzt, lediglich ergänzt. Um es konkret zu machen: Wenn zwei Grenzgemeinden z. B. im Bereich Kläranlagen ein gemeinsames Projekt aufziehen, welche Gewässerverordnung soll herangezogen werden?

Um keinem Staat auf die Füße zu treten, soll dann die nationale Norm herangezogen werden, die sich für die Realisierung des Projektes am besten eignet. Dazu benötigt man allerdings eine Sonderregelung. Das ist unser Vorschlag. Wir haben beim informellen Gipfel die Unterstützung von Deutschland und Frankreich erhalten. Auch die EU-Regionalkommissarm sieht diesen Vorschlag positiv. Wir gehen davon aus, dass er den EU-Instanzenweg durchlaufen wird und hoffentlich in rund 18 Monaten verbindlich wird. Wir sind überzeugt, das wir die Zusammenarbeit an den Grenzen beflügeln, weil wir den Rahmen schaffen, damit grenzüberschreitende Projekte von der Basis aus zu realisieren sind.

Luxemburger Wort: Das Haus der Großregion hat dieses Jahr seinen neuen Standort in Esch in der Nähe des Bahnhofs bezogen. Meinen Sie, dass dort die richtige Anlaufstelle für die Großregion ist?

Camille Gira: Wenn ich es rein geografisch betrachte, ist Esch an der Grenze zu Lothringen besser gelegen als Luxemburg-Stadt. Wir hoffen durch die Zusammenlegung aller großregionalen Organisationen im Haus der Großregion eine Bündelung der Kompetenzen. Durch den sogenannten "Kantineneffekt" wird es sicherlich zu einem besseren Austausch kommen.

Luxemburger Wort: Doch allein die Zusammenlegung von Organisationen wird nicht ausreichen, um der Großregion ein Gesicht zu verleihen. Benötigt man da nicht einen klaren Ansprechpartner z. B. in Form eines Generalsekretärs der Großregion?

Camille Gira: Es ist Aufgabe des Gipfels, die Großregion weiterzudenken. Zurzeit sind unsere wallonischen Freunde am Zug. 2017 übernimmt Luxemburg den Vorsitz. Wir müssen uns nach der EU-Präsidentschaft Gedanken machen, welche Schwerpunkte wir dann legen wollen.

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