Interview de François Bausch avec le Tageblatt

"Man muss sich immer die Frage stellen, welches Verkehrsmittel wo am sinnvollsten ist"

Interview: Tageblatt

Tageblatt: Sie haben gestern Morgen mit mehreren Maßnahmen auf den tödlichen Unfall zwischen Mersch und Angelsberg reagiert. Reichen sie aus oder liegt die Verantwortung am Ende allein bei den Fahrern?

François Bausch: Ich denke, dass es beides braucht. Ich gehe aber davon aus, dass die Maßnahmen, die wir während der letzten Monate getroffen haben und jetzt spezifisch in Angelsberg umsetzen, bereits ihre Wirkung zeigen. Nehmen Sie die Strecke zwischen Dippach und Luxemburg -Stadt: Dort steht eine Radaranlage, die erst ab Montag in Betrieb ist. Man merkt aber bereits jetzt, wie stark die Autofahrer die Geschwindigkeit drosseln. Ich glaube deshalb, dass die Maßnahmen ihre Wirkung zeigen werden. Man kann natürlich erst nächstes Jahr um diese Zeit Bilanz ziehen. Man muss das ganze Jahr 2016 analysieren. Erst dann können wir exakt feststellen, wo nachgebessert werden muss.

Tageblatt: Demnach bleibt nach schweren Unfällen nur reagieren?

François Bausch: Es bleibt mir auch nichts anderes übrig. Ich will nicht einfach dabei zuschauen, wie weitere Menschen ums Leben kommen. Ich denke, dass es richtig ist, dass man schnell auf solche Tragödien reagiert. Man muss in solchen Situationen natürlich immer wieder auf präventive Elemente hinweisen. Die zusätzlich getroffenen Maßnahmen helfen in dem Fall aber bei der Prävention von Unfällen. Ich denke deshalb, dass unser Gesamtpaket noch im Laufe dieses Jahrs seine Wirkung entfaltet.

Tageblatt: Hat man in Luxemburg zu spät reagiert?

François Bausch: Eine einzelne Maßnahme kann natürlich keine Tragödien verhindern. Wir haben in Luxemburg viel zu lange gewartet. Man hat viel zu viel spät auf solche Probleme reagiert. Nehmen Sie Länder wie Schweden, die Niederlande oder die Schweiz: Sie fallen durch positive Verkehrsstatistiken auf. Diese Länder haben bereits längst Programme laufen, wie jene, mit denen wir erst angefangen haben. Deshalb haben diese Länder im Vergleich zu uns bessere Resultate. Ich bin davon überzeugt, dass es, wenn es bei ihnen geklappt hat, auch bei uns klappen wird.

Tageblatt: Ihr Mobilitätskonzept sieht keine Tram für den Süden des Landes vor, dafür aber BHNS ("bus à haut niveau de service"). Sorgen Sie sich nicht um eine Tram-vs-Bus-Diskussion im Minette?

François Bausch: Man sollte nie eine Diskussion Bus gegen Tram oder Auto gegen Tram führen. Man muss sich immer die Frage stellen, welches Verkehrsmittel wo am sinnvollsten ist. Im Süden haben wir das klassische Zug -Netzwerk, das von Petingen nach Esch/Alzette führt. Das Problem ist hier jedoch, dass sich die Ortschaften im Süden ganz unterschiedlich entwickelt haben. Sie haben neue Entwicklungsgebiete, teilweise neue Ortschaften wie Monnerich, die sich hervorragend entwickelt haben - und sich außerhalb des Eisenbahnnetzwerks befinden. Deshalb brauchen wir ein zusätzliches Transportmittel von hoher Qualität. Allerdings existieren bislang im Süden noch nicht die Kapazitäten, die den Bau einer Tram rechtfertigen würden. Sie brauchen aber mehr als banale Busse, die nicht gut genug organisiert sind. Deshalb ist der "bus à haut niveau de service" (BHNS) vorgeschlagen worden, der im Bau genauso aufwendig wie die Tram ist - diese Busse haben lediglich keine Schienen und das Ganze kostet weniger. Deswegen ist dieses Projekt momentan genau richtig. Wir haben mehrere Verkehrsstudien durchgeführt und deswegen dem Süden den BHNS vorgeschlagen. Wenn wir ihn bauen, können wir die Menschen, die bislang nicht gut ins Verkehrssystem eingebunden sind, berücksichtigen. Wenn alles steht, haben wir ja bereits die Spur gebaut. Wenn in 15 oder 20 Jahren die Kapazitäten im Süden stark steigen würden, kann die Tram problemlos in die gleiche Spur eingefügt werden. Man muss dann nur noch die Schienen legen.

