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Zu Beginn seiner zweitägigen Polen-Visite wurde Premierminister Jean-Claude Juncker gestern morgen von Premierminister Jerzy Buzek mit militärischen Ehren in Warschau empfangen.

Nach der sehr herzlichen Begrüssungszeremonie trafen die beiden Regierungschefs sogleich zu intensiven politischen Gesprächen zusammen. Auf luxemburgischer Seite nahm auch Kultur- und Hochschulministerin Erna Hennicot-Schoepges an den Gesprächen teil.

Der Besuch des luxemburgischen Premierministers findet zu einem für Polen und die Europäische Union entscheidenden Moment statt. Zum einen wird es Ende September zu Parlamentswahlen kommen, wobei viele politische Beobachter davon ausgehen, dass es in der sehr komplexen politischen Landschaft zu grundlegenden Veränderungen kommen wird. Ausserdem wird Polen in eine sehr wichtige Phase der EU-Beitrittsverhandlungen eintreten. Des Weiteren wird zur Zeit sehr intensiv über die vom deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder vorgeschlagene siebenjährige Übergangsperiode bezüglich der Freizügigkeit der polnischen Arbeitnehmer innerhalb der EU debattiert.

Diese Probleme standen dementsprechend im Vordergrund der Gespräche zwischen den beiden Regierungschefs. Vor der Presse betonte Premierminister Juncker einmal mehr, dass es dieses Problem zu objektivieren und zu entdramatisieren gelte. Es gehe vor allem darum, möglichst schnell eine gemeinsame Haltung der EU-Länder festzulegen. Dabei solle eine Lösung angestrebt werden, die nach gewissen Kriterien flexibel angelegt sei.

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Premierminister Juncker unterstrich aber vor allem die Fortschritte, die Polen bisher auf allen Gebieten erzielt habe.

Die Luxemburger Regierung halte noch immer an der Beschlussfassung vom Europäischen Rat von Luxemburg fest, die besagt, dass die Aufnahme in die Union nach dem jeweiligen individuellen Entwicklungsstand der Beitrittsländer geschehen soll. Jean-Claude Juncker war aber auch der Meinung, dass jene Beitrittsländer, die eine gemeinsame historische, politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung durchlebt haben, durchaus in die Lage kommen könnten, an einer gemeinsamen Aufnahmeprozedur teilnehmen zu können. Dabei unterstrich er die mit dem ungarischen Premierminister diskutierte Möglichkeit einer Zusammenarbeit der Visegrad-Länder mit den Beneluxstaaten.

Gestern Nachmittag wurde Premierminister Jean-Claude Juncker von Aleksander Kwasniewski empfangen. Der polnische President drückte seine Genugtuung darüber aus, dass mit Jean-Claude Juncker nach 10 Jahren wieder ein luxemburgischer Premierminister auf offizieller Visite in Polen sei.

Hauptthemen waren auch hier die Unionserweiterung sowie Fragen, die sich für die an der Peripherie einer erweiterten Union gelegenen Länder stellen. Diskutiert wurde hauptsächlich über die Ukraine. Kwasniewski und Juncker waren einer Meinung, dass die EU diesem Land eine grössere Beachtung schenken müsse. Auch wenn die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht unbedingt dazu einladen würden, sei die geopolitische Bedeutung der Ukraine nicht zu unterschätzen. Aufgrund der gemeinsamen EU-Aussengrenze und Polens besonderer Kenntnis über die ukrainischen Befindlichkeiten komme Polen eine besondere Rolle zu.

Im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung sprach Jean-Claude Juncker auch die für die polnische Seite schwierige Frage des Umweltschutzes an. Die Integration in die EU erfordere auch in diesem Bereich weitere Anstrengungen innerhalb eines relativ kurzen Zeitrahmens.

Des Weiteren wurde auch die Frage der Landwirtschaft besprochen. Der luxemburgische Premierminister unterstrich, dass er nach einigen Gesprächen mit unter anderem dem früheren Aussenminister und Solidarnosc-Vordenker Boris Geremek zu der Einsicht gekommen sei, dass es sich bei den bestehenden Fragen eher um soziale als um landwirtschaftliche Probleme handle.

Juncker hatte am ersten Tag seiner offiziellen Reise auch noch eingehende Gespräche mit Aussenminister Bartoszewski, einem mit seinem Freund Geremek führenden politischen Denker seines Landes, sowie mit Finanzminister Jaroslaw Bauc.

