Interview von François Bausch im Tageblatt

"Ist das Benzinauto denn vertretbar?"

Interview : Tageblatt (Jessica Oé)     

Tageblatt: Bis 2020 sollten in Luxemburg 40.000 E-Autos über die Straßen rollen. Inwiefern ist das realistisch? 

François Bausch: Es ist immer noch ein Ziel, das wir anstreben und das meiner Meinung nach auch realistisch erreicht werden kann. Dies aus mehreren Gründen: Zunächst fördern wir als Staat die nötige Infrastruktur. Außerdem wird momentan im Bereich der E-Technik viel geforscht und weiterentwickelt. Alle großen Automarken bringen in den nächsten Jahren Elektromodelle auf den Markt und die Reichweite der Batterie wird immer weiter verbessert. Außerdem fördern wir die erneuerbaren Energien, was für den CO2-Fußabdruck der E-Autos natürlich sehr wichtig ist. Alle öffentlichen Ladestationen funktionieren schon jetzt mit 100 Prozent erneuerbarer Energie. 

Tageblatt: Bis 2020 sollen 800 Ladestationen im Land entstehen. Etwa die Hälfte davon soll auf Park and Rides (P&Rs), 400 weitere in den Gemeinden aufgestellt werden. Sind das angesichts der angestrebten 40.000 E-Autos nicht zu wenig? 

François Bausch: Viele Gemeinden bestellen mehr Ladestationen als eigentlich gefordert. Außerdem setzen wir auf Privatinitiativen von Firmen, die Ladepoller aufstellen wollen. Und auch die Autobauer zeigen eine große Dynamik. Die luxemburgische Regierung ist momentan in Kontakt mit einem Konsortium aus großen deutschen Automobilkonstrukteuren, die ein europaweites Netz von Schnellladestationen ("Superchargern") aufbauen möchten. Tesla baut derzeit ebenfalls sein Netz an "Superchargern" aus und hat in Luxemburg einen Antrag gestellt. 

Tageblatt: Reicht die Kapazität unseres bisherigen Stromnetzes aus, um den künftigen Bedarf der E-Mobilität zu decken? 

François Bausch: Wir müssen unser Stromnetz verstärken, das ist die große Aufgabe von Enovos und Creos. Wenn wir Elektromobilität fördern wollen, dann muss auch die intelligente Verteilung von Strom und ein Umdenken in Sachen Stromkonsum schnell umgesetzt werden. Darin liegt die große Chance der Digitalisierung. Dennoch würde es nicht funktionieren, von heute auf morgen komplett auf E-Mobilität umzusteigen. Ich glaube auch nicht, dass wir jetzt sagen sollen, dass E-Mobilität die einzige Lösung ist. In der Übergangszeit sind besonders Hybridtechniken sehr wichtig. In Zukunft wird es wohl eher eine Kombination geben von verschiedenen Antriebstechniken. 

Tageblatt: Bis 2025 sieht die Rifkin-Studie vor, dass nur noch Elektroautos für eine Neuzulassung infrage kommen. Wird das eintreffen? 

François Bausch: Das ist eine Richtlinie, aber ich bin gegen Verbote. Das bringt uns nichts. Die Richtlinie, die man sich gibt, schafft Druck genug, beispielsweise auf den Automobilsektor. 

Tageblatt: Rechnet man zu den öffentlichen Ladestationen noch die privaten hinzu, ergibt das besonders in städtischen, bzw. industriellen Räumen eine große Ballung. Kommen dadurch eher ländliche Gegenden zu kurz? 

François Bausch: Wir haben versucht, bei der Planung der 800 Ladestationen eben dieses Szenario zu verhindern. Aber wir müssen weiter beobachten, dass das Szenario sich auch nicht dementsprechend entwickelt. Dann müssen der Staat und die Gemeinden Verantwortung übernehmen und wenn es irgendwo Versorgungslöcher gibt, diese durch Investitionen stopfen. Es darf natürlich nicht sein, dass der städtische Raum luxuriös ausgestattet ist, und der ländliche Teil vergessen wird.  

Tageblatt: Beim Kauf eines E-Autos fallen für den Einzelnen natürlich auch für die private Ladestation zusätzliche Kosten an. Kann man hier auf eine staatliche Hilfe zählen? 

François Bausch: Momentan fördern wir ja nur den Kauf des Autos. Aber ich glaube, dass man sich überlegen sollte, auch die Anschaffung von Ladestationen zu fördern, um auch so die Entwicklung der E-Mobilität anzutreiben. Man könnte sogar einen Schritt weiter gehen und bei Neubauten grundsätzlich E-Ladestationen einfordern. 

Tageblatt: Im Gegensatz zu den öffentlichen Ladestationen ist es nicht garantiert, dass private Ladestationen zu Hause mit erneuerbarer Energie beliefert werden. Kann man das E-Auto in dem Fall als umweltfreundlich verteidigen? 