Tageblatt: Viele Studenten der Universität Luxemburg auf Belval beklagen, dass das Mobilitätskonzept noch nicht genügend ihren Bedürfnissen entspricht. Wie reagieren Sie auf ihre Forderungen?

François Bausch: Ein Teil ist bereits umgesetzt, aber noch nicht alles. Wir stehen im Dialog mit der Universität, um zu sehen, wie sich das Ganze entwickelt. Wir halten die Bedürfnisse genau im Auge und nehmen sie ernst. Wir haben viele Buslinien eingesetzt. In der Grenzregion fahren viele die Uni direkt an. Der Bahnhof auf Belval ist hervorragend und wurde extra für die Uni gebaut. Der BHNS soll in Zukunft auch die Universität abdecken. Wir versuchen auch, die Mobilität innerorts durch die "mobilité douce" wie Fahrradkonzepte für die Studenten zu verbessern. Car-Sharing-Ideen kommen hinzu. Wir arbeiten daran. Eins ist klar: möglichst viele Studenten müssen sich ohne Wagen zur Uni bewegen können.

Tageblatt: Die Tram ist immer noch in aller Munde. Wie laufen die Vorbereitungen?

François Bausch: Die Bauarbeiten verlaufen bislang exzellent. Das Timing stimmt. Ich gehe davon aus, dass wir nächstes Jahr um diese Zeit bereits Testfahrten auf Kirchberg durchführen. Dann sehen die Leute die Tram bereits fahren. Ich gehe fest davon aus, dass unser Timing funktioniert: Wir können Ende 2017 den ersten Abschnitt der Tramstrecke für die Bevölkerung öffnen. Das zählt mit Sicherheit für die Strecke bis zum Glacis. Wenn aber weiterhin alles so gut läuft wie jetzt, schaffen wir es sogar vielleicht bis zur place de l'Etoile.

Tageblatt: Wie sieht es mit der Ausbildung der Tramfahrer aus ?

François Bausch: Wir haben bereits vor einigen Wochen eine Stellenanzeige in der Presse veröffentlicht, um die Ausbilder einzustellen. Im Herbst folgt eine massive Anzeige, um die Tramfahrer einzustellen. Sie müssen eine mehrmonatige Ausbildung erhalten, damit sie im Herbst, wenn die Prozeduren fertig sind, eingestellt werden können. Dann haben wir noch genügend Spielraum, damit wir im Frühling 2017 die ersten Testfahrten durchführen können.

Tageblatt: Wie läuft die Rekrutierung der Tramfahrer ab?

François Bausch: Wir werden die Leute in Phasen einstellen. Am Anfang können noch keine 200 Tramfahrer, wie vorgesehen, im Einsatz sein. Wir stellen die Leute parallel zum Ausbau der Strecke ein.

Tageblatt: Eines der Hauptargumente für die Tram ist der wirtschaftlichen Entwicklung Luxemburgs Rechnung zu tragen und die Grenzgänger zu berücksichtigen. Was würde passieren, wenn die Tram nicht eingeführt wird?

François Bausch: Jeder, der sich zu Spitzenstunden in der Innenstadt aufhält, sieht, dass wir einen Busstau haben. Der Verkehr steht in Luxemburg -Stadt still. Die Busse tragen daran ihre Mitschuld. Das liegt am Hauptstrang, an dem sich alle Arbeitsplätze befinden. Alle Busse müssen ihn durchqueren. Wir haben aber noch keinen Hochkapazitätstransport wie die Tram. Sobald sie fährt, werden diese Busse alle aus dem Verkehr gezogen. Dann bleiben nur noch die städtischen Busse. Das ist eine enorme Entlastung des innerstädtischen Straßennetzes. Man muss sich dessen bewusst sein: Das städtische Busnetzwerk hat die Grenzen seiner Kapazitäten vollständig erreicht. Es hat sie sogar über schritten. Denken Sie nur an die Strecke zwischen Kirchberg und Ban de Gasperich. Die Tram kann bis zu 110.000 Passagiere pro Tag transportieren. Das kriegen wir mit Bussen nie hin.

Tageblatt: Metz wird oft wegen seines innovativen Bussystems als Gegenargument zur Tram genannt.