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Ausserdem standen Gespräche mit Partei-, Gewerkschafts- und Wirtschaftsführern auf dem Programm.

Der erste Tag der Visite in Warschau, an dem Jean-Claude Juncker ebenfalls einen Kranz am Grabe des unbekannten Soldaten niederlegte, klang mit einem offiziellen Diner aus, zu dem Premierminister Buzek ins Wasserschloss im Lazienki Park eingeladen hatte.

Politische Gespräche dominierten die erste Hälfte des zweiten Besuchstages von Premierminister Juncker in Polen

Erster Gesprächspartner von Jean-Claude Juncker und Erna Hennicot-Schoepges war der Vorsitzende der Bauernpartei Kalinowski. Selbst Bauer - er käme gerade vom Kühemelken, sagte er - machte Kalinowski eine eingehende und nüchterne Analyse der polnischen Landwirtschaft. Nur 600.000 Bauernbetriebe könnten nach dem Eintritt Polens in die Europäische Union überleben. Laut Kalinowski stelle die Hilflosigkeit und die übertriebene Erwartungshaltung der nicht überlebensfähigen Kleinbauern ein ernsthaftes Problem dar. Käme es zu einem Heer von Arbeitslosen bei parallel einsetzender wirtschaftlicher Rezession, wären, so Kalinowski, soziale Unruhen nicht auszuschließen. Es bedürfe einer großen pädagogischen Anstrengung die Menschen an neue Realitäten zu gewöhnen.

Aber auch in den erfolgsversprechenden Sektoren gäbe es Probleme. So sei die Fleischindustrie in den Händen des Auslands, vorwiegend in den Händen Amerikaner. Die Produktionskosten seien fast auf EU-Niveau, die Verkaufspreise könnten aus ersichtlichen Gründen dieses Niveau aber nicht erreichen.

Selbstverständlich sei der Eintritt in die Europäische Union absolute Priorität für seine Partei, betonte Kalinowski. EU-Gegner oder EU-Skeptiker würden sie gescholten, nur weil sie pragmatisch seien und nicht nur die Lichtseiten eines Beitritts sähen und dies auch sagten. Er, Kalinowski, halte es mit De Gaulle der gesagt habe, in den Beziehungen zwischen den Ländern gebe es keine Gefühle. Worauf Premierminister Juncker auch mit einem De Gaulle-Zitat aufwartete: „Je m’envolais avec des idées simples vers un orient compliqué“, womit er unterstreichen wollte, wie lehrreich für einen Europapolitiker solche Gespräche vor Ort seien.

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" Polen ist ein Land, das sich bewegt, und dem sich viele Möglichkeiten bieten. Ich bewundere den Mut und die Durchsetzungskraft der Menschen. Bei einem zukünftigen EU-Beitritt hängt alles von diesem Durchsetzungswillen ab. Und von deren Geduld". Mehrere Male im Laufe des Nachmittags des 2. Aprils wiederholte Premierminister Juncker diese Worte in der polnischen Provinz.

Am Morgen noch hatte er Gespräche geführt mit verschiedenen parlamentarischen  Entscheidungsträgern. Die Präsidenten beider Kammern beschrieben die Anstrengungen der polnischen Legislative, die nationale Gesetzgebung an den "acquis communautaire" anzupassen. Wobei sich nicht unwesentliche Fragen stellten, weil die aktuelle wirtschaftliche und soziale Situation ein sofortiges Inkrafttreten dieser Gesetze überhaupt nicht erlauben. Positiv wird aber bewertet, dass es einen breiten Konsens gibt in einer Parteienlandschaft, die doch etwas patchworkartig ist. Und dass trotz anstehender Wahlen, die Zerreißprobe verhindert werden konnte. Dass es so schnell zu einem rechtlichen Einverständnis kam, ist nicht zuletzt dem Umstand zuzuschreiben, dass es in Polen eine Rechtssprache gibt, die der europäischen, und besonders der deutschen und französischen sehr nahe steht.