François Bausch: Wenn ein Elektroauto keinen grünen Strom nutzt, dann macht es keinen Sinn. Wir können natürlich unsere Unterstützungen an die Vorlage koppeln, dass nur erneuerbare Energie zum Tanken genutzt wird, aber wir können es nicht einfach jedem Käufer vorschreiben. 

Tageblatt: Große Bedenken gibt es vor allem bei der Produktion der Elektroauto-Batterie. Wie stehen Sie dazu? 

François Bausch: Ein negativer Punkt ist sicherlich der Energieaufwand bei der Produktion der Batterien, ihre Lebensdauer sowie ihre spätere Entsorgung. Es gibt dafür auch schon heute Lösungen. 
Es läuft darauf hinaus, dass die Batterien in Zukunft zu 100 Prozent recyclebar sind oder in der Übergangsphase während einiger Zeit in anderen Bereichen als Energiespeicher genutzt werden können. 
Die Forschung muss weitergetrieben werden, um die Effizienz der Batterien zu steigern und sie zu 100 Prozent recyceln zu können. Ziel ist es, dass irgendwann keine Rohstoffe mehr aus dem Boden gezogen werden müssen, um neue Batterien herzustellen. 

Tageblatt: Zwei Rohstoffe zur Batterieherstellung stehen momentan besonders in der Kritik: Lithium verursacht in manchen Förderländern erhebliche Umweltschäden. Amnesty International wiederum deckte auf, dass beim Kobalt-Abbau im Kongo teilweise Kinder eingesetzt werden. Ist ein E-Auto also überhaupt moralisch vertretbar? 

François Bausch: Ist das Benzinauto denn vertretbar? Denn die Förderung von Erdöl findet unter genauso desaströsen Umständen statt. Da haben wir uns die Fragen 40 Jahre lang nicht gestellt. 
Wir müssen generell die Nutzung von Ressourcen infrage stellen — ob bei den E-Autos, der Nahrung oder der Kleidung. Das sind globale Gerechtigkeitsfragen, die berechtigterweise immer gestellt werden, selbstverständlich auch bei der Produktion von Batterien.
Ich unterstütze jede Nichtregierungsorganisation (NGO), die sich dafür einsetzt, dass Lithium unter umweltfreundlichen und Kobalt unter menschenwürdigen Bedingungen abgebaut wird. Aber letztendlich ist das kein Argument gegen das Elektroauto, sondern gegen eine Organisation der globalen Wirtschaft, die desaströs ausbeuterisch ist. Für mich ist neben der Ressourcenvergeudung und der Umweltproblematik die ungerechte Verteilung von Recht eines der zentralen Elemente, die wir bewältigen müssen, um künftig eine stabile Gesellschaft zu haben. 

Tageblatt: Luxemburg profitiert finanziell stark von den traditionellen Tankstellen. Diese Einnahmen würden aber bei einer Umstellung auf E-Mobilität wegfallen. Wie geht man damit um? 

François Bausch: Wir hätten schon längst aus dieser Abhängigkeit heraus gemusst. Erstens gehen diese Einnahmen sowieso schon zurück. Zweitens ist uns schon länger bewusst, dass diese Einnahmequelle nicht unendlich ist. Wir sind dabei, Alternativen aufzubauen, ob im ICT oder im Automobil-Zuliefererbereich. Den Kopf in den Sand zu stecken, nur weil es für uns um eine wichtige Einnahmequelle geht, schadet uns nur selbst. Mein Ministerium hat auch eine Studie zur, Entwicklung der Tankeinnahmen gemacht und es ist nun an der nächsten Regierung, um zu sehen, welches Szenario wir auswählen. 

Tageblatt: Welches Umdenken muss erfolgen, damit die E-Mobilität Erfolg hat? 

François Bausch: Es geht um die generelle Frage, wie organisieren wir die Mobilität der Zukunft? Es reicht nicht, den Verbrennungsmotor nur durch etwas anderes, umweltfreundlicheres zu ersetzen. Denn damit ist noch kein Stau oder Verkehrsproblem gelöst. Deswegen ist es wichtig, Mobilität als Service zu sehen. Das Auto muss zu einem Tool im Verkehr werden, so wie die Tram und das Fahrrad auch. 
In Zukunft wird deswegen auch das autonome Auto eine große Rolle spielen. Wenn Sie in Zukunft per App ein Auto rufen, das Sie dorthin fährt, wo sie hin wollen, müssen Sie das Auto nicht mehr besitzen. Das Teilen des Autos wird eine ganz andere Rolle spielen. Sie sparen damit viel Geld und Stress. Bei einem autonom fahrenden E-Auto weiß das Fahrgerät sogar, wann der Strom aufgebraucht ist. Es fährt dann selbst zu einer Ladestation.
Nissan forscht mittlerweile schon an Induktionsplatten zum Aufladen der Stromspeicher —nach einem ähnlichen Prinzip, wie sich heute schon Handys aufladen lassen. Der Verbrennungsmotor muss durch ein anderes Mobilitätskonzept und nicht einen anderen Motor ersetzt werden.                                                      

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