François Bausch: Sie können mit einem Bus wie im Metzer System maximal 200 Personen pro Fahrt transportieren. Bei der Tram sind es 450 pro Fahrt. Wir können auch noch größere Trams kaufen. Dann können bis zu 600 Passagiere pro Fahrt transportiert werden. Die Tram kann zudem im 3 -Minuten -Takt fahren. Das klappt mit einem Bus niemals mit der gleichen Präzision in einem ähnlich hohen Takt. Was halten Sie vorn alter Totschlagargument, die Trara werde während der Stoßzeiten vor 09.00 Uhr und nach 16.00 Uhr voll sein, dazwischen jedoch kaum benutzt werden? Ich bin davon überzeugt, dass die Tram auch im normalen Tagesablauf nicht leer sein wird. Mittlerweile gibt es sehr viel innerstädtischen Verkehr. Früher war die Stadt Luxemburg der Bahnhof und die Oberstadt. Die Stadt hat sich aber mittlerweile polyzentrisch entwickelt: Sie haben Kirchberg, die Oberstadt, das Bahnhofsviertel, Ban de Gasperich, Howald, Findel usw. Durch die Tram wird es zu einem späteren Zeitpunkt viel einfacher sein, sich zwischen diesen ökonomischen Zentren zu bewegen. Deshalb wird die Tram sicherlich auch am Tag genutzt werden.

Tageblatt: Trotz der schlagkräftigen Argumente scheinen viele Bürger das Konzept der Multimodalität nicht zu verstehen oder zu kennen. Wie erklären Sie sich das?

François Bausch: Ich glaube, dass unsere Kommunikationskampagne zu wirken beginnt. Das ist außerdem eine normale Sache. Die Men-3chen begreifen das Konzept erst, wenn es steht. Das erste Beispiel hierfür wird der neue Bahnhof Pfaffenthal-Kirchberg sein. Dort gibt es eine effiziente Überschneidung zwischen Tram und Zug. Es wird ein sinnvolles Zusammenspiel mit den Bussen geben.

Tageblatt: Viele Bürger in Luxemburg -Stadt sind dennoch unzufrieden. Vor allem die Geschäftsleute empören sich wegen der Bauarbeiten.

François Bausch: Ja, aber ich muss sagen, dass sich die Geschäftsleute mit Sicherheit nicht auf die Tram fokussieren müssen. 90 Prozent der Baustellen in Luxemburg-Stadt haben nichts mit der Tram zu tun. Es geht vor allem um Gas- sowie Stromleitungen und die Wasserversorgung. Ich habe Verständnis für die Geschäftsleute, dass sie sich nicht über die zahlreichen Baustellen freuen. Aber die Tram -Baustelle hat den Stadtkern bislang nicht beeinflusst. Nichtstun, kann nicht die Lösung sein. Wenn sich Kirchberg und Ban de Gasperich erst einmal entwickelt haben und nicht benutzerfreundlich mit dem Rest des Stadtkerns verbunden sind, sage ich ihnen: Dann gehen diese Versäumnisse auf Kosten der Geschäftsleute in Luxemburg -Stadt. Wir versuchen deshalb in ihrem Interesse einiges zu verändern. Es gibt schwierige Phasen wie die aktuelle. Wir versuchen alles, um den Geschäftsleuten zu helfen, um diese Phase zu überstehen. Aber auch zu einem späteren Zeitpunkt: Die besten Plätze, um Handel zu betreiben, befinden sich oft direkt an Tram -Linien. Es ist nicht ohne Grund, dass KMPG oder Ernst & Young den Boulevard Kennedy auf Kirchberg für ihre Unternehmen ausgewählt haben.

Tageblatt: Sollte die Tram ein Erfolgsprojekt der Stadt Luxemburg werden, hat ein Problem weiterhin Bestand: der Verkehr kollabiert zu den Stoßzeiten bereits vor der Hauptstadt. Wie gehen Sie damit um?

François Bausch: Wir haben das Tram-Projekt bereits wesentlich erweitert, im Vergleich zu dem, was ursprünglich angedacht wurde. Wir führen die Tram direkt aus der Stadt heraus zur Cloche d'or, wo ein Park and Ride gebaut wird. 2.000 Autos können dort geparkt werden. Neben Findel wird ein Parking mit 4.000 Parkplätzen gebaut. Wir beginnen dort bereits bei der Trierer Autobahn, den Verkehr zu entlasten. Die Menschen sollen schon in der Peripherie die Tram nehmen, um in die Stadt zu gelangen. Daneben wird auch noch das Eisenbahnnetzwerk stark ausgebaut. Die Bettemburger Strecke wird verdoppelt, der städtische Hauptbahnhof wird umgebaut, um mehr Kapazitäten zu erhalten. Es wird ein fünfter und sechster Bahnsteig gebaut. Park and Rides kommen in Rodange und Wasserbillig hinzu. Dies geschieht bewusst in Städten in den jeweiligen Grenzregionen. Es gibt Verkehrskonzepte über die Tram hinaus, aber sie funktionieren im Zusammenspiel mit der Tram. Alle Elemente bilden die Glieder einer starken Kette.

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