Nicht unwichtig war auch ein längeres Gespräch mit dem Vorsitzenden des Linksbündnisses Leszek Miller, dessen Parteiengruppierung sehr in der Gunst der Wähler steht, die im September zu den Urnen gerufen sind. Miller unterstrich, wie alle andern Dialogpartner auch, dass es zu dem Beitritt in die Europäischen Union keine Alternative gibt. In Polen aber habe man den Eindruck, dass sich der Erweiterungsenthusiasmus in der EU gelegt habe. Premierminister Juncker wiederholte , dass die Beschlüsse von Luxemburg gültig blieben. Dass es in den Meinungsumfragen Schwankungen gäbe, konnte Juncker nur bestätigen. Aber für ihn würden nicht die Meinungsumfragen zählen, sondern das, was in den Geschichtsbüchern stehe. Und das lade die EU unmissverständlich ein, den gemeinsamen Weg zu finden, wolle man den Frieden definitiv in Europa sichern.

Beide Politiker waren sich darin einig, dass es immer noch viel Missverständnisse gäbe. Drüben fürchte man die Invasion der polnischen Arbeitskräfte sofern es keine langen Übergangsfristen gäbe. Und hüben fürchte man den Ausverkauf von polnischem Boden, wenn nicht auch hier lange Übergangsfristen bestünden. Offizielle Visiten wie die des luxemburgischen Premiers dienten jedenfalls dazu, das gegenseitige Kennenlernen  zu vertiefen und so den Modalitäten des Erweiterungsprozesses mehr Qualität zu verleihen.

Dem Kennenlernen diente auch der Abstecher von Jean-Claude Juncker in die Provinz. In Begleitung von Ministerin Erna Hennicot-Schöpges besuchte der luxemburgische Premierminister die Gegend von Lublin an der polnisch-ukrainischen Grenze.

Nach einem mehr als einstündigen Helikopterflugs besuchte die luxemburgische Delegation zuerst die Grund-und Mittelschule von Wola Uhruska. Und sie musste sich den vielen Fragen der Schülerinnen und Schüler stellen. Wobei es Premierminister Juncker nach im Besonderen darum ging, die Hoffnungen, welche in diesen Gegenden bestünden im Zusammenhang mit dem EU-Beitritt in die richtigen Wege zu leiten. Immer wieder hatten sich die polnischen Entscheidungsträger darüber beklagt, dass das Erziehungssystem in all seinen Komponenten, den sich andeutenden tiefen Wandel nicht proaktiv genug vorbereiteten.

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Auch die Besichtigung vor Ort eines vom Ackerbau zum "Bed and Breakfast" -Unternehmen gewandelten Hofes, sowie einem landwirtschaftlichen Unternehmen, welches die Produktion von Qualitätswahren anstrebt, rundeten den Gesamteindruck ab.

Der Besuch eines Grenzübergangs zu der Ukraine, der nach dem Beitritt von Polen östlichsten EU-Grenze, gehörte in ein Besuchsprogramm, welches die Komplexität des Erweiterungsprozesses einmal mehr illustrierte. Eine offizielle Visite, welche allerdings auch die Hoffnungen nährte, dass es Polen gelingen kann, in einem angemessenen Zeitraum die notwendigen Ziele zu erreichen.

Aber auch die Kultur wurde während diesem offiziellen Besuchs gross geschrieben.

Im Laufe des 2. April führte Kultur-, Hochschul- und Forschungsministerin Erna Hennicot-Schoepges Gespräche mit dem Kulturminister, K.M. Ujazdowski, dem Erziehungsminister, E. Wittbrodt sowie dem Wissenschaftsminister, A. Wiszniewski.  Die Gespräche berührten die weitere Zusammenarbeit Luxemburgs und Polen in diesen drei Gebieten. Die Minister waren sich eins, dass der europäische Integrationsprozess sich positiv auf die nationale und kulturelle Identität der Länder auswirken wird.

Insbesonders wurden für das neue Kooperationsprogramm, gemeinsame kulturelle Veranstaltungen im Rahmen von "Europalia 2001" festgehalten, ein verstärktes Sicheinsetzen für polnische und luxemburgische Literatur, eine neue Bestandsaufnahme der Luxemburger Beteiligung  am früheren Kloster in Leubus/Lubiaz,  sowie Austausch von Künstlern, Musikern, Studenten, Professoren und Experten beider Seiten.

Weiters wurden direkte Kontakte mit den Luxemburger Forschungszentren und dem Centre Universitaire und den polnischen Zentren sowie Rektorenkonferenz beschlossen. Möglichkeiten für internationale "networks" im Bereich des 6. Forschungsprogramm wurden angesprochen. Die Luxemburger Ministerin informierte ihre polnischen Kollegen über die "European University Foundation" sowie das Projekt ENA, "European Navigator".

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